Wie zuverlässig ist der Einschluss von Transgenen in den Plastiden gentechnisch veränderter Pflanzen?

(2008 – 2011) Department Biologie I, Fakultät für Biologie, Ludwig-Maximilians-Universität München

Thema

Neue Forschungsansätze zielen darauf ab, Pflanzen nicht im Zellkern, sondern in den Plastiden gentechnisch zu verändern. Plastiden sind kleine Einheiten in der Pflanzenzelle, die über eigene DNA verfügen. Einer der Vorteile der Plastidentransformation: Die Erbinformation der Plastiden wird in der Regel nicht über den Pollen weitergegeben, eine mögliche Ausbreitung der neu eingebrachten Gene damit weitestgehend verhindert und das Erbgut in der Pflanze biologisch eingeschlossen (biologisches Confinement).

Aus Voruntersuchungen ist bekannt, dass eine Weitergabe von Plastiden-DNA über den Pollen nicht zu hundert Prozent ausgeschlossen werden kann. So wurde im Labor festgestellt, dass Plastiden-DNA (mit sehr geringer Häufigkeit) in die Kern-DNA der Pflanzenzelle wandern kann. Außerdem kommt es vor, dass Pflanzen, die Plastiden-DNA normalerweise nur mütterlich vererben, sehr selten auch eine väterliche Vererbung, d.h. über den Pollen, zulassen. Diese für ein Confinement-System unerwünschte „Undichtigkeit“ soll quantifiziert und auf ihre genetischen und zellbiologischen Hintergründe untersucht werden.

Ziel dieses Projektes ist es, die Zuverlässigkeit der Plastidentranformation als Confinement-System zu überprüfen. Der Schwerpunkt der Arbeiten liegt auf der Klärung der molekulargenetischen Hintergründe einer (ungewollten) Auskreuzung von Plastidengenen.

Informationen zum Verfahren:

Das Projekt ist Teil des Verbundprojektes CONFICO „Entwicklung und Prüfung von Plastidentransformation als Confinement-System bei Raps und Mais“. Beteiligt sind der Lehrstuhl für Botanik (Prof. Dr. Dario Leister), die Arbeitsgruppe für Zellbiologie und Zellkultur (Prof. Dr. Hans-Ulrich Koop) der Universität München, der Lehrstuhl für Genetik (Prof. Dr. Alfons Gierl) der Technischen Universität München und der Lehrstuhl für Agrobiotechnologie (Prof. Dr. Inge Broer) der Universität Rostock.

Versuchsbeschreibung

transplastomische Petunie

Transplastomische Petunien-Linien, die im Plastidengenom ein Markergen enthalten…

kernmutagenisierte Petunie

…werden mit Pollen von Petunien-Linien bestäubt, die im Kerngenom Mutationen aufweisen. Die Mutationen werden durch „springende Gene“ verursacht. Die Aktivität dieser „springenden Gene“ kann anhand der roten Sektorenbildung in der Blüte bestimmt werden.

Petunien

Es wird so eine große Anzahl (450) an Linien (F2) erzeugt, die das Markergen (mütterlich vererbt) sowie Kernmutationen enthalten.
Wenn einzelne Mutanten eine erhöhte väterliche Plastidenvererbung aufweisen, lässt sich dies in den Kreuzungsnachkommen molekularbiologisch nachweisen. Diese Pflanzen enthalten dann das Markergen.

Auskreuzungsversuche im Freiland

A: Pollenspenderpflanze (Vater). Die Plastiden (rot) sind mit einem Markergen ausgestattet.
B: Empfängerpflanze (Mutter), Wildtyp-Linie mit unveränderten Plastiden (grün)
C: Kreuzungsnachkommen der Wildtyp-Linie. Eine Plastide (rot) wurde über den Pollen vererbt.

