US-Landwirtschaftsbehörde will Koexistenz sicherstellen

US-Gericht stoppt gentechnisch veränderte Zuckerrüben: Nun Anbau unter kontrollierten Bedingungen?

Nachdem ein Gericht in den USA die Zulassung zum Anbau gentechnisch veränderter Zuckerrüben ausgesetzt hat, will nun die amerikanische Landwirtschaftsbehörde (USDA) bis Ende des Jahres Maßnahmen erlassen, die vorübergehend einen begrenzten Anbau unter kontrollierten Bedingungen erlauben. In zwei Jahren soll die umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung abgeschlossen sein, die das Gericht in seinem Urteil angemahnt hatte. Dabei wird es vor allem um mögliche Auskreuzung von gv-Zuckerrüben auf verwandte Kultur- und Wildpflanzenarten gehen.

Tom Vilsack, US-amerikanischer Landwirtschaftsminister

Tom Vilsack, US-amerikanischer Landwirtschaftsminister: „Die Schritte, die wir eingeleitet haben, werden sowohl den Bedenken der Landwirte gerecht als auch dem Urteil des Gerichts. Die weiteren Maßnahmen der USDA werden eine Koexistenz zwischen konventionellen, ökologischen und biotechnischen Anbausystemen ermöglichen.“

Anbauversuche mit herbizidresistenten Zuckerrüben im Schaugarten Üplingen

Herbizidresistente Zuckerrüben (links), konventionelle Zuckerrüben ohne Unkrautbekämpfung (rechts). Anbauversuche im Schaugarten Üplingen.

Am 13. August 2010 entschied ein Distriktgericht in Kalifornien, die 2005 erteilte Zulassung zum Anbau von gv-Zuckerrüben mit Beginn der kommenden Anbauperiode auszusetzen. Es gab damit einer Klage von Umwelt- und Verbraucherorganisationen gegen die US-amerikanische Landwirtschaftsbehörde (USDA) teilweise Recht. Das Gericht monierte insbesondere, dass die Behörde für diese gv-Zuckerrüben keine umfassende Prüfung möglicher Umweltauswirkungen (EIS, Environmental Impact Statement) durchgeführt habe. So seien etwa die Folgen eines möglichen „Genflusses“ von gv-Zuckerrüben auf verwandte Kulturarten wie Mangold und Rote Beete nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Die gemeinsam von den Unternehmen Monsanto und KWS Saat AG entwickelte gv-Zuckerrübe verfügt über eine Resistenz gegen Herbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat. Da die aufwändige Unkrautkontrolle dadurch einfacher und wirksamer wird, haben sich die gv-Zuckerrüben und die neuartige Unkrautbekämpfung schnell durchgesetzt. Bereits drei Jahre nach der Markteinführung stehen sie auf 470.000 Hektar - 95 Prozent der amerikanischen Zuckerrübenflächen - und liefern etwa die Hälfte des in den USA konsumierten Zuckers.

Auch wenn die 2010 ausgesäten gv-Zuckerrüben ohne Einschränkungen geerntet und verwertet werden können - nach dem Urteil des kalifornischen Gerichts haben die 2005 zugelassenen gv-Zuckerrüben ihren Status als „dereguliert“ verloren. Ein uneingeschränkter Anbau ist vorerst nicht mehr erlaubt. Dennoch will die USDA bis zum Ende des Jahres, so eine am 1. September 2010 veröffentlichte Pressemitteilung, eine Reihe von Vorschriften und Auflagen in Kraft setzen, mit denen bis zum Abschluss der vom Gericht angeordneten Prüfung der Umweltauswirkungen eine Nutzung der gv-Zuckerrüben unter kontrollierten Bedingungen weiter möglich sein soll. Wie US-Landwirtschaftsminister Tom Vilsack ankündigte, sollen „die Maßnahmen eine Koexistenz zwischen konventionellen, ökologischen und biotechnischen Anbausystemen ermöglichen.“

Nach Ansicht des kalifornischen Gerichts hatte die USDA bei der Zulassung der gv-Zuckerrüben nicht ausreichend berücksichtigt, wie der konventionelle oder ökologische Zuckerrübenanbau vor ungewollten GVO-Einkreuzungen geschützt werden könnte. Ähnliches trifft für den Anbau von Mangold und Rote Beete zu, zwei mit den Zuckerrüben verwandte und kreuzbare Kulturarten.

