Antibiotikaresistenz-Gene in gentechnisch veränderten Pflanzen

Neues EFSA-Gutachten: Gefährdung durch Markergene „unwahrscheinlich“

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat eine neue Stellungnahme zu möglichen Gesundheits- und Umweltgefährdungen durch die Verwendung von Antibiotikaresistenz-Markergenen in gentechnisch veränderten Pflanzen veröffentlicht. Ein gemeinsames wissenschaftliches Gutachten der EFSA-Expertengremien für gentechnisch veränderte Organismen (GMO-Panel) und für Biologische Gefahren (BIOHAZ-Panel) kommt zu dem Ergebnis, dass „negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt“ bei der Verwendung von Markergenen in gentechnisch veränderten Pflanzen „den derzeitigen Erkenntnissen zufolge unwahrscheinlich sind“.

In einer weiteren Stellungnahme bestätigte das GMO-Panel seine früheren positiven Sicherheitsbewertungen von MON863-Mais und der von BASF entwickelten Amflora-Kartoffel mit veränderter Stärkezusammensetzung. Es lägen keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, die eine Änderung der bisherigen Gutachten notwendig mache. Beide Pflanzen enthalten Resistenz-Gene gegen das Antibiotikum Kanamycin.

Amflora-Kartoffel: Auch sie besitzt ein nptII-Antibiotikaresistenz-Markergen. Da es deswegen zu Diskussionen im Zulassungsverfahren kam, beauftragte die EU-Kommission die EFSA mit einem weiteren Gutachten zu diesen Markergenen. - Nachdem auch das neuen Gutachten keine Sicherheitsbedenken wegen des nptII-Markergens hat, fordert nun die BASF die EU-Kommission auf, endlich die Zulassung für die gentechnisch veränderte Amflora-Kartoffel zu erteilen.

Foto: BASF

Hintergrund der erneuten wissenschaftlichen Bewertung ist, dass einige gentechnisch veränderte Pflanzen Resistenzgene gegen die Antibiotika Kanamycin (nptII-Gen) und Streptomycin (aadA-Gen) enthalten. Beide Antibiotika haben eine klinische Relevanz in der Human- und Tiermedizin. Kanamycin etwa wurde von der Weltgesundheitsorganisation WHO als „kritisch-bedeutendes“ Mittel zur Bekämpfung von bakteriellen Infektionen eingestuft. Auch die Europäische Arzneimittelagentur (EMEA) sieht Kanamycin als zunehmend wichtiges Reserveantibiotikum etwa im Kampf gegen Tuberkulose-Erreger.

Bei den Gutachten ging es daher um die Frage, ob und mit welchen Konsequenzen diese Antibiotikaresistenz-Gene von Pflanzen auf Bakterien übertragen werden könnten (horizontaler Gentransfer). Als Folge davon könnte es zu einer weiteren Verbreitung antibiotikaresistenter Krankheitserreger kommen.

Noch im Jahr 2004 hatte das GMO-Panel die medizinische Relevanz von bestimmten Antibiotika als ein Sicherheitskriterium für die Verwendung der entsprechenden Antibiotikaresistenz-Gene in gentechnisch veränderten Pflanzen herangezogen. Das GMO-Panel sah zu dieser Zeit nur eine geringe Bedeutung des Antibiotikums Kanamycin in der medizinischen Praxis.

Entscheidend sind die Häufigkeit eines Gentransfers und die aktuelle Verbreitung von Resistenzgenen

Die Sicherheitsbewertung durch das GMO-Panel basierte jedoch noch auf zwei weiteren Faktoren, die das neue Gutachten als entscheidend einstuft: Die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung der Antibiotikaresistenz-Gene von einer gv-Pflanze auf Bakterien und die bereits vorhandene Verbreitung der jeweiligen Resistenz-Gene in der Umwelt. Denn nur wenn sich eine Übertragung der Resistenz-Gene auf Bakterien so häufig ereignete, dass es zu einem messbaren Anstieg resistenter Bakterien in der Umwelt käme, wäre dies ein Sicherheitsrisiko.

Im Gutachten wird erneut festgestellt, dass Resistenz-Gene gegen Kanamycin und Streptomycin in der Natur weit verbreitet sind. In Proben aus Krankenhäusern, Böden und Gewässern lassen sich regelmäßig Bakterien mit diesen Resistenz-Genen finden.

Dem gegenüber ist die Häufigkeit des Gentransfers von Pflanze auf Bakterien vernachlässigbar klein. Bisher sei ein solcher Vorgang weder unter natürlichen Bedingungen noch im Labor nachgewiesen worden. Die Verwendung dieser Resistenz-Gene in gv-Pflanzen, so die Schlussfolgerung der EFSA-Experten, könne entsprechend der vorliegenden Erkenntnisse die Wirksamkeit von Antibiotika in der Medizin nicht beeinträchtigen.

Die Sicherheitsbewertung der EFSA wird auch von der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) in Deutschland geteilt, die im Januar 2009 eine aktualisierte Bewertung von Antibiotikaresistenz-Genen in gentechnisch veränderten Pflanze veröffentlichte.

Das neue EFSA Gutachten weist auch darauf hin, dass das in gentechnisch veränderten Pflanzen enthaltene Kanamycinresistenz-Gen nicht an den bereits aufgetretenen Behandlungsproblemen bei Tuberkulose beteiligt ist. Kanamycin ist ein wichtiges Reserveantibiotikum zur Behandlung von Tuberkulose, jedoch treten weltweit immer häufiger multiresistente Erregerstämme auf. In Zusammenarbeit mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMEA) stellen die EFSA-Gutachter fest, dass das nptII-Gen nicht an der derzeitigen Entstehung multiresistenter Tuberkuloseerreger beteiligt ist.

Positive Bewertung erstmals nicht einstimmig

Das Gutachten betont aber auch einige generelle Unwägbarkeiten in der Risikoabschätzung von Antibiotikaresistenz-Genen in transgenen Pflanzen, die durch eingeschränkte Möglichkeiten z.B. bei der Probenahme und beim Nachweis der Quelle von übertragenen Antibiotikaresistenz-Genen entstehen.

Zudem äußerten zwei Mitglieder des BIOHAZ-Gremiums eine Minderheitenauffassung. Sollte sich trotz der äußerst geringen Wahrscheinlichkeit dennoch ein horizontaler Gentransfer ereignen, so geben sie etwa zu bedenken, könnten die Auswirkungen auf Umwelt und menschliche Gesundheit nicht hinreichend abgeschätzt werden.

Die EFSA hat daher überprüfen lassen, ob in Anbetracht der abweichenden Meinungen zusätzliche wissenschaftliche Untersuchungen notwendig werden. Die Vorsitzenden der beiden Gremien gaben dazu bekannt, dass die Minderheitsauffassungen im Gutachten umfassend berücksichtigt wurden und keine weiteren wissenschaftlichen Arbeiten erforderlich seien.