Feldversuche mit gentechnisch veränderten Kartoffeln und Weizen zerstört

„Brutaler und gezielter Angriff“

Zwei vom Bundesforschungsministerium geförderte Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen wurden in den Nächten zum 9. und 11. Juli 2011 von Unbekannten zerstört. Dabei gingen die Täter mit brutaler Gewalt gegen die Wachmänner vor. Die Versuche in Groß Lüsewitz bei Rostock und in Üplingen (Sachsen Anhalt) dienten der Entwicklung neuer Verfahren für die Sicherheitsbewertung. Es entstanden Sachschäden in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro.

Feldzerstörung Groß Lüsewitz Juli 2011

In Groß Lüsewitz wurden zwei jeweils 265 m große Versuchsflächen mit Kartoffeln und Weizen zerstört.

Feldzerstörung Üplingen Juli 2011

Zerstörtes Kartoffel-Versuchsfeld im Schaugarten Üplingen.

Mehrere vermummte Täter überwältigten die Wachmänner an den Versuchsstandorten und hielten sie fest. Nach Angaben der Projektleiterin Kerstin Schmidt (biovativ GmbH) gingen die Täter sehr gezielt und brutal vor. In einem Fall waren die Angreifer mit Schlagstöcken und Pfefferspray bewaffnet, im anderen Fall entwendeten sie dem Wachmann das Mobiltelefon, zerstachen seine Autoreifen und blendeten ihn mit Schweinwerfern.

Ein Teil der zerstörten Versuche mit gentechnisch veränderten Kartoffeln und Weizen gehörten zu einem vom Bundesforschungsministerium (BMBF) geförderten Gemeinschaftsprojekt von mittelständischen Unternehmen und Universitäten. Der „innovative Regionale Wachstumskern BioOK“ soll laut Projektpartnerin Inge Broer (Universität Rostock) Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Pflanzen kostengünstiger, sicherer und effektiver machen. Bei dem Projekt werde ein integriertes Prüfsystem für die Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen entwickelt, um viele der aufwändigen und sehr unterschiedlichen Analyseverfahren bei der Sicherheitsbewertung abzulösen.

Die zerstörten Kartoffeln produzieren einen Rohstoff für die Kunststoffherstellung namens Cyanophycin. Dieser könnte Erdöl als Ausgangsstoff für die Kunststoffproduktion ersetzen. Der gentechnisch veränderte Weizen ist eine Entwicklung der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich und ist gegen spezielle Pilzerkrankungen resistent.

Nach Einschätzung von Broer könnten sich bisher nur große internationale Agrounternehmen das bis zu 10 Jahre dauernde und mehr als 10 Millionen Euro teure Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Pflanzen leisten. Mit den neuen Methoden der Sicherheitsbewertung ließen sich die Zulassungskosten auf ein Maß senken, das auch für mittelständische Pflanzenzüchter in Europa finanzierbar ist. „Die derzeitige beherrschende Stellung der Großkonzerne am Markt für gentechnisch veränderte Pflanzen ist einer der zentralen Kritikpunkte der Gentechnikgegner. Es ist deshalb völlig unverständlich, dass gerade die Versuche in dem Wachstumskernprojekt an beiden Standorten zerstört wurden.“ Die Zerstörung bedeute einen schweren Rückschlag für die Verbesserung der Zulassungsverfahren.

Feldzerstörungen nehmen zu

Laut einer vom Bundesverband der deutschen Pflanzenzüchter (BDP) veröffentlichten Statistik nehmen Feldzerstörungen in den letzten Jahren deutlich zu. 2009 wurde etwa die Hälfte aller Feldversuche in Deutschland von radikalen Gentechnikgegnern zerstört. Auch das jetzt betroffene Versuchsfeld in Groß Lüsewitz zerstörten Aktivisten schon einmal in 2009, ohne dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden konnten. Dieses Jahr sind bereits sechs von insgesamt 16 Feldversuchen zerstört worden. Das Bundeskriminalamt zählte im Zeitraum 2005 bis 2010 insgesamt 210 politisch motivierte Straftaten im Zusammenhang mit Gentechnik. Kerstin Schmidt äußerte, dass auch eine fast parteienübergreifende Angstpolitik gegenüber der Gentechnik zu Straftaten ermutigen könnte.

In einem Appell haben 2010 alle deutschen Einrichtungen, die Freilandversuche mit gv-Pflanzen durchführen, vor einer weiteren Radikalisierung der Antigentechnikbewegung gewarnt und eine konsequente strafrechtliche Verfolgung von Feldzerstörern gefordert. Die negativen Auswirkungen der Zerstörungen für den Wissenschaftsstandort Deutschland seien bereits sichtbar: Die Zahl der Freilandversuche ist von 80 im Jahr 2007 auf aktuell 16 gesunken. Parallel dazu verlagern Forschungsinstitutionen und Pflanzenzüchter ihre Forschungsaktivitäten zunehmend ins Ausland.

Politiker fast aller Parteien haben die Anschläge verurteilt. Die Sprecherin der Grünen-Landesarbeitsgemeinschaft Landwirtschaft und Naturschutz, Claudia Schulz, sagte, sie könne die Motivation der Feldzerstörer nachvollziehen, schließlich gebe es in Deutschland keine Möglichkeit, Gentechnikversuche zu verhindern. „Aber Zerstörungen sind nie hilfreich, sondern immer kontraproduktiv“.