04.03.2010
Basisinfo
Die Kartoffel als Nachwachsender Rohstoff
Die Stärke der Kartoffel
Stärke ist Basis für zahlreiche industrielle Anwendungen, vor allem in der Papier-, Textil- und Kunststoffindustrie. In Europa darf seit 2010 eine gentechnisch veränderte Kartoffel angebaut werden, deren Stärkezusammensetzung für industrielle Zwecke optimiert wurde.
Rohstoffaufkommen für die Stärkeproduktion in Deutschland 2010 (4,0 Mio. t)
Stärke-Produktion in Deutschland 2010
(1,41 Mio. t)
Verbrauch von Stärkeprodukten in der EU nach Sektoren 2008
Stärke wird heute zunehmend im „Non-Food-Bereich“ eingesetzt (40%) für Baustoffe und Verpackungsmaterialien, Tapetenkleister und Wasch-Pulver, für Folien und Kosmetika. Der Löwenanteil geht dabei an die Papierindustrie.
Quelle Grafiken: Fachverband der Stärke-Industrie e.V.
Neben Weizen und Mais ist die Kartoffel - insbesondere in Deutschland - ein wichtiger Stärkelieferant. Sie liefert hohe Erträge pro Hektar, hat eine höhere Quellkraft und Viskosität als ihre Konkurrenten, und sie besitzt die größten Stärkekörner.
Seit den 80er Jahren hat sich die Stärkegewinnung aus Kartoffeln verdreifacht. Stärke wird dabei längst nicht mehr nur in der Lebensmittelindustrie eingesetzt – der „nachwachsende Rohstoff“ ist auch Bestandteil von Papier, Baustoffen, Klebemitteln und vielem mehr.
In den letzten Jahren hat es eine Fülle von Produktentwicklungen auf Stärkebasis gegeben z.B. biologisch abbaubaren Biokunststoff. Weit verbreitet sind inzwischen aufgeschäumte Verpackungschips, die auf Basis von Stärke hergestellt werden. Auch bei der Fertigung von Tragetaschen und – tüten, die auch als Sammelbeutel für kompostierbare Abfälle verwendet werden können, oder bei der Erzeugung von Schalen für Lebensmittel, hat sich die Anwendung von Biokunststoffen bereits etabliert.
Stärke und ihre Bestandteile
Die industrielle Verarbeitung stellt völlig neue Anforderungen an die Rohstoffpflanzen. Eine Kartoffel, aus der Stärke gewonnen werden soll, muss vor allem einen hohen Stärkegehalt haben, die Stärkezusammensetzung soll optimal sein, und sie muss von gleichmäßiger Qualität und Beschaffenheit sein für den industriellen Prozess.
Biochemisch ist Stärke ein Polysaccharid, das aus einzelnen Zuckerbausteinen (Glukose) aufgebaut ist. Nun ist aber Stärke nicht gleich Stärke, ihre Eigenschaften hängen davon ab, in welchem Mengenverhältnis die beiden Stärke-Komponenten Amylose und Amylopektinin der Pflanze vorhanden sind. In der Regel ist das Verhältnis Amylose zu Amylopektin etwa 1:4 bis 1:5. Die meisten an Stärke geschätzten Eigenschaften wie z.B. die guten Kleistereigenschaften verdankt diese dem Amylopektin, das deshalb der begehrtere Bestandteil ist.
Die Trennung der beiden Stärkebestandteile für die industrielle Verarbeitung ist sehr aufwändig und führt zu einer hohen Abwasserbelastung. Deshalb wird entsprechend den jeweiligen Bedürfnissen auf Rohstoffpflanzen mit hohem Amylose- bzw. Amylopektingehalt zurückgegriffen.
Die Möglichkeiten, mithilfe konventioneller Methoden eine Kartoffel zu züchten, die nur die bevorzugte Amylopektin-Stärke bildet, sind begrenzt. Die Kultur-Kartoffel ist tetraploid, d.h. sie hat vier Chromosomensätze und deshalb sehr komplizierte Vererbungsmuster. Es ist ausgesprochen schwierig, eine oder gar mehrere gewünschte Eigenschaften einzukreuzen - zumal für eine Eigenschaft in der Regel mehrere Gene zuständig sind.
Die Gentechnik ermöglicht es, ein Enzym, das für die Bildung von Amylose verantwortlich ist, in der Kartoffel zu blockieren. Dadurch kann die Stärkezusammensetzung in der Kartoffel gezielt verändert werden. Eine gentechnisch veränderte Kartoffel mit dem Markennamen „Amflora“, die vorwiegend Amylopektin-Stärke produziert, wurde Anfang März 2010 in der EU für den Anbau zugelassen.
In jüngster Zeit ist es gelungen, auch ohne Gentechnik eine Amylose-freie Kartoffel zu entwickeln. Die Methode heißt „Tilling“ (targeting induced local lesions in genomes). Dabei werden im Genom mit Hilfe einer Chemikalie gezielt Punktmutationen ausgelöst. Mit molekularbiologischen Methoden können sehr schnell diejenigen Pflanzen ausfindig gemacht werden, die die gewünschte Erbgutveränderung aufweisen.