Bundesrat

Gentechnikgesetz erneut an Vermittlungsausschuss überwiesen

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 29. April den Entwurf für das zweite Gentechnik-Änderungsgesetz abgelehnt. Die mehrheitlich unionsregierten Bundesländer haben stattdessen den Vermittlungsausschuss angerufen, der nun über einen Kompromiss verhandeln muss. Eine Einigung wird vor allem in Fragen der Koexistenz und der Haftung beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen schwierig werden.

Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: „Das Zweite Gesetz für die Neuordnung des Gentechnikrechts bedeutet Sicherheit, Wahlfreiheit und Transparenz. Das ist es, was die Verbraucherinnen und Verbraucher von uns erwarten.“

Dr. Werner Schnappauf, Bayerischer Staatsminister für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz: „Das Gesetz muss grundlegend überarbeitet werden. Wir dürfen Chancen für die Zukunft nicht verbauen.“

Anders als beim ersten Änderungsgesetz enthält das zweite solche Rechtsvorschriften, die nur mit Zustimmung des Bundesrates angenommen werden können. Den Kern dieses Änderungspaketes bilden Verfahrensfragen für den Betrieb gentechnischer Anlagen.

Während die Meinungen zu diesen Verfahrensfragen für geschlossene Anlagen nicht weit auseinander liegen, wird um die Bestimmungen des Gentechnikgesetzes zum Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen weiterhin heftig gestritten.

Mit dem heutigen Beschluss stellen die Bundesländer einige bereits rechtskräftige Passagen aus dem ersten Änderungsgesetz erneut in Frage.

Die rot-grüne Regierungskoalition hatte im Sommer 2004 das ursprüngliche Änderungsgesetz in zwei Teile aufgeteilt. Der erste Teil mit den besonders strittigen Regelungen zur Haftung und Koexistenz konnte so ohne die Zustimmung des Bundesrates beschlossen werden und ist seit Februar in Kraft.

Der Bundesrat fordert nun, dass in dem zweiten Änderungsverfahren auch diese Punkte noch mal neu aufgerollt und das gesamte Gesetz grundlegend überarbeitet wird.

„Wir dürfen Chancen für die Zukunft nicht verbauen“, erklärte dazu Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf. „Grundlage dafür dürfen nicht ideologische Standpunkte sein“.

Verbraucherschutzministerin Renate Künast dagegen verteidigte ihren Gesetzentwurf: „Wir wollen keine Anarchie auf den Feldern“. Sie forderte die CDU-regierten Länder zur Aufgabe ihrer „Blockadepolitik“ auf.

In ihrem Beschluss listet die Länderkammer im Detail auf, welche Passagen aus ihrer Sicht geändert werden sollen. Zum einen sollen die Verfahrenserleichterungen des zweiten Änderungspaketes zum Teil noch erweitert oder konkretisiert werden. Die zentralen Forderungen des Bundesrates zielen dagegen auf bereits rechtskräftige Bestimmungen des ersten Änderungspaketes:

Haftung: Nach Ansicht des Bundesrates soll ein Landwirt, der gentechnisch veränderte Pflanzen anbaut nur dann für Einkommensverluste konventionell arbeitender Nachbarn durch GVO-Einträge haftbar gemacht werden können, wenn dieser sich nicht an die Regeln der „Guten Fachlichen Praxis“ gehalten hat.

Die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer benachbarter GVO-Landwirte soll wieder abgeschafft werden.

Ertragsausfälle durch GVO-Einträge, die nicht auf schuldhaftes Verhalten einzelner Landwirte zurückzuführen sind, sollen aus einem Haftungsfond ausgeglichen werden. Einen solchen Fond befürwortet auch Ministerin Künast, allerdings unter der Voraussetzung, dass er privatwirtschaftlich organisiert wird und keine staatlichen Gelder einfließen.

Ein Ausgleichsanspruch soll grundsätzlich nur dann bestehen, wenn die Ernteprodukte des konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirtes mehr als 0,9 Prozent GVO-Anteil aufweisen und damit gekennzeichnet werden müssen.

Gute Fachliche Praxis: Einen Sachkundenachweis für den GVO-Anbau hält der Bundesrat nicht für notwendig.

Auskreuzungen aus Freilandversuchen: Geringfügige, technisch unvermeidbare GVO- Einträge aus genehmigten Freilandversuchen sollen nach Ansicht der Bundesländer nicht als genehmigungspflichtiges Inverkehrbringen definiert werden.

Standortregister: Die Informationen im öffentlich zugänglichen Teil des Registers sollen weiter eingeschränkt werden, so dass nicht für jedermann ohne berechtigtes Interesse erkennbar ist, auf welchem Grundstück gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden.

Bereits im Vorfeld der Bundestags-Abstimmung im März hatten die Koalitionsfraktionen Zugeständnisse in diese Richtung gemacht. Es sollen keine flurstückgenauen Angaben zu den Anbauflächen, sondern nur die jeweilige Gemeinde oder Gemarkung abrufbar sein.

Naturschutzgebiete: Eine spezielle Verträglichkeitsprüfung für den GVO-Anbau in Naturschutzgebieten lehnt der Bundesrat ab. Diese sei bereits durch das Genehmigungsverfahren ausreichend abgedeckt.

Schwierige Kompromiss-Suche

Umwelt- und Naturschutzverbände hatten schon vor der Bundesratssitzung die absehbare Ablehnung des Gesetzentwurfs scharf kritisiert. So erklärte Leif Miller, Bundesgeschäftsführer des Naturschutzbundes NABU, dass „das eigentliche Ziel des Gentechnikgesetzes, den Schutz für Mensch und Natur zu gewährleisten, mit diesen Vorschlägen nicht erreicht werde.“

Ob und wie der Vermittlungsausschuss eine Kompromisslösung finden wird, ist angesichts der weit auseinander liegenden Positionen von Rot-Grün auf der einen und Unionsvertretern auf der anderen Seite schwer absehbar.

Bei einer weiteren Verzögerung des Gesetzgebungsverfahrens drohen Strafzahlungen an die EU, da mit der Änderung des Gentechnikgesetzes EU-Recht umgesetzt werden muss. Mögliche Strafzahlungen werden umso höher ausfallen, je länger die Umsetzungsfrist überschritten wird.