Debatte: Zukunft der Sicherheitsforschung

„Auch bei klassisch gezüchteten Pflanzen können Probleme auftreten.“

Bernd Müller-Röber

Prof. Dr. Bernd Müller-Röber ist Biologe und leitet zwei Arbeitsgruppen an der Universität Potsdam und am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören die Pflanzengenomforschung sowie Wachstumsprozesse und Genregulation bei Pflanzen. Unter anderem ist er stellvertretender Vorsitzender des BioÖkonomieRates und Sprecher des Arbeitskreises Gentechnik der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.

bioSicherheit: Wo liegen Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Herausforderungen in der Pflanzenzüchtung in den nächsten zehn Jahren?

Bernd Müller-Röber: Auf der einen Seite haben wir biologische Fragestellungen, die zwingend bearbeitet werden müssen, auf der anderen Seite haben wir technologische Weiterentwicklungen. Was natürlich weiterhin sehr wichtig ist, ist die Frage von Stresstoleranzen, sowohl biotische als auch abiotische. Man sieht ja jetzt, dass sich die Umwelt verändert, und auch wenn es vielleicht nur leichte Veränderungen in der Temperatur sind, kann das deutliche Einflüsse auf die Ertragsleistung von Pflanzen oder auch auf die Anfälligkeit gegenüber Krankheitserregern haben. Die Suche nach Genen, die Stresstoleranz vermitteln, und die Züchtung entsprechender Pflanzen wird weiterhin sehr wichtig sein und vermutlich sogar noch wichtiger werden. Der zweite Bereich, der bisher noch nicht hinreichend bearbeitet ist, ist die Frage, wie das aufgenommene Kohlendioxid innerhalb der Pflanze an die wachsenden Pflanzenteile verteilt wird, also wie die Pflanze die Produktion von Samen im Vergleich zu Wurzeln, im Vergleich zu Blättern, im Vergleich zu Früchten regelt. Hierzu gehört auch die Frage der Optimierung der Photosyntheseleistung, also der Umwandlung von C3-Pflanzen in C4-Pflanzen. Es gibt ja beispielsweise Projekte, wo man das mit Reis versucht – das ist natürlich sehr visionär, aber die nächsten Jahre werden sicher wichtige Grundlagen liefern für ein besseres Verständnis der molekularen Regulationsmechanismen, die im Zusammenhang mit der C4-Photosynthese stehen.

Der dritte Bereich ist die technische Optimierung auch von Pflanzen. Wie weit man da kommen wird, ist im Moment noch schwer abzuschätzen. Bei der Herstellung von Bioethanol aus Stroh, Holzresten oder Gräsern gibt es ja das Problem, dass die pflanzlichen Zellwände zunächst aufgeschlossen werden müssen. Da hat man prinzipiell verschiedene Ansatzpunkte, entweder dass man die Aufschlussverfahren optimiert - chemisch-physikalisch oder biotechnologisch, das heißt, mit Mikroorganismen oder Enzymen – oder dass man die Pflanzen verändert. Vermutlich wird man beides versuchen müssen, wenn man dort weiterkommen möchte.

Dann wird die Effizienz der Aufnahme und Nutzung von Nährstoffen ein wichtiges Thema bleiben, da gibt es noch viele offenen Fragen. Und schließlich die pflanzliche Epigenetik, die bisher nur sehr wenig verstanden ist, insbesondere bei Kulturpflanzen. Bislang weiß man, dass epigenetische Prozesse im Zusammenhang mit dem Blühverhalten eine sehr wichtige Rolle spielen, und das Blühverhalten ist natürlich für den Samenertrag ganz wichtig. Inzwischen gibt es auch Arbeiten, die darauf hindeuten, dass die Reaktionen von Pflanzen auf Umweltstress zum Teil über epigenetische Prozesse reguliert werden, aber das versteht man noch sehr wenig.

Sämtliche Aspekte, die in genannt habe, erfordern, dass man auf einer systemischen Ebene versteht, wie Proteine, Gene, Metabolite miteinander in Wechselwirkung treten. Die Systembiologie im Pflanzenbereich wird, glaube ich, eine wichtige Rolle spielen.

bioSicherheit: Kommen wir zu einem konkreten Beispiel, der Trockentoleranz. Wie sollte man dieses Ziel züchterisch angehen?

Bernd Müller-Röber: Trockentoleranz ist ein komplexes Phänomen. Eine Pflanze hat ja unterschiedliche Wachstumsphasen, und die sind unterschiedlich anfällig für Trockenheit. Das muss man erstmal genauer verstehen, und dann muss man versuchen, die Gene zu identifizieren, die dabei eine Rolle spielen. Dazu wird man neue Technologien, wie zum Beispiel ultraschnelle Sequenzierung, nutzen.