Blüte und Pollen erst im zweiten Jahr

Zuckerüben sind zweijährige Pflanzen: Im ersten Jahr bilden sie den Rübenkörper aus, im zweiten Jahr blühen sie. In der Landwirtschaft werden Rüben geerntet, bevor sie Pollen und Samen ausbilden. Aufgrund dieser biologischen Eigenschaft sind Auskreuzungen bei Zuckerrüben nur möglich, wenn es in seltenen Fällen zu einjährigen – und damit vorzeitig blühenden Pflanzen – kommt. Im eigenen Interesse müssen die Landwirte solche Schosser vernichten. Wenn deren Samen im Boden verbleiben, können sie später wieder auskeimen und erneut blühen.

Beim Kauf von gv-Zuckerrüben-Saatgut mussten sich die Farmer vertraglich verpflichten, ihre Felder regelmäßig zu kontrollieren und eventuelle Schosser sofort zu entfernen. In den wenigen, räumlich eng begrenzten Zuckerrüben-Anbaugebieten der USA ist Pollenbildung und als Folge davon eine mögliche Auskreuzung eher unwahrscheinlich – zumal bis auf eine kleine Region in Kalifornien keine konventionellen Zuckerrüben mehr auf den Feldern stehen. Auch Wildrüben - mögliche Kreuzungspartner von Kulturrüben - kommen mit Ausnahme Süd-Kaliforniens in den Zuckerrüben-Anbaugebieten der USA nicht vor.

Saatgutvermehrung: Mindestabstand zu Mangold und Rote Beete

Ganz anders hingegen ist die Situation dort, wo Zuckerrübensaatgut erzeugt wird – in den USA fast ausschließlich im Willamette Valley in Oregon. Damit sich Samen bilden können, müssen die Rübenpflanzen blühen. Ihr Pollen kann durch Wind verbreitet werden. Aus zahlreichen Untersuchungen ist bekannt, dass bis zu Entfernungen von 1000 Metern Auskreuzungen möglich sind. Betroffen ist auch der konventionelle oder ökologische Anbau von Mangold und Roter Beete.

Unabhängig von der aktuellen Gerichtsentscheidung halten die im Willamette Valley aktiven Züchtungsunternehmen Mindestabstände zwischen den Vermehrungsflächen für gv-Zuckerrüben und Mangold oder Rote-Beete-Felder ein. Einzelne Unternehmen schreiben 1,5 Meilen (2438 m) vor, Beetaseed, Tochter der deutschen KWS Saat AG sogar 4 Meilen (6437 m).

Vermutlich werden sich auch die angekündigten USDA-Maßnahmen an der bereits bestehenden Praxis orientieren.

  • Bei der Saatgutproduktion für die gv-Zuckerrüben werden ausreichende Isolationsabstände vorgeschrieben, die Auskreuzungen in verwandte Kulturarten weitestgehend verhindern. Vorerst sollen Flächen, auf denen Saatgut vermehrt wird, nach den für Freisetzungsversuche geltenden Vorschriften genehmigt werden.

  • Beim Anbau von gv-Zuckerrüben müssen die Landwirte mit Auflagen und Kontrollen rechnen, die sie zur Beseitigung von Schossern verpflichten. Damit soll jede Pollenbildung verhindert werden. Weitergehende Einschränkungen könnten für Kalifornien angeordnet werden. Dort gibt es nicht nur eine kleine, räumlich konzentrierte “gentechnik-freie“ Zuckererzeugung, sondern auch vereinzelte Wildrübenbestände.

Bis zum Jahresende, so die Ankündigung des USDA, sollen nach Beratungen mit anderen Behörden und der Öffentlichkeit, die Maßnahmen in Kraft sein, um die Nutzung von gv-Zuckerrüben an das Urteil des kalifornischen Gerichts anzupassen. In zwei Jahren will die USDA die vom Gericht verlangte Umweltprüfung abschließen. Dann könnten die gv-Zuckerrüben – möglicherweise mit neuen Auflagen oder Bedingungen - erneut „dereguliert“ werden.

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