Gv- Kartoffeln: Freisetzungen, Zulassungen, Anbau

An der Spitze: Stärke-Kartoffeln nach Maß

Gentechnisch veränderte (gv-) Kartoffeln werden seit beinahe zwei Jahrzehnten in vielen EU-Ländern im Freiland getestet. Dabei geht es vor allem um eine veränderte Stärkezusammensetzung. Seit März 2010 darf in der Europäischen Union eine von BASF Plant Science entwickelte gv-Kartoffel, deren Stärkezusammensetzung für industrielle Zwecke optimiert wurde, angebaut werden. Allerdings hat BASF die Vermarktung dieser Kartoffel mit dem Markennamen „Amflora“ Anfang 2012 gestoppt.

Kartoffel freisetzungen in der EU bis 2012

Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Kartoffeln in der EU
Zahl der Anträge: 307 (ein Antrag kann Versuche an mehreren Standorten und über mehrere Jahre umfassen)

Stand: April 2012
Quelle: Joint Research Centre (JRC) der europäischen Kommission

Nach Mais und Raps ist die Kartoffel die Kulturpflanze mit den meisten Freisetzungsversuchen in der EU. Bis April 2012 wurden 307 Versuche mit Kartoffeln genehmigt, die meisten in Deutschland (76), den Niederlanden (64) und Großbritannien (42).

Eingeführte Merkmale

Bei der Kartoffel interessieren sich Forschungsinstitute und Unternehmen in erster Linie für Veränderungen der Stärkezusammensetzung und anderer Inhaltsstoffe. Das schlägt sich in den Freisetzungsversuchen nieder: Bei mehr als der Hälfte aller genehmigten Anträge ging es um Freilandtests mit Kartoffeln, bei denen mit gentechnischen Verfahren in denKohlenhydratstoffwechsel eingegriffen wurde.

Ein weiterer Schwerpunkt sind gentechnische Abwehr-Strategien gegen eine von vielen Landwirten gefürchtete hartnäckige Pflanzenkrankheit: den Pilz Phytophthora infestans, Erreger der Kraut- und Knollenfäule. Seit 2006 wurde eine Kartoffel der Firma BASF, in die zwei Resistenzgene aus mexikanischen Wildkartoffeln übertragen wurden, in Schweden, den Niederlanden, Großbritannien, Deutschland und Irland im Freiland getestet. Für diese Kartoffel („Fortuna“) wurde Ende 2011 die EU-Zulassung beantragt, eine Markteinführung wird mit dem Rückzug von BASF Plant Science aus Europa aber auch bei Fortuna nicht mehr angestrebt.

Auch Wissenschaftler der Universität Wageningen haben eine gentechnisch veränderte Kartoffel entwickelt, in die Resistenzgene aus Wildkartoffeln übertragen wurden. Die niederländischen Wissenschaftler verfolgen dabei einen so genannten cisgenen Ansatz, das heißt, sie haben nur kartoffeleigenes Erbmaterial übertragen. Diese Kartoffel wird 2012 erstmals in Irland im Freiland getestet.

Freisetzungsversuche in Deutschland

1993 wurden in Niedersachsen die ersten gentechnisch veränderten Kartoffeln freigesetzt - schon damals mit Eingriffen in den Kohlenhydratstoffwechsel. Bei mehr als zwei Dritteln der bislang genehmigten Versuche wurden Kartoffeln mit veränderter Stärkezusammensetzung und neuen Inhaltsstoffen im Freiland getestet.

Im Rahmen der biologischen Sicherheitsforschung wurden verschiedene Kartoffeln mit veränderten Inhaltsstoffen als Modellpflanzen im Freiland geprüft. Von 2001 bis 2004 wurden Anbaueigenschaften und mögliche Umweltauswirkungen einer Kartoffel untersucht, die nicht nur Stärke, sondern auch Fruktane, Ballaststoffe mit gesundheitsfördernder Wirkung bildet. Von 2005 bis 2008 beschäftigte sich ein Forschungsverbund mit einer Kartoffel, die das Carotinoid Zeaxanthin, das vor der Altersblindheit schützen soll, in ihren Knollen anreichert. Von 2008 bis 2011 wurden gentechnisch veränderte Kartoffeln im Freiland getestet, die in ihren Knollen Cyanophycin bilden, woraus ein biologisch abbaubarer Kunststoff gewonnen werden kann.

Zulassungen und Anbau in der EU

Seit März 2010 ist in der EU die gentechnisch veränderte Kartoffel „Amflora“ sowohl für den Anbau als auch zur Verwendung als Lebens- und Futtermittel zugelassen. Obwohl sie ausschließlich als Rohstoff für die Stärkeindustrie gedacht ist, soll ein Teil der bei der Verarbeitung anfallenden Reststoffe als Futtermittel verwertet werden. Die Zulassung als Lebensmittel wurde vorsorglich für den Fall angestrebt, dass einzelne der gv-Kartoffeln versehentlich in die Lebensmittelverarbeitung gelangen. Die von BASF Plant Science entwickelte Kartoffel liefert ausschließlich Amylopektin-Stärke, die sich für viele industrielle Anwendungszwecke besser eignet als normale Kartoffelstärke. Anfang 2012 hat die BASF die Vermarktung der Amflora-Kartoffel in Europa aufgrund mangelnder Akzeptanz gestoppt.

Weltweit

In den USA und Kanada sind vier gentechnisch veränderte Kartoffeln sowohl für den landwirtschaftlichen Anbau als auch zur Verwendung als Lebensmittel freigegeben. Alle vier produzieren aufgrund eines eingeschleusten Gens einen Abwehrstoff (Bt-Protein) gegen den weit verbreiteten Kartoffelkäfer (Colorado Käfer); zwei davon verfügen zusätzlich über eine Resistenz gegen Viren, die Pflanzenkrankheiten auslösen (Potyvirus Y; Blattrollvirus PLRV). 1996 wurden die ersten gv-Kartoffeln ausgepflanzt. In den Folgejahren stiegen in den USA die Anbauflächen bis auf 25.000 Hektar an. 2001 wurde der Anbau der gv-Kartoffeln jedoch wieder eingestellt.

In Australien, Japan, Korea, auf den Philippinen und in Mexiko sind Kartoffeln als Lebens- und Futtermittel, nicht aber für den Anbau zugelassen.