Schweizer Forschungsprogramm NFP 59

Keine Gesundheits- und Umweltrisiken durch Grüne Gentechnik

Das Schweizer Nationale Forschungsprogramm „Nutzen und Risiken der Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen“ (NFP 59) untersuchte in den letzten fünf Jahre die ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen von gentechnisch veränderten Pflanzen. Heute wurde der Abschluss-Bericht veröffentlicht. Die wichtigsten Resultate: Weder Gesundheits- noch Umweltgefahren gehen von der Grünen Gentechnik aus. Der ökonomische Nutzen von gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen für die Schweizer Landwirtschaft sei zwar zurzeit gering, könnte aber in Zukunft bei Marktreife neuer gv-Pflanzen mit kombinierten Merkmalen wie Herbizid- und Krankheitsresistenzen größer werden.

Erhebungen im Feld, Freilandversuch Weizen

Feldversuch mit gentechnisch verändertem Weizen, in den ein Resistenz-Gen gegen Mehltau eingebracht wurde. Wissenschaftler untersuchten in einem der NFP 59-Projekte an ausgewählten Insektenarten, ob sich dieser Weizen auf das bestehende Nahrungsnetz auswirkt.

Foto: Simone von Burg, Universität Zürich

Erhebungen im Feld, Freilandversuch Weizen

Versuchspflanzen im halboffenen Gewächshaus

Foto: Mario Waldburger, Agroscope AR

2005 hatte der Schweizer Bundesrat das Forschungsprogramm in Auftrag gegeben. Es startete 2007 und die verschiedenen Projekte wurden zwischen 2009 und Ende 2011 abgeschlossen. Das Ziel war es, die Potenziale der Grünen Gentechnik für die Schweizer Landwirtschaft zu untersuchen. Es sollte überprüft werden, ob der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen eine umweltgerechte und produktivere Landwirtschaft zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit ermöglichen kann.

Von insgesamt 30 Projekten untersuchten 13 die gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen des Anbaus von gv-Pflanzen. Zwei Projekte analysierten über tausend wissenschaftliche Publikationen zu diesem Themengebiet ohne dabei auf begründete Hinweise auf schädliche Auswirkungen der Grünen Gentechnik zu stoßen. Zwar haben die Wissenschaftler auch negative Effekte beim Anbau von gv-Pflanzen gefunden, aber diese konnten in allen Fällen auf mangelhafte landwirtschaftliche Praktiken wie Monokulturen zurückgeführt werden. Die gentechnischen Veränderungen der Pflanzen spielten hier keine Rolle. Elf Projekte untersuchten im Labor und im Freiland die Umweltrisiken von gentechnisch verändertem Weizen, Mais und Erdbeeren. Auch hier zeigten sich keine Beeinträchtigungen von nützlichen Insekten, Mikroorganismen oder insgesamt der Bodenfruchtbarkeit.

Laut Umfragen im Rahmen des Forschungsprogramms würden heute nur wenige Schweizer Verbraucher gentechnisch veränderte Produkte kaufen bzw. die Landwirte gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen. Dazu seien im Moment die ökonomischen Vorteile für die Landwirtschaft zu gering und die sogenannten Koexistenzkosten zu hoch. Solche Kosten entstehen Landwirten, wenn z.B. Mindestabstände zwischen den Feldern mit gentechnisch veränderten Pflanzen und konventionellen und ökologisch wirtschaftenden Nachbarbetrieben eingehalten werden müssen. Laut Forschungsbericht könnte sich diese Situation ändern, wenn Landwirtschaftsbetriebe sich regional absprechen und getrennte Produktionszonen einrichten. Auf diese Weise könnten die Koexistenz-Kosten gesenkt werden.

Eine höhere Akzeptanz von gv-Pflanzen wäre auch dann zu erwarten, wenn sich der Schädlingsdruck z. B. durch die zu erwartenden klimatischen Veränderungen erhöhen sollte. Auch neue gv-Pflanzen mit kombinierten Eigenschaften wie Krankheitsresistenzen und Herbizidtoleranzen hätten eine höhere Attraktivität als die derzeit auf dem Markt verfügbaren gv-Pflanzen. Gleiches würde auch für gv-Pflanzen der sogenannten „zweiten Generation“ mit neuen Inhaltstoffen gelten, die als gesündere Alternative zu herkömmlichen Pflanzensorten genutzt werden können. Der Bericht nennt Beispiele wie den Vitamin-A-Reis und Pflanzen wie Apfel, Erdnuss und Sojabohne mit reduziertem Gehalt an Allergenen. Auch auf den möglichen positiven gesundheitlichen Nutzen von Pflanzen der „dritten Generation“ wird verwiesen, die bestimmte pharmazeutische Substanzen enthalten.

Apell für eine neue „Philosophie“ der Risikobewertung

Ein zentrales Ergebnis des NFP 59 ist laut Abschlussbericht, dass nicht die verwendete Züchtungsmethode, sondern die spezifischen Eigenschaften der resultierenden Pflanzensorte für die Risikobewertung entscheidend sein sollten. Ökologische, soziale und wirtschaftliche Auswirkungen einer gv-Pflanze lassen sich nur durch direkten Vergleich mit konventionell gezüchteten Pflanzen bestimmen.

Auch gebe es mittlerweile neue gentechnische Verfahren, bei denen im Endprodukt keine oder nur geringe Spuren des Eingriffes noch nachzuweisen sind oder die sehr viel gezieltere Veränderungen ermöglichen. Unbeabsichtigte Nebeneffekte durch den gentechnischen Eingriff seien dadurch noch weniger zu erwarten und die Sicherheitsüberprüfung vereinfacht. Schließlich könne man mittlerweile auch davon ausgehen, dass im Vergleich zu den neuen Methoden der Gentechnik viele konventionelle Züchtungsmethoden potenziell mit einem höheren Gesundheits- und Umweltrisiko behaftet sind. Eine Sonderbehandlung bzw. isolierte Bewertung von gentechnisch veränderten Pflanzen sei aus wissenschaftlicher Sicht zunehmend fragwürdig.

Die Wissenschaftler machen auch auf die wichtige Rolle von Freilandversuchen mit gentechnisch veränderten Pflanzen aufmerksam. Die untersuchten Pflanzen verhalten sich oft in Gewächshäusern anders als im Freiland. Nur mit Freilandversuchen könne man daher die Vor- und Nachteile einer Pflanze richtig bewerten. Sie fordern zugleich geschützte Versuchsfelder, um den häufigen Zerstörungen durch Gentechnikgegnern vorzubeugen und die Schweizer Forschungskompetenz auf diesem Gebiet zu erhalten.