Neue EU-Rechtsvorschriften für gentechnisch veränderte Pflanzen

EU entscheidet über Zulassung, Länder über Anbau

Die EU-Kommission hat die seit langem erwarteten neuen Regeln für Zulassung und Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen offenbar fertig. Am 13. Juli 2010 soll über die von Verbraucherschutzkommissar John Dalli ausgearbeiteten Vorschläge abgestimmt werden.

Die EU-Mitgliedsstaaten sollen künftig darüber entscheiden können, ob sie zugelassene gentechnisch veränderte Pflanzen bei sich anbauen wollen oder nicht. Um ein langwieriges Verfahren für eine Änderung der bestehenden Rechtsvorschriften zu vermeiden, will die Kommission rasch neue Leitlinien zur Koexistenz beschließen. Danach sollen die Länder extrem strenge Anbauvorschriften für gv-Pflanzen erlassen können, die eine praktische landwirtschaftliche Nutzung ausschließen. So könnten etwa einzelne Länder Abstände zwischen Feldern mit konventionellen und gv-Pflanzen von zehn oder mehr Kilometern vorschrieben.

EU-Verbraucherschutz- kommissar John Dalli (Malta): Über den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen soll künftig jedes EU-Länder für sich entscheiden können.

Gespaltenes Europa

In Zukunft können die EU-Mitgliedsstaaten bei der Grünen Gentechnik eigene Wege gehen.

In Ländern wie Spanien, Tschechien, Schweden oder den Niederlanden werden die Landwirte in Zukunft vermutlich mehr gv-Pflanzen anbauen.

Gentechnik-ablehnende Länder wie Österreich, Ungarn, Italien oder Griechenland werden sich auf Dauer und rechtlich abgesichert zu „Gentechnik-freien“ Zonen erklären.

In einem zweiten Schritt sollen die bestehenden Rechtsvorschriften so geändert werden, dass sich die Länder auch auf „sozioökonomische Kriterien“ berufen können, wenn sie regionale Anbauverbote erlassen wollen. Da hierfür die Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament mit den erforderlichen Mehrheiten zustimmen müssen, kann es etwa zwei Jahre dauern, bis neue Regelungen in Kraft sind.

Bei nationalen Anbauverboten sollen sich die Länder im Regelfall jedoch nicht auf Gefahren für Umwelt oder Gesundheit berufen können. Andernfalls fürchtet man um die Glaubwürdigkeit der EU-weiten Zulassungsverfahren, da ein GVO-Produkt nur dann genehmigt werden darf, wenn seine Sicherheit nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand erwiesen ist.

Aufteilung der Kompetenzen für Zulassung und Anbau: Ende der politischen Blockade?

Die grobe Richtung für die Aufteilung der Entscheidungskompetenzen bei gv-Pflanzen zwischen EU-Kommission und einzelnen Mitgliedsstaaten hatte Kommissionspräsident José Manuel Barroso schon vor seiner Wiederwahl im vergangenen Herbst vorgegeben. Zuvor hatten mehrere Mitgliedsstaaten, darunter die Niederlande und Österreich, im Sommer 2009 einen ähnlichen Vorschlag im EU-Umweltministerrat zur Diskussion gestellt. Damit sollte die politische Blockade überwunden werden, die eindeutige und für die Öffentlichkeit nachvollziehbare Entscheidungen verhindert.

Seit mehreren Jahren kommt es im Ministerrat bei Abstimmungen über Zulassungen von gv-Pflanzen und daraus hergestellten Lebens- und Futtermittel zu keinen eindeutigen Mehrheiten. In der Regel entscheidet dann die EU-Kommission wie in den europäischen Verträgen vorgesehen auf der Basis der wissenschaftlichen Sicherheitsbewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Einige Länder wie etwa Deutschland oder Frankreich im Fall des MON810-Maises hatten den Anbau von auf EU-Ebene zugelassenen gv-Pflanzen untersagt und sich dabei auf eine Schutzklausel in den EU-Rechtsvorschriften berufen. Eine politische Begründung für Anbauverbote war bisher unzulässig.

„Fragwürdig“ bis „vorsichtige Zustimmung“ - unterschiedliche Reaktionen

Die Vorschläge der Kommission für neue Rechtsvorschriften zur Grünen Gentechnik haben ein unterschiedliches Echo ausgelöst. „Sie sind rechtlich fragwürdig, stehen im Gegensatz zum Gemeinsamen Markt und werden die Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten vertiefen,“ zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen Beobachter in Brüssel. Außerdem seien nationale Verbote mit den Welthandelsverträgen nicht vereinbar.

Ein Sprecher von BayerCropScience unterstützte zwar „das Ziel, die Mitgliedsstaaten in die Lage zu versetzen, ihre eigenen Entscheidungen zum Anbau von GVO zu treffen“, kritisierte aber gleichzeitg das Vorhaben der Kommission, den bestehenden Rechtsrahmen zu ändern und dabei erneut lang anhaltende Auseinandersetzungen in Kauf zu nehmen.

„Vorsichtige Zustimmung signalisierte die Umweltschutzorganisation Friends of the Earth, vor allem weil die Mitgliedsstaaten künftig berechtigt sind, sich zu „gentechnik-freien Zonen“ zu erklären. Gleichzeitig kritiserte man die von der Kommission angestrebte Beschleunigung der Genehmigungsverfahren, wenn diese künftig ohne Verzögerungen durch politische Diskussionen und auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse erteilt werden.