Identifizierung von Mutanten mit erhöhter väterlicher Plastiden-Vererbung

Die normalerweise bei Pflanzen vorliegende Vererbung von Plastiden-DNA über den rein mütterlichen Weg liegt darin begründet, dass während der Pollenentwicklung die Plastiden-DNA in den generativen Pollenzellen abgebaut wird. Dieser Prozess wird vermutlich nicht spontan eintreten, sondern unterliegt genetischen Faktoren. Mithilfe von Mutanten, die eine erhöhte väterliche Plastiden-Vererbung aufweisen, sollen die genetischen Faktoren ermittelt und untersucht werden. Sind diese Faktoren bekannt, könnten langfristig Pflanzen erzeugt werden, in denen diese genetischen Faktoren dahingehend verändert werden, dass das Ereignis „Pollentransfer von Plastiden-DNA“ noch weiter reduziert werden kann.

Auskreuzungsexperimente im Freiland

Um das (unerwünschte) Ereignis eines Pollentransfers von Plastiden-DNA nachzuweisen, werden in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe der Universität Rostock Kreuzungsexperimente durchgeführt.

Die Kreuzungen werden mit den Modellpflanzen Petunie und Arabidopsis vorgenommen, da erst gegen Mitte/Ende des Forschungsprojektes transplastomische Raps- und Maislinien zur Verfügung stehen werden.

Als Empfängerpflanzen dienen Wildtyp-Linien (Mutterpflanzen). Daneben werden Pollenspender-Linien ausgepflanzt. Diese Linien sind mit Markergenen ausgestattet. Die Arabidopsis-Linien verfügen über eine natürliche Herbizidresistenz, die mittels Punktmutation im Plastidengenom erzeugt wurde. Die Petunien-Linien sind gentechnisch verändert und tragen im Plastidengenom das Markergen für eine Antibiotikaresistenz (Streptomycin/Spectinomycin).

Die Kreuzungsnachkommen der Wildtyp-Linien werden phänotypisch auf das Vorhandensein der Markergene untersucht. Ist das Markergen in diesen Pflanzen feststellbar, hat ein Transfer von Plastiden-DNA über den Pollen stattgefunden.

Für das dritte Versuchsjahr sind Auskreuzungsversuche und eine Quantifizierung der ungewollten Verbreitung von Plastiden-DNA bei Raps geplant.

Die Auskreuzungsversuche werden unter Gewächshaus- und Freilandbedingungen am Agrobiotechnikum in Groß Lüsewitz unter Federführung der Arbeitsgruppe Broer, Uni Rostock durchgeführt.

Ergebnisse

Identifizierung von Mutanten mit erhöhter väterliche Plastiden-Vererbung

Petunien: Zu Projektbeginn lagen 450 transplastomische Kern-mutagenisierte Linien vor (F2). Pro F2-Linie werden sechs durch Selbstung erzeugte Nachkommen als Pollenspender mit Wildtyp-Pflanzen als Pollenempfänger gekreuzt. Die daraus resultierenden Kreuzungsnachkommen werden auf Anwesenheit des Transgens untersucht.

300 Kern-mutagenisierte Linien wurden bisher untersucht, dabei wurden zwei mögliche Mutanten ermittelt. In deren Kreuzungsnachkommen konnte die Anwesenheit des Transgens mittels PCR nachgewiesen werden. Derzeit werden diese Mutanten analysiert.

Arabidopsis: Hier lagen zu Projektbeginn 10.000 Kern-mutagenisierte Linien vor, die eine Punktmutation im Plastidengenom aufweisen und somit resistent gegen das Herbizid Atrazin sind. Seit Projektbeginn wurden insgesamt 1200 Kreuzungen zwischen diesen Mutanten als Pollenspender und den Wildtyp-Pflanzen durchgeführt. Alle Kreuzungsnachkommen wurden auf eine Resistenz gegenüber Atrazin getestet. Bisher konnte keine Mutante identifiziert werden, die eine erhöhte väterliche Vererbung von Plastiden aufweist.

Auskreuzungsexperimente im Freiland

Petunien: Die Untersuchungen der Nachkommen aus den Petunienkreuzungen sind noch nicht abgeschlossen.

Arabidopsis: In einem Feldversuch in Groß-Lüsewitz wurden Arabidopsis-Linien mit einer Punktmutation im Plastidengenom (herbizidresistente Pollenspender) mit Arabidopsis-Wildtyplinien gekreuzt, die Nachkommen geerntet und 1,2 Millionen Pflanzen auf eine Herbizidresistenz hin untersucht. Es konnte in keiner Pflanze eine Herbizidresistenz nachgewiesen werden.