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„Koexistenz erfordert mehr Aufwand, ist aber grundsätzlich möglich.“

Dr. Antje Dietz-Pfeilstetter , Institut für Pflanzenvirologie, Mikrobiologie und Biologische Sicherheit. Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) Braunschweig (später: JKI / Julius-Kühn-Institut); Koordinatorin des SiFo-Verbundprojekts Potenzielle Auswirkungen des Anbaus von transgenem Raps, 2001-2004

Ist gentechnisch veränderter Raps koexistenzfähig? - Fragen an Antje Dietz-Pfeilstetter.

bioSicherheit: In den letzten Jahren haben Sie sich intensiv mit dem Auskreuzungsverhalten von Raps befasst. Sie haben mehrjährige Praxisversuche durchgeführt und kürzlich eine umfangreiche Literaturstudie präsentiert. Wie auskreuzungsfreudig ist denn Raps?

Antje Dietz-Pfeilstetter: Raps ist ein Selbstbefruchter und im Vergleich zu Mais ist die Auskreuzungsfreudigkeit eher gering. Eine Fremdbefruchtung findet selbst bei direktem Pflanzenkontakt nur zu 25 bis 30 Prozent statt. In Freilandversuchen, wo wir gv- und nicht-gv- Raps direkt benachbart angebaut haben, fanden wir in der Kontaktzone nur etwa ein bis zehn Prozent gv-Raps im nicht-gv-Rapsfeld. Schon in einer Entfernung von fünf bis zehn Metern vom gv-Rapsfeld geht die Auskreuzungsrate stark zurück.

bioSicherheit: Wie relevant ist der Ferntransport? Durch Wind oder Bienen könnte Pollen von gv-Raps auch über weite Entfernungen in ein konventionelles Feld eingetragen werden.

Antje Dietz-Pfeilstetter: Je höher der Anteil an gv-Rapsfeldern in einer Anbauregion ist, desto höher kann grundsätzlich ein solcher Eintrag sein. Es handelt sich hier aber um singuläre Ereignisse, für die vor allem Insekten verantwortlich sind. Der Wind spielt für den Ferntransport kaum eine Rolle. Insekten können den Pollen in Einzelfällen drei bis vier Kilometer und weiter transportieren. Der Eintrag ist insgesamt als sehr gering einzuschätzen.

bioSicherheit: Was sind sinnvolle Maßnahmen, um Einkreuzungen von benachbartem gv-Raps in konventionelle Rapsfelder zu minimieren? Empfehlen Sie Mantelsaaten?

Antje Dietz-Pfeilstetter: Dazu hat unsere Arbeitgruppe - aber auch andere - experimentelle Untersuchungen durchgeführt. Bei gleich großen Rapsfeldern haben wir auf dem nicht-gv-Feld nach zehn Metern Einkreuzungen von nur noch 0,1 bis 0,3 Prozent festgestellt, wenn die beiden Felder zehn Meter entfernt sind. Eine Mantelsaat von fünf bis zehn Metern ist daher am effektivsten. Und zwar am besten beim nicht-gv-Rapsfeld auf derjenigen Seite, die dem gv-Rapsfeld zugewandt ist. Zusätzliche bzw. alternative Maßnahmen sind angemessene Isolationsabstände. Denkbar sind auch Mantelsaaten um das gv-Rapsfeld.

bioSicherheit: Raps kann auch außerhalb von Ackerflächen beispielsweise an Feldrändern und Bahnstrecken als Unkrautraps überdauern. Wie relevant sind derartige Pflanzenbestände für die Koexistenz?

Antje Dietz-Pfeilstetter: Sie sind von sehr geringer bis unbedeutender Relevanz. Das haben unsere Untersuchungen und ein EU-Verbundforschungsprojekt ganz klar feststellt. Es handelt sich hier um kurzfristig verwilderte Rapsbestände, die nicht stetig vorkommen und oft im folgenden Jahr wieder verschwunden sind. Raps ist außerhalb der Ackerfläche wenig konkurrenzfähig.

bioSicherheit: Rapssamen sind im Boden lange lebensfähig und können in der Fruchtfolge immer wieder auskeimen. Wenn innerhalb eines Betriebes sowohl gv-Raps wie konventioneller Raps anbaut werden, wären solche „durchwachsenden“ Pflanzen eine Quelle für GVO-Einträge in konventionelle Bestände.

