28.01.2002
Basisinfo
Phytophthora infestans - Kraut- und Knollenfäule
Ein kleiner Pilz mit großer Wirkung
Der ärgste Feind der Kartoffel ist ein Algenpilz mit dem klangvollen Namen Phytophthora infestans, Erreger der Kraut- und Knollenfäule.
Von Phytophthora infizierte Kartoffelpflanze. Zuerst sind Blätter und Stängel befallen
Infizierte Knolle
Phytophthora gehört zur Gruppe der Oomyzeten (Algenpilze), die früher den Pilzen, heute eher den Algen zugeordnet werden.
Fotos: Syngenta
Manche halten ihn für die gefährlichste Pflanzenkrankheit überhaupt, denn Phytophthora ist so wendig und schnell, dass er binnen kürzester Zeit großen Schaden anrichten kann - insbesondere bei ihm angenehmen feucht-warmen Witterungsbedingungen. Und er ist darüber hinaus so flexibel, dass er bislang noch jede gegen ihn gerichtete Bekämpfungsstrategie überlebt und mit neuen, angepassten Formen beantwortet hat. Phytophthora sorgt immer noch weltweit für Ernteeinbußen von etwa zwanzig Prozent.
Erste Symptome bei Phytophthora -Befall zeigen sich an Stängeln und Blättern. Von den Blatträndern aus bilden sich Flecken, zunächst grau-grün, später braun, die sich bei feuchter Witterung schnell vergrößern. An der Unterseite der Blätter bildet sich ein weißer Pilzrasen. Die Blätter vertrocknen dann oder verfaulen. Phytophthora verbreitet sich über Sporen, die mit Hilfe eines Keimschlauches in das Pflanzengewebe eindringen. Der Pilz breitet sich vorwiegend in Windrichtung aus oder wird bei Regen in den Boden gespült und befällt dort auch die Knollen. Das Ergebnis sind blau-grau gefleckte ungenießbare Kartoffeln, deren Fleisch schließlich verbräunt und fault.
Phytophthora kann in den Knollen überwintern und nur eine einzige infizierte Knolle, die im Frühjahr ausgebracht wird, kann eine Epidemie im Kartoffelbestand hervorrufen.
Ein Pilz macht Geschichte
Traurige Berühmtheit und schicksalhaften Einfluss auf die Weltgeschichte erlangte Phytophthora durch die Ereignisse in Irland Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Algenpilz vernichtete mehrere Jahre hintereinander nahezu die gesamte Kartoffelernte des Landes und löste damit eine Hungerkatastrophe aus, in deren Folge etwa eine Million Menschen starben und weitere zwei Millionen nach Australien und Nordamerika auswanderten. Unter den Auswanderern befand sich auch die Familie Kennedy und nur so konnte Jahrzehnte später John F. Kennedy zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt werden.
Wie aber konnte es zu einer solchen Katastrophe kommen? Die armen irischen Bauern ernährten sich fast ausschließlich von der nahrhaften und genügsamen Kartoffel. Das Getreide, das sie anbauten, mussten sie an ihre Gutsherren abgeben für den Export nach England. Jahr für Jahr also hatten sie für das eigene Überleben nichts anderes angebaut als Kartoffeln. Wie und wann genau nun Phytophthora den Sprung auf die irischen Äcker schaffte, darüber gibt es nur Vermutungen. Möglicherweise ist er im Schicksalsjahr 1844 mit einer Schiffsladung von Saatkartoffeln aus Mexiko eingeschleppt worden und hatte leichtes Spiel bei den wenigen in Irland angebauten Sorten, die allesamt keine natürliche Widerstandskraft gegen Phytophthora besaßen. Vielleicht war diese rätselhafte Krankheit aber auch schon etwas länger bekannt und besonderen Umstände führten in die Katastrophe. Es war nämlich ein besonders feuchter und kalter Sommer und zudem war die Vorjahresernte so reichlich ausgefallen, dass es überschüssige Kartoffeln gab, die von den Bauern im Frühjahr auf die Äcker geworfen wurden. Phytophthora hatte überwintert und über die infizierten Knollen hervorragende Startbedingungen für seine rasante Verbreitung.
Monokultur, Dampflok, Strafe Gottes: die Suche nach der Ursache
Dass es sich bei dieser verheerenden Epidemie um einen Pilz handelte, das hat man erst einige Zeit später herausgefunden. Zunächst wurden allerlei Vermutungen angestellt. Die ausgelaugten, von Monokultur gebeutelten Böden seien schuld. Zeitgenössische Kritiker der Industrialisierung und der damit einhergehenden Umweltverschmutzung mutmaßten über elektrische Impulse, die von den Dampflokomotiven ausgesendet würden. Andere machten die frisch erfundenen Phosphorstreichhölzer verantwortlich, wieder andere unbekannte Gase aus dem All. Und natürlich wurde auch Gottes Vorsehung als Strafe für die Verschwendungssucht der fetten Jahre bemüht. Schon kurze Zeit später betrachtete ein englischer Priester und Amateur-Naturforscher von Phytophthora befallene Blätter unter dem Mikroskop und behauptete, dass die Pflanzen von unzähligen winzigen Fäden umschlungen und erdrosselt würden. Er wurde für verrückt erklärt und es brauchte noch fünfzehn Jahre bis schließlich der deutsche Pflanzenpathologe Anton de Bary diese Theorie bestätigte. Er konnte auch erklären, wie der Pilz sich verbreitet, nämlich durch winzige Sporen, die von Pflanze zu Pflanze getragen werden.
Schon damals nach dem irischen Exodus hatten die Europäer sich aufgemacht ins Land der Kartoffeln, nach Südamerika, um dort nach Sorten zu suchen, die resistent sind gegen Phytophthora. Südamerika ist das Ursprungsland der Kartoffel und nirgendwo sonst hat die Kartoffel einen solchen Artenreichtum hervorgebracht wie hier. Damals fanden die Expediteure „Solanum demissum“ eine resistente mexikanische Wildart, deren Gene vier Fünftel der heutigen Kartoffeln prägen.
Thematische Verknüpfungen
Die Kartoffel und ihre Feinde
Vom Ursprung der Kartoffel bis hin zur modernen Resistenzforschung: Besuch im Schaugarten und im Labor des Max-Planck-Institutes für Pflanzenzüchtungsforschung (MPIPZ), Köln