Neue Verfahren in der Pflanzenzüchtung

„Ich plädiere dafür, die Eigenschaften einer neuen Pflanze in den Vordergrund zu stellen.“

Moderne molekularbiologische Verfahren haben in der Pflanzenzüchtung neue Perspektiven eröffnet. Angesiedelt zwischen Gentechnik und traditionellen Methoden könnten damit nicht nur Pflanzen mit neuartigen, verbesserten Eigenschaften erzeugt werden, sondern das auch noch erheblich schneller als bisher. Doch: Wird die Gentechnik bei Pflanzen damit überflüssig? Wie sind die neuen Verfahren in Hinblick auf Zulassung und Sicherheitsbewertung einzuordnen? Über zwei dieser Verfahren - Smart Breeding und Cisgen-Technologie- sprach bioSicherheit mit Prof. Bernd Müller-Röber, Molekularbiologe an der Universität Potsdam.

In der öffentlichen Wahrnehmung haben transgene Pflanzen einen schweren Stand. Durch die Einführung artfremder, etwa aus Bakterien isolierter Gene werden Pflanzen verändert, „wie es auf natürliche Weise nicht möglich ist“ (EU-Freisetzungs-Richtlinie). Für transgene Pflanzen gelten deswegen besondere gesetzliche Vorschriften. Ihre Freisetzung in die Umwelt und eine kommerzielle Nutzung ist nur erlaubt, wenn in aufwändigen Zulassungsverfahren belegt werden kann, dass dies ohne Risiken für Menschen, Tiere und Umwelt möglich ist.

Bernd Müller-Röber

Prof. Dr. Bernd Müller-Röber; Universität Potsdam und Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie Potsdam / Golm.

Er ist Mitautor eines gerade erschienenen Ergänzungsbandes zum Gentechnologiebericht der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, der sich mit aktuellen Entwicklungen in Wissenschaft und Wirtschaft beschäftigt.

Smart Breeding (auch: Präzisionszüchtung) verläuft grundsätzlich wie die klassische Züchtung. Das Ziel sind natürliche Nachkommen zweier Elternlinien mit einer bestimmten Eigenschaft. Voraussetzung ist, dass man das Gen bzw. eine bestimmte Genvariante kennt, welche diese Eigenschaft vermittelt. Auf DNA-Ebene kann unmittelbar überprüft werden, ob das gewünschte Gen in den Nachkommen vorhanden ist.

In cisgene Pflanzen werden zwar mit Hilfe von Rekombinationstechniken neue Gene eingeführt. Anders als bei transgenen Pflanzen stammen diese Gene und weitere Elemente des eingeführten Genkonstrukts ausschließlich aus dem Genpool der jeweiligen Pflanzenart. Kreuzen cisgene Pflanzen aus, werden keine „artfremden“ Gene weitergegeben.

Pflanzen, die mit klassischen Verfahren gezüchtet wurden, gelten als „natürlich“ und brauchen keine besonderen Zulassungsverfahren zu durchlaufen. Längst haben sich jedoch neue Methoden in der Züchtung etabliert, die ebenfalls auf molekularer oder zellbiologischer Ebene ansetzen, jedoch keine „gentechnisch veränderte Pflanzen“ im Sinn der Gesetze hervorbringen. Anders als es die Öffentlichkeit wahrnimmt, sind aus wissenschaftlicher Perspektive die Grenzen zwischen gentechnischen und klassischen Züchtungsverfahren fließend. Ob ein neues Verfahren eher der Gentechnik oder der herkömmlichen Züchtung zugeordnet wird, hat weit reichende Auswirkungen - auf die einzuhaltenden Rechts- und Zulassungsvorschriften, aber auch auf Akzeptanz und öffentliche Wahrnehmung.

BioSicherheit: Herr Müller-Röber, Sie sind einer der Autoren der Studie zu aktuellen Entwicklungen der Grünen Gentechnik, die die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften gerade herausgegeben hat. Im ersten Kapitel geht es um Smart Breeding – was genau verbirgt sich hinter diesem Schlagwort?