Um dann einen Kausalzusammenhang zwischen der Anwesenheit eines Gens oder einer Genvariante und einer veränderten Trockentoleranz nachzuweisen, muss man funktionelle Studien machen, das heißt, man muss sehr viele transgene Pflanzen herstellen oder sehr viele Kreuzungen machen und die entsprechenden Pflanzen sowohl physiologisch als auch hinsichtlich der molekularen und biochemischen Veränderungen charakterisieren.

Gene oder Genvarianten, die für eine verbesserte Trockentoleranz sorgen, kann man dann entweder über markergestützte Selektion oder auch mit Hilfe der Gentechnik in Nutzpflanzen einbringen. Nun ist Trockentoleranz, wie ich schon sagte, ein komplexes Phänomen; ob da die Veränderung eines einzigen Gens ausreichend ist, mag man fast bezweifeln. Wahrscheinlich muss man multiple Veränderungen durchführen und sich auch genau anschauen, wie die Gene reguliert sind und wann man sie in der Pflanze aktivieren und inaktivieren sollte.

bioSicherheit: Werden denn durch Pflanzen mit den neuen Eigenschaften, die Sie genannt haben, neue Sicherheitsprobleme aufgeworfen? Und können auch klassisch gezüchtete Pflanzen Sicherheitsprobleme verursachen?

Bernd Müller-Röber: Pflanzen mit unterschiedlichen Eigenschaften zu züchten ist ja ein ganz altes Phänomen. Nur deswegen haben wir heute die Vielfalt bei den Kulturpflanzen. Auch die Züchtung trockentoleranter Pflanzen ist ja kein neues Arbeitsgebiet. Triticale etwa ist ein altbekanntes Beispiel, da hat man quasi zwei komplette Genome miteinander verschmolzen, um Pflanzen zu erhalten, die trockentoleranter sind als die Ausgangspflanzen. Diese Pflanze wird weltweit zunehmend angebaut, da stellt keiner die Sicherheitsfrage. Dass man jetzt molekulare Techniken nutzt, um neue Genvarianten mit agronomisch relevanten Eigenschaften zu entdecken, und die so gefundenen Genvarianten in der Züchtung anwendet, generiert aus meiner Sicht keine grundsätzlich neuen Fragestellungen für die Sicherheitsforschung.

Wenn man möglicherweise auch in diesem Bereich gentechnische Verfahren einsetzt, dann hat man ähnliche Fragestellungen wie auch schon vorher: Wo kommt das Gen her? Ist es aus der Pflanze, ist es aus einem anderen Organismus? Was weiß man über das Protein, das von diesem Gen codiert wird? Ist es ein Protein, das gut charakterisiert ist, ist es eins, das man noch gar nicht kennt?

Natürlich muss man immer die Frage stellen, wie stark stört oder schädigt man das Ökosystem, etwa dadurch, dass eine Pflanze mit einer neuen Eigenschaft wilde Kreuzungspartner hat, die dann ihrerseits im Ökosystem einen Standortvorteil erlangen. Aber das hängt nicht mit neuen Züchtungsmethoden zusammen, sondern das ist eine Frage, die wir schon immer haben, was passiert, wenn wir Pflanzen mit unterschiedlichen agronomischen Eigenschaften ins Feld bringen.

Auch bei klassisch gezüchteten Pflanzen müssen wir eine Bewertung vornehmen, auch da können Probleme auftreten. Ein altbekanntes Phänomen sind ja die invasiven Pflanzen, die aus anderen Kontinenten eingeführt wurden. Das zeigt, dass man Probleme generieren kann, ohne dass Gentechnik oder neue Züchtungsverfahren im Spiel waren. Man darf das aber auch nicht überbetonen. Es gibt Zahlen aus England, da hat man geschaut, wie viele Pflanzen in den letzten Jahrhunderten eingeführt wurden, das waren um die fünftausend Pflanzenarten, und davon sind vielleicht zehn tatsächlich zu einem Problem geworden, das ökonomische oder ökologische Auswirkungen hatte. Das kann man grundsätzlich auch bei neu gezüchteten Pflanzen, egal mit welcher Methode sie gezüchtet wurden, nicht gänzlich ausschließen. Ein Restrisiko wird man immer haben.

bioSicherheit: Welche Erwartungen haben Sie an die weitere biologische Sicherheitsforschung zu gentechnisch veränderten Pflanzen?

Bernd Müller-Röber: Bislang trugen transgene Pflanzen ein oder vielleicht zwei neue Gene, die eine bestimmte Eigenschaft vermittelt haben. In Zukunft wird man Kombinationen mehrerer unterschiedlicher Gene haben: Ein Gen macht eine Pflanze vielleicht resistent gegen Insektenfraß, das nächste Gen macht sie tolerant gegen eine höhere Temperatur, das dritte Gen verändert die Ligninzusammensetzung der Zellwand, und das vierte Gen verbessert die Nährstoffaufnahme. Hier muss man überlegen, ob sich neue Fragen für die Biosicherheitsforschung ergeben.

bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch.

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