Antje Dietz-Pfeilstetter: Der Durchwuchs-Raps ist der Faktor mit der größten Bedeutung. Wenn er in einem Betrieb nicht richtig kontrolliert wird, kann eine Koexistenz auch nicht nachhaltig gesichert werden. Die Bodenbearbeitung nach der Rapsernte, eine konsequente Bekämpfung von Unkrautraps und eine angepasste Fruchtfolge sind die wichtigsten Hebel, um den Durchwuchs-Raps in den Griff zu bekommen.

bioSicherheit: Ist unter Koexistenz-Gesichtspunkten die derzeitige landwirtschaftliche Praxis zur Kontrolle von Raps-Durchwuchs ausreichend?

Antje Dietz-Pfeilstetter: Um eine Koexistenz von gv- und nicht-gv-Raps auch über Jahre zu sichern, ist schon ein höherer pflanzenbaulicher Aufwand zu betreiben. Um das Samenpotenzial von gv-Raps im Boden möglichst gering zu halten, sollten möglichst viele Samen gleich nach der Ernte zur Keimung gebracht werden. Das geht am besten, wenn erst mit einigen Wochen Verzögerung gepflügt wird. Und, ich kann es nur wiederholen: Wichtig ist die konsequente Bekämpfung von Unkrautraps in den Folgekulturen, etwa Getreide.

bioSicherheit: Raps hat in Europa verwandte Wildarten, mit denen er sich auskreuzen könnte. Wie relevant sind solche Einkreuzungen in Wildverwandte für die Ausbreitung von Raps in Ackerkulturen?

Antje Dietz-Pfeilstetter: Raps hat zwar viele Verwandte, aber in Europa sind nur Auskreuzungen mit Rübsen wirklich relevant. Relevant heißt, dass Nachkommen bei der Auskreuzung entstehen, die fertil sind und wiederum fertile Nachkommenschaften bilden können. Rübsen kommen in Deutschland aber in den meisten Regionen kaum vor. Häufiger sind Rübsen in Dänemark. Vermutlich handelt es sich hier um eine verwilderte Kulturart.

bioSicherheit: In der öffentlichen Diskussion wird immer wieder das Szenario der „Superunkräuter“ angesprochen. Was ist darunter zu verstehen?

Antje Dietz-Pfeilstetter: Das ist ein sehr diffuser Begriff. Im Zusammenhang mit herbizidtolerantem gv-Raps sind verschiedene Szenarien denkbar. Erstens: Bei wiederholtem Einsatz des gleichen Herbizids können sich resistente Unkräuter bilden. Hierfür gibt es zahlreiche Beispiele - aber ein solches Szenario ist nicht gentechnikspezifisch, sondern ist abhängig vom eingesetzten Herbizid. Wenn so etwas auftritt, muss der Landwirt das Herbizid wechseln. Zweitens: Der herbizidtolerante gv-Raps kreuzt sich mit verwandten Ackerunkräutern aus und überträgt dabei das Gen für Herbizidtoleranz auf die Unkräuter. In der Folge bilden sich herbizidtolerante Unkräuter. Das ist aber – wie bereits oben dargelegt - aufgrund fehlender Auskreuzungspartner ausgeschlossen bis wenig relevant. Und Drittens: Der herbizidtolerante gv-Durchwuchsraps tritt als Unkraut in den nachfolgenden Kulturen auf, meistens Getreide. In einem solchen Fall kann er durch die gängigen konventionellen Getreideherbizide kontrolliert werden. Zusammenfassend lässt sich sagen: Wichtig ist ein vorausschauendes Anbaumanagement.

bioSicherheit: Kommen wir jetzt zum Fazit und Ihren Schlussfolgerungen. Lässt sich ein gemeinschaftlicher Anbau von gv- und konventionellem Raps unter vertretbarem Aufwand organisieren und auch nachhaltig sichern?

Antje Dietz-Pfeilstetter: Welcher Aufwand vertretbar ist, hängt vom Nutzen ab, der sich für den Landwirt ergibt. Auf jeden Fall erfordert ein Anbau von gv- und nicht-gv-Raps in einer Region eine erhöhte Umsicht der Landwirte und ein durchdachtes Anbaumanagement. Dazu gehört auch ein gegenseitiger Informationsaustausch.

bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch.