EFSA widerspricht Frankreichs Begründung für ein EU-Anbauverbot

Gentechnik-Mais MON810: EFSA hält ihn weiterhin für sicher

Frankreich hat im März dieses Jahres erneut ein nationales Anbauverbot für MON810-Mais verhängt und kurz zuvor auch ein EU-Anbauverbot beantragt. Es begründet dies mit wissenschaftlichen Studien, die schädliche Umweltwirkungen dieser Pflanze zeigen würden. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA findet in der von Frankreich vorgelegten Begründung des Anbauverbotes keine überzeugenden Belege dafür. In ihrem kürzlich veröffentlichten Gutachten bewertete die Behörde dazu auch neue wissenschaftliche Studien. Weder diese noch die Ergebnisse des anbaubegleitenden Umweltmonitorings in den Jahren 2009 und 2010 hätten neue Hinweise auf Risiken ergeben.

Tagpfauenauge

Nicht-Zielorganismen wie Schmetterlinge sind nach wissenschaftlicher Bewertung der EFSA nicht durch Bt-Mais gefährdet, die Behörde empfiehlt aber Vorsorgemaßnahmen wie z.B. Randstreifen mit konventionellen Pflanzen, wenn bedrohte Schmetterlingsarten in einer Region vorkommen.

Im Februar 2012 beantragte die französische Regierung bei der EU-Kommission, keine EU-Neuzulassung für gentechnisch veränderten Bt-Mais MON810 zu erteilen. Gentechnisch veränderte Nutzpflanzen werden in der Europäischen Union nur für zehn Jahre zugelassen und müssen sich dann einer erneuten Sicherheitsbewertung unterziehen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA hatte diese Neubewertung bereits im Jahr 2009 abgeschlossen und fand dabei keine Gründe gegen eine weitere Zulassungsperiode.

Frankreich sieht aber durch den Anbau von MON810-Mais insbesondere Risiken für Nicht-Zielorganismen wie Schmetterlinge, Marienkäfer, Bienen oder Köcherfliegenlarven. Auch sei die Entwicklung resistenter Schädlinge sowie mögliche Folgewirkungen wie der vermehrte Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln ein Problem. Die Umsetzung wirkungsvoller Maßnahmen gegen die Resistenzentwicklung und striktere Vorgaben für ein anbaubegleitendes Umweltmonitoring zum Schutz gefährdeter Tierarten seien daher vor einer Neuzulassung notwendig. Diese Risiken begründete Frankreich mit einer Reihe von wissenschaftlichen Studien.

Bt-Proteine reichern sich nicht im Boden an

Ein Problem sieht Frankreich in einer möglichen Anreicherung von Proteinen im Boden oder in Gewässern. Da Bt-Maispflanzen über ihre Wurzeln Bt-Protein abgeben können, bestehe die Gefahr, dass sich bei einem großflächigen Anbau über mehrere Jahre Bt-Proteine im Boden zu einer schädlichen Menge anreichern. Die EFSA hält dagegen, dass bei Langzeitanbauversuchen unter Praxisbedingungen bisher keine solche Anreicherung gefunden wurde und zitiert dazu sieben verschiedene Studien aus den Jahren 2003 bis 2011. Auch mögliche Einträge von MON810-Pflanzenresten in Oberflächengewässer seien nach vorliegenden Erkenntnissen kein Risiko für Gewässer bewohnende Organismen wie Köcherfliegenlarven. Die bisher gemessenen Konzentrationen von Bt-Proteinen aus MON810-Mais in solchen Biotopen seien deutlich niedriger als die Mengen, die zu schädlichen Effekten führen.

Schmetterlinge und Marienkäfer nicht gefährdet -
aber Vorsorgemaßnahmen bei bedrohten Schmetterlingsarten empfohlen

Ein Hauptargument Frankreichs gegen eine Neuzulassung sind mögliche Risiken für Nicht-Zielorganismen wie Schmetterlinge oder Marienkäfer. Im EFSA-Gutachten wird darauf verwiesen, dass es nach vorliegenden Studien sehr unwahrscheinlich sei, dass diese Tierarten mit schädlichen Mengen von Bt-Protein in Kontakt kommen. Modellrechnungen für Schmetterlinge zeigten, dass auch bei sehr empfindlich reagierenden Arten im schlimmsten Fall die Population um weniger als ein Prozent verringert würde. Aus Vorsorgegründen empfiehlt die EFSA, im Falle bedrohter Schmetterlingsarten spezielle Begleitmaßnahmen wie einen Randstreifen aus nicht-gentechnisch verändertemn Mais um die Bt-Maisfelder anzubauen und bei Vorkommen sehr empfindlicher Arten ein anbaubegleitendes Monitoring durchzuführen. Dies müsse nach lokalen Gegebenheiten bewertet und entschieden werden. Frankreich, so die EFSA, hätte allerdings keine Belege für die Existenz solcher empfindlicher Schmetterlingsarten in Frankreich oder in anderen Regionen Europas angeführt.

Ein Risiko für den Zweipunktmarienkäfer, das bereits als Argument für das nationale Anbauverbot in Deutschland 2009 verwendet wurde, hält die EFSA nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht für wissenschaftlich belegt. 2009 veröffentlichte eine Arbeitsgruppe an der ETH Zürich Laborergebnisse, nach denen Larven des Zweipunkt-Marienkäfers durch Bt-Protein geschädigt werden können. Eine zweite Labor-Studie mit ähnlichen Ergebnissen folgte in diesem Jahr. Doch die Aussagen und Methoden dieser Untersuchungen sind umstritten und liefern nach Einschätzung der EFSA keine ausreichenden Belege für eine mögliche Gefährdung der Zweipunkt-Marienkäfer. Eine Reihe anderer Studien, darunter Labor- und Feldstudien, zeigten zudem keine Effekte auf diese Tiere.

Resistente Schädlinge entstehen nur dann, wenn empfohlene Anbaumaßnahmen unterbleiben

Bezüglich einer möglichen Resistenzentwicklung bei Schädlingen gegen den MON810-Mais räumt die EFSA ein, dass gegen diesen Bt-Mais resistente Populationen zwar schon in Puerto Rico und Südafrika bei zwei Schädlingsarten aufgetreten sind. Die Behörde argumentiert aber, dass in diesen Fällen beim Anbau keine geeigneten Maßnahmen dagegen durchgeführt wurden, also z.B. keine Refugien aus konventionellen Maispflanzen in Nachbarschaft zu den Bt-Maisfeldern angelegt oder diese mit chemischen Insektiziden besprüht wurden. Nicht-resistente Schädlinge wurden dadurch dezimiert und die Resistenzentwicklung stark begünstigt. In Europa seien dagegen bisher noch keine resistenten Schädlinge aufgetreten und geeignete Anbaumaßnahmen gegen eine Resistenzbildung werden von der EFSA empfohlen.

Die EFSA bewertete auch die Möglichkeit der Verbreitung von sekundären Schädlingen durch den Anbau von Bt-Mais. Es lägen keine neuen Erkenntnisse vor, die dies nahelegten.

Aus juristischer Sicht könnte die EU-Kommission Frankreich nun auf Basis des vorliegenden EFSA-Gutachtens formal auffordern, das nationale Anbauverbot aufzuheben, so auch ein Sprecher des EU-Kommissars für Gesundheit und Verbraucherschutz, John Dalli. In Brüssel wird davon ausgegangen, dass man aber noch die Positionierung der neuen französischen sozialistischen Regierung unter Hollande zum Anbauverbot abwarten wird. Dies wird voraussichtlich nicht vor den Parlamentswahlen in Frankreich im Juni geschehen.