EU-Kommission mahnt Umsetzung der Freisetzungs-Richtlinie an

Blauer Brief für Deutschland

(10.04.) Zwölf von 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben die neue Freisetzungsrichtlinie nicht fristgerecht umgesetzt. Jetzt droht die Brüsseler Kommission mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.

Die Europäische Kommission hat Deutschland und elf weitere EU-Mitgliedstaaten heute aufgefordert, die neue Freisetzungsrichtlinie (2001/18/EG) endlich in nationales Recht umzusetzen. Die Mahnschreiben aus Brüssel gingen an Frankreich, Luxemburg, Belgien, die Niederlande, Deutschland, Italien, Irland, Griechenland, Spanien, Portugal, Österreich und Finnland. Die Umsetzungsfrist war bereits am 17. Oktober 2002 verstrichen. Keiner der Mitgliedstaaten kam seiner Verpflichtung rechtzeitig nach. Die Richtlinie regelt das Verfahren zur Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in die Umwelt. Darunter fällt auch die Zulassung zu kommerziellen Zwecken.

Die formellen Mahnschreiben, so genannte „mit Gründen versehene Stellungnahmen“, leiten die zweite Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens nach dem EG-Vertrag ein. Die erste Aufforderung, das nationale Recht an die EU-Vorschriften anzupassen, muss demnach schon vor mehr als zwei Monaten an die betroffenen Regierungen versandt worden sein, ohne dass die Kommission eine zufriedenstellende Antwort erhalten hätte. Die jetzt vorliegenden zweiten Mahnbriefe sind der letzte Schritt vor einer Klage am Europäischen Gerichtshof.

Die neue Freisetzungsrichtlinie stellt zum einen strengere Anforderungen an die Genehmigung von Freisetzungen und strafft zum anderen das Zulassungsverfahren. Beispielsweise werden eine Umweltverträglichkeitsprüfung und die Pflicht zur Beteiligung der Öffentlichkeit eingeführt. Die Vermarktungsgenehmigung für einen GVO wird auf zehn Jahre beschränkt. Ein langfristiges Monitoring wird zwingend vorgeschrieben.

Mit ihren Mahnungen arbeitet die Kommission konsequent auf das Ende des seit 1999 eingehaltenen Zulassungsstopps für transgene Organismen hin. Das neue Genehmigungsverfahren für die Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen gilt ebenso als Voraussetzung für die Wiederaufnahme von Zulassungen, wie die erweiterten Regeln für die Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit von gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln. Dazu haben sich Kommission und Ministerrat bereits auf einen „Gemeinsamen Standpunkt“ verständigt.

Deutschland: Warten auf das Gentechnik-Gesetz

Die neuen EU-Vorschriften über Freisetzung und Zulassung von GVOs sollen in Deutschland durch eine Neufassung des Gentechnik-Gesetzes umgesetzt werden. Im Zuge der Koalitionsverhandlungen hatte Verbraucherministerin Künast die Zuständigkeit für dessen Neufassung vom Bundesgesundheitsministerium erhalten.

Konkrete Vorschläge für ein novelliertes Gentechnik-Gesetz liegen bisher jedoch nicht vor.

Im Vorgriff auf das neue Gesetz sollen die Zuständigkeiten in den Genehmigungsverfahren neu geordnet werden. So wird die seit Jahren in Deutschland für Freisetzungen und Zulassungen von GVOs zuständige Gentechnik-Abteilung des Robert-Koch-Instituts in den Bereich des Verbraucherministeriums verlagert. Das Umweltbundesamt soll seinen Status als „Einvernehmensbehörde“ an das Bundesamt für Naturschutz in Bonn abgeben. Bereits im Herbst sollen diese Änderungen wirksam werden, so Umweltminister Trittin. Bis dahin wird jedoch das neue Gentechnik-Gesetz jedoch nicht in Kraft sein.

Offen ist, ob eine so weitreichende Kompetenzverlagerung ohne gesetzliche Grundlage durchführbar sein wird.