Müller-Röber: Smart Breeding ist klassische Züchtung auf eine neue Stufe gehoben. In der klassischen Züchtung werden zwei Pflanzen gekreuzt und man wählt unter den Nachkommen diejenigen Pflanzen aus, die die gewünschte Eigenschaft geerbt haben. Ausgewählt wird anhand des Phänotyps, also des Erscheinungsbildes der ausgewachsenen Pflanze. Seit einigen Jahren gibt es nun moderne Verfahren, um genau die Gene zu identifizieren, die ganz spezifisch für bestimmte Eigenschaften zuständig sind. Dadurch kann man bei den Nachkommen einer Kreuzung bereits in einem sehr frühen Stadium auf genetischer Ebene untersuchen, ob das entsprechende Gen eingekreuzt wurde oder nicht. Die Züchter können so in kurzer Zeit Hunderte, Tausende, Zehntausende Pflanzen screenen und gezielt nur noch die weiterkultivieren, die das entsprechende Gen tragen. Das spart Zeit und Geld.

BioSicherheit: Gibt es mit dieser Methode denn bereits Erfolge? Sind schon Produkte auf dem Markt?

Müller-Röber: Einige Pflanzen sind in der Entwicklung, aber es wird sicher noch eine Weile dauern, bis sie reif für den Markt sind. Das neuseeländische Unternehmen HortResearch hat das Verfahren genutzt, um eine heute am Markt verkaufte Apfelsorte so zu verändern, dass sie statt weißem rotes Fruchtfleisch bildet. Das ist über klassische Züchtung bei Apfelbäumen schwierig, weil es einfach sehr lange dauert, bis die Pflanzen Früchte tragen. Mit Smart Breeding werden Gensequenzen identifiziert, die für Enzyme codieren, die die Bildung bestimmter Farbstoffe ermöglichen. Dann kann man aus Kreuzungen die Pflanzen selektieren, die das entsprechende Gen-Fragment tragen.

BioSicherheit : Smart Breeding wird von Gentechnik-Kritikern teilweise bereits als Nachfolger der Gentechnik gehandelt. Brauchen wir deren Methoden in Zukunft nicht mehr?

Müller-Röber: Doch. Smart Breeding ist ja eigentlich klassische Züchtung, nur dass nicht mehr auf der phänotypischen sondern auf der DNA-Ebene gescreent wird. Das heißt, Smart Breeding ist nur möglich, wenn das Gen für ein gewünschtes Merkmal in einer kreuzbaren Wildpflanze vorhanden ist. Das ist aber nicht immer der Fall. Wenn es darum geht, Pflanzen so zu verändern, dass sie Rohstoffe für die chemische Industrie produzieren, also zum Beispiel ein neues Polymer, ein industriell wichtiges Enzym oder ein pharmazeutisch relevantes Protein, kann Smart Breeding überhaupt nicht helfen. Da muss es über den klassischen transgenen Ansatz gehen.

BioSicherheit : Ein weiterer moderner Ansatz, den sie ebenfalls in Ihrer Studie ansprechen, ist die Cisgen-Technologie. Was unterscheidet cisgene von transgenen Pflanzen?

Müller-Röber: Bei der transgenen Pflanze werden in die Pflanze Transgene eingeführt, das heißt Gene aus anderen Organismen. Diese können mit der Pflanze kreuzbar sein, müssen es aber nicht. Im Extremfall wird ein Gen aus einem Bakterium oder sogar synthetische DNA eingeführt. Eine cisgene Pflanze wird mit den gleichen Transformationstechnologien hergestellt, aber die DNA ist ursprünglich aus der entsprechenden Pflanze isoliert worden. Bevor man sie wieder in das pflanzliche Genom re-integriert, kombiniert man bestimmte Teile. Man koppelt beispielsweise eine Gensequenz für ein bestimmtes Enzym an ein regulatorisches Element, das die Aktivität in bestimmten Zellen oder Geweben steuert. So lässt sich erreichen, dass in der cisgenen Pflanze das Protein, das sonst nur im Blatt gebildet wird, auch in der Knolle produziert wird. Weiter gefasst geht es bei der Cisgen-Technologie auch darum, nicht nur Gene der gleichen Art zu verwenden sondern auch Gene aus Pflanzenarten, die man kreuzen kann. In diesem erweiterten Sinne ist also auch die Cisgen-Technologie artüberschreitend, aber man beschränkt sich auf den Genpool von Pflanzen, die kreuzbar sind.

BioSicherheit : Pflanzen, die nur arteigene Gene enthalten, werden in der Öffentlichkeit häufig weniger kritisch bewertet als transgene Pflanzen. Ist das gerechtfertigt? Kann es hier nicht genauso zu unvorhergesehenen Effekten kommen?

