Langzeitstudie mit Mäusen

„Gen-Mais macht impotent.“ Oder: Wie mit einer wissenschaftlichen Studie Politik gemacht wird.

Eine Langzeit-Fütterungsstudie mit Mäusen hat die Diskussion über die Sicherheit von gentechnisch verändertem Mais neu entfacht. Labormäuse, die mit einem bestimmten gv-Mais gefüttert wurden, brachten weniger Nachkommen zur Welt. Während Wissenschaftler vor voreiligen Schlussfolgerungen warnten und weitere Untersuchungen anmahnten, sahen Gentechnik-kritische Gruppen in der Studie den Beweis für die Gefährlichkeit von "Gen-Mais".

Bei der Studie im Auftrag des österreichischen Ministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend waren Labormäuse mit einer Diät gefüttert worden, die zu einem Drittel aus gentechnisch verändertem Mais NK603xMON810 bestand. Eine Kontrollgruppe hatte eine nahverwandte (isogene) Maislinie erhalten. Bei einem Teil des Versuchs wurde zudem noch ein konventioneller, in Österreich angebauter Mais verfüttert.

Langzeitfütterungs- versuch mit Mäusen: Keine Auffälligkeiten, aber weniger Nachkommen beim dritten und vierten Wurf.

Das Futter. Eine Gruppe von Mäusen erhielt ein Futter, das zu einem Drittel aus gv-Mais NK 603xMON810 bestand. Dieser gv-Mais ist eine Kreuzung aus einem herbizid- und einem insektenresistenten Mais, der in EU als Lebens- und Futtermittel zugelassen ist.

Untersucht wurden vor allem Anzahl, Gewicht, Wachstum und Überlebensrate der Nachkommen. Die Reproduktion gilt als sensibler Parameter für mögliche Langzeiteffekte. Die Studie wurde von einer Arbeitsgruppe an der Veterinärmedizinischen Universität Wien unter Leitung von Prof. Jürgen Zentek durchgeführt und schloss zwei Versuchsanordnungen ein:

  • Eine Mehrgenerationenstudie (MGS), bei der die Mäuse der verschiedenen Fütterungsgruppen über vier Generationen untersucht wurden
  • und eine fortlaufende Zucht (RACB) mit vier Würfen der jeweils gleichen Eltern.
  • Bei der Mehrgenerationenstudie bestanden die Gruppen in der ersten Generation aus 18 Mauspaaren, bei den nachfolgenden aus 20 bis 22 Paaren. In dem RACB-Versuch umfasste eine Gruppe jeweils 24 Paare. Es wurden Mäuse aus „Auszuchtstämmen“ verwendet, bei denen die individuellen Unterschiede zwischen den einzelnen Mäusen größer sind als bei den oft verwendeten „Inzuchtstämmen“. Bei Ergebnissen, die mit Auszuchtstämmen gewonnen werden, muss die größere Variabilität der individuellen Mausgenotypen berücksichtigt werden.

Mäuse: Weniger Nachkommen im dritten und vierten Wurf

In der Mehrgenerationenstudie wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den Mäusen der Fütterungsgruppen gefunden. Anders bei der fortlaufenden Zucht. Es zeigte sich eine „Spanne von Unterschieden zwischen den Fütterungsgruppen, die breiter ist als die erwartete natürliche Variation,“ so die Autoren der Studie.

Im dritten und vierten Wurf wurden signifikant weniger Junge geboren. Zudem war ihr Gewicht geringer. Insgesamt gab es in der Gruppe mit gv-Mais-Fütterung weniger Würfe. Da sich die Diät der Mausgruppen hinsichtlich Energie und Nährstoffzusammensetzung nicht unterschied, lassen sich für die Autoren der Studie diese Ergebnisse nur mit Faktoren außerhalb der Nährstoffversorgung erklären. Ob die „gentechnische Modifikation“ oder ein unbeabsichtigter Effekt beim Kreuzen der beiden gv-Maislinien NK603 und MON810 (gene stacking) tatsächlich der Auslöser für die verringerte Reproduktion der Mäuse ist, sollte „in Zukunft untersucht werden“.

Ausschließlich bei Mäusen der Mehrgenerationenstudie wurden ergänzende Untersuchungen durchgeführt.

  • Bei Weibchen ab der zweiten Generation und bei Männchen der dritten Generation waren die ermittelten Nierengewichte der mit gv-Mais gefütterten Gruppe signifikant geringer als bei der Kontrollgruppe.
  • Die Lebergewichte der Weibchen wiesen zwischen den verschiedenen Gruppen zwar Unterschiede auf, doch diese waren nicht gleichgerichtet und damit „nicht interpretierbar“. Leber und Nieren gelten als empfindliche Risikoindikatoren.
  • Keine Unterschiede wurden bei Untersuchungen der Milz, von Lymphozyten und anderer Zellen des Immunsystems gefunden.
  • Untersuchungen bestimmter Zellstrukturen mit dem Rasterelektronenmikroskop brachten ebenfalls keine eindeutigen Ergebnisse.
  • Molekulargenetische Analysen des Darmgewebes deuten darauf hin, dass die Interaktionen zwischen Futter und Darm bei den mit gv-Mais gefütterten Mäusen anders sind als bei denen, die konventionelles Maisfutter erhalten haben.

Politische Forderungen: Noch vor Veröffentlichung der Studie

Noch bevor Prof. Jürgen Zentek seine Studie im Rahmen einer öffentlichen Fachveranstaltung vorgestellt hatte, erschienen die ersten Pressemitteilungen: „Verzehr von Gentech-Mais verringert Fruchtbarkeit“, titelte Greenpeace und forderte, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) „wegen Inkompetenz zu schließen und alle zugelassenen Gentech-Pflanzen vom Markt zu nehmen.“ „Gen-Mais macht impotent“ legte der Nachrichtendienst Glocialist nach. Österreichische Politiker aller Parteien sahen ihre „massiven Bedenken“ gegen Gentechnik in der Landwirtschaft bestätigt.

Erst später gab die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherung (AGES), auf deren Tagung die Studie präsentiert wurde, eine Klarstellung heraus, dass es sich um eine Einzelfallprüfung handele, deren „Ergebnisse keinesfalls auf den Menschen zu übertragen sind.“ Eine Absicherung dieser vorläufigen Ergebnisse ist durch weitere Studien dringend erforderlich, sagte Jürgen Zentek. Es habe sich jedoch gezeigt, dass Multigenerationenversuche durchaus geeignet seien, die Einflüsse des Futters bei Mäusen aufzuzeigen.

Bisher ist die Fütterungsstudie nur in Form eines „Forschungsberichts“ veröffentlicht worden, nicht jedoch in einem anerkannten wissenschaftlichen Fachjournal. Inzwischen hat die EU-Kommission die Regierung in Wien ersucht, ihr die Studie zur Verfügung zu stellen. Anschließend soll sie von der EFSA wissenschaftlich begutachtet werden.

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