UN-Konferenz in Bonn

Schwieriger Kompromiss: Grundsatzbeschluss zur Gentechnik-Haftung

Das Cartagena-Protokoll zum grenzüberschreitenden Handel mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) wird bis 2010 um rechtlich bindende Regeln für die Haftung und Wiedergutmachung bei Schäden an der Biodiversität ergänzt. Auf diese grundsätzliche Weichenstellung haben sich die 147 Vertragsparteien des internationalen Abkommens auf der 4. UN-Konferenz zur Biologischen Sicherheit (MOP 4) heute in Bonn geeinigt. Viele Detailfragen blieben jedoch offen.

Ursula Heinen, Staatssekretärin im BMVEL und Vorsitzende der MOP4-Konferenz: „Wer Schäden durch gentechnisch veränderte Organismen verursacht, muss dafür haften. Diese Haftung darf nicht vom guten Willen des Schadensverursachers abhängen, sondern sie braucht rechtsverbindliche Grundlagen. Darauf haben wir uns hier verständigt.“

Ahmed Djoglaf, Exekutivsekretär der UN-Konvention für biologische Vielfalt.

Vandana Shiva, Saatgutaktivistin aus Indien stelle das vom Planet Diversity-Kongress beschlossene Manifest vor.

„Wir standen im Verlauf der Verhandlungen zeitweise an einem Punkt, der ein Scheitern bedeutet hätte“, fasste Ursula Heinen, die Vorsitzende der Konferenz und Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundeslandwirtschaftsminister den Verlauf des fünftägigen Gesprächsmarathons mit 2.000 Delegierten zusammen. Wie aus Teilnehmerkreisen zu erfahren war, blockierte Japan bis zuletzt jeden Fortschritt mit seiner Weigerung, jedwede rechtlich bindende Vereinbarung zur Haftung zu akzeptieren. Erst massiver diplomatischer Druck veranlasste die japanische Delegation, in einer Nachtsitzung einzulenken.

Nun steht fest: Artikel 27 des Cartagena-Protokolls wird um Vorschriften erweitert, die den Vertragsstaaten bindend vorschreiben, wie die Haftung und Wiedergutmachung bei gentechnikbedingten Schäden an der Biodiversität zu gestalten ist. Das Alternativmodell einer gegenseitigen Anerkennung einzelstaatlicher, zivilrechtlicher Entscheidungen durch alle Vertragsparteien wurde weitestgehend verworfen.

Unter anderem die Europäische Union hatte Eingriffe in das einzelstaatliche Zivilrecht abgelehnt. Das MOP4-Abschlussdokument lässt in diesem Punkt allerdings eine Grauzone. Es schließt nicht aus, dass einzelne zivilrechtliche Elemente künftig für bindend erklärt werden können. Dies ist nur eine der vielen Unklarheiten, die technische und juristische Experten in den kommenden zwei Jahren ausräumen sollen. Dazu werden voraussichtlich zusätzliche Expertentreffen in Mexiko und Malaysia stattfinden, wie der Exekutivsekretär der UN-Biodiversitätskonvention (CBD), Ahmed Djoghlaf, erläuterte.

In diesem Rahmen soll konkret geklärt werden, wie Schäden an der Biodiversität festgestellt, finanziell bewertet und entschädigt werden. Klar ist, die Beweispflicht wird beim Geschädigten liegen. Er wird den ursächlichen Zusammenhang zwischen der GVO-Nutzung und dem reklamierten Biodiversitätsschaden belegen müssen. Dann soll der geschädigte Staat den Verursacher der Umweltschäden in Regress nehmen können. Für entwickelte Industriestaaten bedeuten die Regeln nach Einschätzung eines in die Verhandlungen eingebundenen Experten praktisch keine Veränderung zum status quo. Vor allem Entwicklungsländer würden durch die Ratifizierung des erweiterten Cartagena-Protokolls jedoch Rechtssicherheit gegenüber GVO-exportierenden Staaten gewinnen. Die von sechs Biotechnologie-Konzernen vorgeschlagene freiwillige Selbstverpflichtung wurde auf der Konferenz diskutiert, fand aber keine nennenswerte Unterstützung.

Für eine „gentechnikfreie Welt“

Auch der von Gentechnik-Kritikern am Tagungsort veranstaltete Gegengipfel „Planet Diversity“ endete heute. Die 700 Teilnehmer aus mehr als 100 Ländern forderten in einer gemeinsamen Erklärung ein weltweites Moratorium für die Produktion von Biokraftstoffen und den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen. Die indische Aktivistin und Trägerin des alternativen Nobelpreises Vandana Shiva sagte: „Wir brauchen eine gentechnikfreie Welt“. Die Agrarbiotechnologie sei für die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln entbehrlich. Den Anbau von Agrarrohstoffen für die Produktion von Biokraftstoffen bezeichnete sie als Experiment auf Kosten der Entwicklungsländer. Biosprit verschärfe den Klimawandel statt zum Schutz des Klimas beizutragen.