Pflanzenzüchtung und Gentechnik für bessere Stickstoffnutzung

Weniger Dünger, mehr Ertrag

Pflanzen entziehen dem Boden Stickstoff, einen zentralen Baustein vieler biologischer Moleküle. Für den effizienten Anbau von Nutzpflanzen muss dem Boden regelmäßig Stickstoff zugeführt werden. Der großflächige Einsatz synthetischer Stickstoffdünger seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat für erhebliche Ertragssteigerungen in der Landwirtschaft gesorgt, aber auch Umweltschäden mit sich gebracht. Pflanzenforscher arbeiten daran, dass Kulturpflanzen Stickstoff besser aufnehmen und verwerten können. Das ehrgeizigste Ziel sind Grundnahrungspflanzen, die Stickstoff aus der Luft nutzen können.

Blaue Süßlupine

Blaue Süßlupine aus der Familie der Leguminosen.

Wurzelknöllchen Vicia sepium

Wurzelknöllchen bei der Zaunwicke, einer anderen Leguminose. In den Knöllchen leben Bakterien, die Stickstoff aus der Luft in eine für Pflanzen nutzbare Form überführen. Es ist eine Besonderheit der Leguminosen, dass sie in der Lage sind, derartige Symbiosen mit stickstofffixierenden Bakterien auszubilden.

Foto: Frank Vincentz, CC-BY-SA 3.0

Pflanzen benötigen für ihren Stoffwechsel und ihr Wachstum Stickstoff. Er ist ein zentraler Baustein von Aminosäuren, den Bausteinen der Proteine, und von Chlorophyll. Eigentlich ist Stickstoff ein häufig vorkommendes Element: Er liegt hauptsächlich als Gas vor und macht als solches 78 Prozent der Lufthülle der Erde aus. Pflanzen können ihn aber in dieser Form nicht nutzen, sondern nur in Form von Nitrat- oder Ammonium-Ionen. Da diese Verbindungen im Boden nur in geringer Menge vorkommen, müssen sie für den Anbau von Nutzpflanzen ständig zugeführt werden.

Traditionelle Methoden, dem Ackerboden nutzbare Stickstoffverbindungen zuzuführen, sind die Düngung mit Gülle und Mist sowie Fruchtfolgen mit Leguminosen wie Futtererbse, Ackerbohne, Klee und Lupine. Leguminosen bilden Symbiosen mit bestimmten Bakterien, den Rhizobien. Im Gegensatz zu Pflanzen können diese Bakterien elementaren Stickstoff aus der Luft verarbeiten, da sie ein bestimmtes Enzym – die Nitrogenase - besitzen. Sind Rhizobien im Boden vorhanden, bilden die Leguminosen an ihren Wurzeln Knöllchen aus, die den Bakterien als Lebensraum dienen. Sie wandeln den Luftstickstoff in Ammoniak um, den die Pflanzen dann für die Bildung von Aminosäuren nutzen. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war es in unseren Breiten üblich, Leguminosen regelmäßig als sogenannte Zwischenfrucht anzubauen. Das änderte sich, als synthetische Stickstoffdünger allgemein verfügbar und erschwinglich wurden. Im ökologischen Landbau, der den Einsatz synthetischer Dünger verbietet, sind Leguminosen und Viehdung die einzigen zulässigen Stickstoffquellen.

Der großflächige Einsatz synthetischer Stickstoffdünger seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat zu erheblichen Ertragssteigerungen in der Landwirtschaft beigetragen, aber auch Umweltprobleme mit sich gebracht. Die ausgebrachte Stickstoffmenge wird nie vollständig von den Kulturpflanzen aufgenommen und verwertet. Ein Teil verbleibt immer im Boden, insbesondere wenn die Düngergaben zu hoch sind. Der Stickstoff wird dann als Nitrat aus dem Boden gewaschen und gelangt so ins Grundwasser und in Gewässer, wo es zu einer Überdüngung und zum anschließenden Absterben vieler Organismen kommen kann. Zudem wird bei der Umwandlung von Stickstoffverbindungen durch Bodenbakterien Lachgas gebildet, das die Ozonschicht schädigt. Alle diese Probleme treten auch dann auf, wenn infolge intensiver Tierhaltung große Mengen Gülle und Mist ausgebracht werden. Die Herstellung der synthetischen Dünger ist außerdem sehr energieaufwendig.