Müller-Röber: Aus wissenschaftlicher Sicht ist es relativ egal, woher ein entsprechendes Gen kommt, ob aus einem Bakterium oder aus einer anderen Pflanze. Entscheidend ist weniger der Gentransfer an sich und die eingeführte Gensequenz, sondern welche Eigenschaft mit dem Gentransfer gekoppelt ist. Ein Gen, das aus einer anderen Pflanze - oder auch aus der gleichen Pflanze - entnommen und anschließend mit anderen regulatorischen Elementen wieder zurückgeführt wurde, kann, wie jedes andere Transgen auch, wenig dramatische oder dramatische Effekte erzeugen. Wissenschaftlich gesehen ist die Verwendung von cisgenen Pflanzen kein Weg, um die Biosicherheit zu erhöhen. Es ist lediglich eine weitere Möglichkeit der Veränderung. Möglicherweise ist es eher ein psychologisches Signal, weil Verbraucher pflanzeneigene Gene in Pflanzen offenbar eher akzeptieren als beispielsweise bakterielle Gene.

BioSicherheit: Manche Wissenschaftler sprechen sich dafür aus, cisgene Pflanzen im Zuge kommerzieller Zulassungsverfahren wie Produkte konventioneller Züchtung zu behandeln – obwohl bei der Herstellung gentechnische Verfahren eingesetzt werden. Teilen Sie diesen Standpunkt?

Müller-Röber: Hierzu habe ich keine abschließende Meinung. Ich würde eher fragen: Wie beeinflussen wir mit klassischer Züchtung die Pflanzeneigenschaften, und welchen Einfluss hat im Vergleich dazu der transgene oder cisgene Ansatz? Und wenn ich zu dem Ergebnis komme, dass ich eine physiologische Veränderung genauso oder ähnlich mit klassischer Züchtung erreichen kann, dann sollte das auf jeden Fall in die Bewertung mit einfließen. Natürlich ist es für ein Regularienwerk immer schwierig, die Grauzonen abzudecken. Bisher sind cisgene Pflanzen gar nicht bewertet – es ist nicht klar, ob man sie als transgene Pflanzen oder Pflanzen der klassischen Züchtung behandeln soll, das wird international diskutiert. Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, dass cisgene Pflanzen möglicherweise nicht unter die Gesetze für transgene Pflanzen fallen. Aber das ist eine offene Diskussion, die ist bisher nicht entschieden.

BioSicherheit: In den EU-Rechtssystemen ist die Zulassungsbeschränkung von der technologischen Methode abhängig, mit der die Pflanze hergestellt wurde. Das heißt, gentechnisch veränderte Pflanzen müssen mit großem Aufwand genehmigt werden, Pflanzen die durch moderne Züchtungsmethoden entstanden sind unterliegen gar keinen Zulassungsbeschränkungen, obwohl auch hier teilweise tief greifende Veränderungen stattfinden. Ist der technologische Fokus gerechtfertigt?

Müller-Röber: Die Technologie in den Vordergrund zu stellen halte ich für wenig sinnvoll. Man muss das Produkt als solches bewerten. Um es noch mal zu betonen: Ich glaube, es geht nicht so sehr um die Art der Herstellung, sondern um die Auswirkung auf die Pflanze und die Eigenschaft des entstehenden Produkts - und da ist es relativ egal, ob ein Transgen- oder Cisgen- oder ein anderes Verfahren eingesetzt wurde. Auch mit einer cisgenen Technologie lässt sich ein toxisches Gen in eine Pflanze einführen. Mein Plädoyer wäre, die Eigenschaft in den Vordergrund zu stellen, also das, was letztlich auf dem Acker landet oder auf dem Teller. Und das sollte man auch in der Öffentlichkeit kommunizieren. Alle Technologien, die uns heute zur Verfügung stehen, können verschiedene Wirkungen haben. Ob jemand so weit geht zu sagen, auch eine klassisch gezüchtete Pflanze muss nach diesen Kriterien bewertet werden, ist eine andere Frage.

BioSicherheit: Wie sieht die Zukunft der Grünen Gentechnik aus?

Müller-Röber: In Zukunft werden wir auch Pflanzen entwickeln, die in Teilaspekten über klassische Züchtung oder Smart Breeding entstanden sind und dann über den transgenen Ansatz eine andere physiologische oder technische Eigenschaft koppeln. In Zukunft wird es wahrscheinlich eine Kombination aus Technologien geben.

BioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch.