Debatte: Was ist ein ökologischer Schaden

„Ich gehe davon aus, dass ein intaktes Ökosystem sich durch seine Fähigkeit zur Veränderung auszeichnet.“

Prof. Dr. Hans-Jörg Jacobsen, Universität Hannover, Lehrgebiet Molekulargenetik, Bundesvorsitzender Vdbiol (Verband Deutscher Biologen und biowissenschaftlicher Fachgesellschaften e. V.

bioSicherheit: Was betrachten Sie als ökologischen Schaden - allgemein und im Zusammenhang mit der Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen?

Hans-Jörg Jacobsen: Ein ökologischer Schaden ist eine vom Menschen verursachte und vorhersehbare irreversible Schädigung von Menschen, Tieren und Ökosystemen; Saddam’s Anzünden der kuwaitischen Ölquellen zählt genauso dazu wie das Verschießen von uranhaltiger Munition.

bioSicherheit: Wie unterscheiden Sie zwischen „ökologischem Schaden“ und „akzeptabler Umweltbeeinflussung“?

Hans-Jörg Jacobsen: Jedes menschliche Handeln führt zu Umweltbeeinflussung. Akzeptabel erscheint mir, was der menschlichen Ernährung oder Erholung dient. Andernfalls wären schon die ersten Bauern vor mehr als 10000 Jahren „Umweltschädlinge“ gewesen.

bioSicherheit: Wie können Veränderungen der Ökosysteme durch gv-Pflanzen bewertet werde? Welche Bewertungsmaßstäbe lassen Sie dabei gelten? – Nur naturwissenschaftliche oder auch ethische, religiöse, sozio-ökonomische?

Hans-Jörg Jacobsen: Für mich gelten nur naturwissenschaftliche Bewertungsmaßstäbe. Ich gehe dabei davon aus, dass ein intaktes Ökosystem sich durch seine Fähigkeit zur Veränderung auszeichnet. Vor dem Hintergrund, dass horizontaler Gentransfer vermutlich ein Element der Evolution war, habe ich keine Probleme mit gv-Pflanzen. Im Übrigen halte ich alle sich „bewahrend“ gebenden Ideologien für Ausdruck mangelnden Wissens über die Prinzipien der Evolution. Ich respektiere diese Ideologien in unterschiedlichem Maße, nehme sie aber nicht sonderlich ernst.

bioSicherheit: Gibt es für gv-Pflanzen besondere Anforderungen bezüglich der Ausgestaltung und Anwendung des Vorsorgeprinzips?

Hans-Jörg Jacobsen: Das Vorsorgeprinzip als solches ist bedenklich. Würde ich dem Vorsorgeprinzip als Leitidee zustimmen, müsste ich auch den aus meiner Sicht ungerechtfertigten Krieg des George W. Bush gegen den Irak akzeptieren. Dies tue ich genauso wenig, wie ich dieses Prinzip in Bezug auf gv-Pflanzen für maßgeblich halte: Auch George, die Doppel-Null, brauchte keine Evidenzen für Massenvernichtungswaffen, um anzugreifen, ihm genügte, wie manchen Ideologen hierzulande, der bloße Verdacht. Im Englischen unterscheidet man zwischen dem „precautionary principle“ und dem „precautionary approach“. Die deutschen Prinzipienreiter können aber wohl nicht anders, vielleicht gibt es deshalb im Deutschen keine einprägsame Übersetzung des Begriffs „precautionary approach“.