Es gibt inzwischen Ansätze, Stickstoffdünger sparsamer und effizienter zu nutzen. So werden seit einigen Jahren neue Dünger entwickelt, die den Stickstoff langsam und über einen längeren Zeitraum abgeben, so dass er sich weniger im Boden anreichert. Ein weiterer Ansatz ist der sogenannte Präzisionsackerbau, der vor allem in den USA bereits weit verbreitet ist. Dabei wird der Düngerbedarf Quadratmeter für Quadratmeter technisch ermittelt und der Dünger in jeweils angepassten Mengen ausgebracht.

Züchtungsziel bei Pflanzen: Bessere Erschließung und Nutzung von Stickstoff

Pflanzenforscher arbeiten daran, dass Kulturpflanzen Stickstoff besser aufnehmen und verwerten können. Ein wichtiger Ansatz besteht darin, den Stoffwechsel der Pflanzen hinsichtlich ihrer Stickstoffverwertung zu optimieren. So haben Forscher der Universität von Tokio in das Erbgut von Reis ein Mais-Gen eingefügt, das bewirkt, dass die Pflanzen mehr Biomasse produzieren. Dadurch sind sie gezwungen, Stickstoff effizienter aufzunehmen und zu verwerten. Auch bei geringem Stickstoffangebot gedeihen diese Pflanzen problemlos.

Die US-Firma Arcadia Biosciences, an der BASF beteiligt ist, hat Raps und Reis gentechnisch so verändert, dass sie bei Stickstoffknappheit mehr Aminosäuren produzieren. In Feldversuchen auf stickstoffarmen Böden nahmen die so veränderten Pflanzen mehr Stickstoff auf und erbrachten höhere Erträge als die Vergleichspflanzen. Die Freisetzungsversuche laufen seit mehreren Jahren. Weitere Kulturpflanzen wie Weizen sollen ebenfalls entsprechend gentechnisch verändert werden. Arcadia Biosciences unterhält verschiedene internationale Kooperationen mit privaten Firmen, Stiftungen und staatlichen Agrarforschungsinstituten, etwa mit dem staatlichen Institut CSIRO in Australien und mit der African Agricultural Technology Foundation.

In Schweden gibt es ab 2012 Freisetzungsversuche mit transgener Gerste, die weniger Stickstoffdüngung benötigen soll. Seit einigen Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler verstärkt mit der Tatsache, dass Pflanzen nicht nur Ammonium- und Nitrat-Ionen, sondern auch Aminosäuren aus verrottendem organischen Material aus dem Boden aufnehmen können. In die transgene Gerste wurden zwei Gene aus der Ackerschmalwand eingebracht, mit deren Hilfe die Pflanzen effizienter Aminosäuren aus dem umgebenden Boden aufnehmen können. Von 2012 bis 1016 sind Freisetzungsversuche geplant.

Parallel zu diesen Ansätzen versucht man zu erreichen, dass auch andere Kulturpflanzen außer Leguminosen eine Synthese mit stickstofffixierenden Bakterien eingehen können. Seit langem wird untersucht, welche pflanzlichen Stoffwechselvorgänge an der Symbiose zwischen Leguminosen und Rhizobien beteiligt sind. Inzwischen weiß man, dass sie zu großen Teilen den Stoffwechselvorgängen gleichen, die an der Ausbildung von Mykorrhiza beteiligt sind, einer Symbiose mit Pilzen, zu der die meisten Landpflanzen fähig sind. Forscher vom John Innes Centre im britischen Norwich nehmen diese Stoffwechselwege, die in den meisten Pflanzen ohnehin vorhanden sind, als Grundlage und versuchen sie so zu verändern, dass auch Nicht-Leguminosen wie Getreidepflanzen in die Lage versetzt werden, Symbiosen mit Rhizobien einzugehen.

Eine ähnliche Symbiose wie zwischen Leguminosen und Rhizobien beobachteten Forscher der Universität Bremen zwischen einem pakistanischen Gras, das eng mit Reis verwandt ist, und stickstofffixierenden Bakterien der Gattung Azoarcus. Wie diese Symbiose zustande kommt, wird noch untersucht. Wenn man herausgefunden hat, welche Gene bei den Graspflanzen an der Ausbildung der Symbiose beteiligt sind, kann man versuchen, die entsprechenden Genomabschnitte in Reis einzukreuzen.