Streit um die Anbau-Zulassung zweier Bt-Maislinien

EU-Kommissar Dimas stellt sich gegen seine wissenschaftliche Fachbehörde

EU-Umweltkommissar Dimas will für zwei gentechnisch veränderte Bt-Maislinien Bt11 und 1507 die Zulassung zum Anbau in der EU verweigern. Damit setzt er sich über die wissenschaftliche Stellungnahme der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hinweg. Während Dimas seine Entscheidung mit möglichen Umweltrisiken begründet, sind die EFSA-Experten bei ihrer Sicherheitsbewertung zu dem Ergebnis gekommen, der Anbau dieser Bt-Maislinien sei genau so sicher wie konventioneller Mais.

Seit 1998 ist in der EU keine gv-Pflanze mehr zum Anbau zugelassen worden. Nun sind drei Anträge nach jahrelangen Beratungen und Prüfungen entscheidungsreif. Die wissenschaftliche Sicherheitsbewertung ist abgeschlossen, alle gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung erfüllt. Nun muss die EU-Kommission einen Entscheidungsvorschlag ausarbeiten. Zuständig dafür ist der griechische EU-Umweltkommissar Stavros Dimas.

EU-Umweltkommissar Stavros Dimas will die beiden Bt-Maislinien Bt11 und 1507 nicht für den Anbau zulassen. Er sieht „ernste Hinweis für Umweltrisiken“.

Marc Van Montagu, Präsident der European Federation of Biotechnology. „Der Entscheidungsvorschlag von Dimas hat keine wissenschaftliche Grundlage.“

Dr. Michelle Marvier, Ökologin an derSanta Clara University, California hat eine Metastudie zu Wirkungen von Bt-Mais auf Nicht-Zielorganismen durchgeführt. Ergebnis: Bt-Toxin wirkt zielgerichteter als herkömmliche Insektizide.

Die EU-Rechtsvorschriften zur Gentechnik sehen vor, dass die Kommission bei ihrer Entscheidung in der Regel der wissenschaftlichen Stellungnahme der EFSA folgt. Doch nun weicht Dimas zum ersten Mal davon ab: Er empfiehlt der Kommission, die beiden Bt-Maislinien 1507 und Bt11 nicht zum Anbau in der EU zuzulassen. Damit setzt er sich über die Empfehlungen des Gutachtens des GMO Panels der EFSA hinweg.

„Ernst zu nehmende Hinweise“

Dimas begründet seinen Vorschlag mit „ernst zu nehmenden Hinweisen“, dass der Anbau von Bt-Mais schädliche Auswirkungen für Nicht-Zielorganismen habe. Außerdem seien Veränderungen in den Nahrungsketten zu befürchten, da Schmetterlings-Raupen stärker von Parasitoiden befallen werden. Als weitere unerwünschte Folge eines Anbaus von Bt-Mais sieht Dimas negative Einflüsse auf die mikrobiellen Lebensgemeinschaften im Boden. Der Anbau von Bt-Mais führe zudem zu einer Belastung der Oberflächengewässer und damit der aquatischen Ökosysteme. Da mögliche Langzeitrisiken nicht ausreichend erforscht seien und es zudem dafür an geeigneten Untersuchungsmethoden fehle, sei es im Sinne des Vorsorgeprinzips geboten, die beiden Bt-Maislinien nicht für den Anbau freizugeben.

Dimas stützt seine Entscheidung auf elf wissenschaftliche Publikationen, die von der EFSA nicht ausreichend berücksichtigt worden seien.

„Dimas stützt sich auf längst widerlegte wissenschaftliche Argumente“

Doch inzwischen bekommt Dimas Gegenwind. Seine Entscheidung, die Zulassung zu verweigern, habe „keine wissenschaftliche Basis“, so Prof. Marc Van Montagu, Präsident der European Federation of Biotechnology (EFB) in einem offen Brief an Dimas. In neun der elf angeführten Publikationen haben sich, anders als der Kommissar es in seiner Begründung darstellt, keine Hinweise auf schädliche Umwelteinflüsse durch den Anbau von Bt-Mais gezeigt. Auch die beiden übrigen Studien seien keine Grundlage für ein Anbauverbot in Europa: Bei einem Forschungsprojekt zu Auswirkungen von Bt-Toxin auf Köcherfliegen haben sich erste Laborbefunde unter natürlichen Bedingungen nicht bestätigt; eine weitere Publikation beschäftige sich mit grundsätzlichen methodischen Fragen.

EFB-Präsident Montagu unterstreicht in seinem Brief an Dimas, dass die wissenschaftliche Stellungnahme der EFSA mit den Ergebnissen einer Vielzahl von Studien und Publikationen übereinstimme.

  • Eine Gruppe US-amerikanischer Ökologen hat im Sommer 2007 eine Metastudie zu 42 Einzeluntersuchungen zu den Auswirkungen von Bt-Toxin auf Nicht-Zielorganismen veröffentlicht. Hinweise, die auf ökologische Risiken hindeuten könnten, fanden sich nicht.
  • Insgesamt 63 wissenschaftliche Studien haben bestätigt, dass sich das Bt-Toxin nicht im Boden anreichert und keine schädlichen Auswirkungen für Bodenorganismen hat.

Mit seinem Entscheidungsvorschlag setzt sich Dimas über die wissenschaftliche Expertise seiner eigenen Fachbehörde hinweg. Damit beschädige er die Glaubwürdigkeit und wissenschaftliche Reputation der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, kritisiert der EFB-Brief.

Doch ob sich Dimas durchsetzen kann, ist unklar. Offenbar wird seine Haltung von der Mehrheit der übrigen EU-Kommissare nicht geteilt. Nun soll über eine gemeinsame Linie verhandelt werden. Dabei soll auch über die dritte gv-Pflanze abgestimmt werden, deren Anbau in der EU zur Genehmigung ansteht: die Amflora-Kartoffel mit veränderter Stärkezusammensetzung. Ein Termin dafür steht noch nicht fest.