Wissenschaftliche Diskussion um Langzeitfütterungsstudie

Impotent durch Gen-Mais? EFSA-Experten melden Zweifel an

Noch während die Ergebnisse auf einer wissenschaftlichen Tagung in Wien vorgestellt wurden, kursierten die ersten Schlagzeilen: "Gen-Mais macht unfruchtbar." Einer der Autoren der Studie, Prof. Jürgen Zentek, bemühte sich zwar um eine vorsichtige Bewertung und warnte vor schnellen Verallgemeinerungen, doch kaum jemand nahm das zur Kenntnis. Inzwischen hat sich auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) mit der Studie beschäftigt.

Der Versuch: An der Universität Wien wurden mehrere Langzeit- fütterungsversuche mit Mäusen durchgeführt: Eine Studie über die gesamte Lebensdauer der Versuchstiere, eine Mehrgenerationen-Studie (MGS) sowie eine Studie in fortlaufender Zucht RACB) mit vier Würfen der jeweils gleichen Eltern.

Das Futter: Es wurden jeweils verschiedene Gruppen mit Versuchstieren gebildet, die verschiedene Futter-Diäten erhielten: Eine enthielt einen bestimmten gv-Mais (NK603xMON810), eine andere eine ähnliche Maissorte, jedoch ohne die gentechnischen Konstrukte.

Das Ergebnis: Bei der Lebensdauer- und bei der MGS-Studie zeigten sich zwischen den Tieren der Versuchsgruppen keine signifikanten Unterschieden. In diesen Langzeitversuchen ließ sich kein Einfluss des gv-Maises feststellen. Bei der fortlaufenden Zucht wurden in der mit gv-Mais gefütterten Gruppe im dritten und vierten Wurf weniger Junge geboren. Zudem war ihr Gewicht geringer.

Auf ihrer Sitzung am 3. und 4. Dezember in Parma beschäftigte sich die für GVO zuständige Expertengruppe (GMO Panel) der EFSA auch mit der aktuellen Fütterungsstudie, die im Auftrag der österreichischen Regierung von eine Gruppe an der Universität Wien durchgeführt wurde. Das Sitzungsprotokoll des EFSA Panels mit den Schlussfolgerungen aus der Diskussion um die Fütterungsstudie wurde nun vorab veröffentlich.

Die EFSA-Wissenschaftler merken an, dass die entscheidende Auswertung der Studie in fortlaufender Zucht (RACB, siehe Kasten links) Rechen- und Zuordnungsfehler enthält. So wird die mittlere Wurfgröße teilweise pro Elternpaar und teilweise pro Wurf berechnet. Üblich ist es, sie jeweils auf einen Wurf zu beziehen. Als Folge dieser Fehler erscheinen die in der Studie angegebenen Unterschiede zwischen den Versuchstieren, die gv-Mais erhalten haben, und der Gruppe, die mit vergleichbaren isogenen Sorten gefüttert wurde, größer als sie tatsächlich sind. Dieser Vorbehalt betrifft die zentrale Aussage der Studie: Die Autoren waren bei Auswertung der in dem RACB-Versuch ermittelten Daten zu dem Ergebnis gekommen, dass bei den Tieren der mit gv-Mais gefütterten Gruppe eine verringerte Reproduktion zu erkennen war. Beim dritten und vierten Wurf waren weniger Junge zur Welt gekommen, die zudem leichter waren als die der konventionell gefütterten Vergleichsgruppe.

Derzeit, so geht aus dem Protokoll des GMO Panels hervor, sei eine abschließende Bewertung der Studie nicht möglich, da die erhobenen Daten nicht vollständig zugänglich seien. Ebenso fehlten in der Studie Detailinformationen über die Versuchsdurchführung oder Vergleichsdaten wie beispielsweise die normale Variabilität der untersuchten Eigenschaften in dem verwendeten Mausstamm. Solche „historischen Daten“ werden normalerweise in der Toxikologie herangezogen, um Einzelergebnisse besser einordnen zu können.

Deshalb sei es derzeit nicht möglich, die Ergebnisse der Studie gründlich nachzuprüfen. Zudem merkten die EFSA-Experten an, dass sich eine verringerte Fruchtbarkeit auch an entsprechenden Veränderungen der Fortpflanzungsorgane erkennen lasse. Die Daten solcher Untersuchungen liegen jedoch nicht vor.

Das GMO Panel weist auch darauf hin, dass die Informationen über die Eigenschaften des bei den Tests verwendeten Materials unzulänglich sei. Dahinter verbirgt sich der Hinweis, dass die verwendeten Futterdiäten möglicherweise stoffliche Unterschiede aufwiesen, die nicht Folge der gentechnischen Veränderung sind, jedoch durchaus als mögliche Ursache für die beobachteten Fruchtbarkeitsstörungen in Frage kommen.

So geht aus den Angaben zur Zusammensetzung des Futters hervor, dass das aus gv-Mais hergestellte Futter deutlich höhere Konzentrationen an Vitamin A und dem Mykotoxin Zearalenon (ZEA) aufwies als das aus konventionellem Mais hergestellte Futter. Eine mütterliche Überversorgung mit Vitamin A kann zu schweren embryonalen Missbildungen führen. Zearalenon wirkt wie ein Östrogen und kann bei steter Zufuhr über die Nahrung u.a. Störungen des Menstruationszyklus bewirken.