Wissenschaftler widersprechen Greenpeace

Fremdgene in der Milch?

(22./24.06.) Greenpeace will es aufgedeckt haben: Ein bisher nicht veröffentlichtes Untersuchungsergebnis des Forschungszentrums für Milch und Lebensmittel in Weihenstephan/Bayern aus dem Jahr 2000 soll Hinweise darauf liefern, dass gentechnisch veränderte Bestandteile aus Futtermitteln über den Weg der Verdauung in die Milch gelangen können.

Daher verlangt Greenpeace die Kennzeichnung tierischer Produkte, wenn die Tiere mit GVO-Futtermitteln gefüttert wurden. Die Wissenschaftler, die die von Greenpeace zitierte Untersuchung durchgeführt haben, ziehen jedoch einen anderen Schluss aus ihren Ergebnissen. Wahrscheinlich seien die nachgewiesenen Fremdgene in der Milch auf Verunreinigungen durch Futtermittelstäube zurückzuführen. Mittlerweile hätten kontrollierte Studien eindeutig gezeigt, dass Fremdgene aus gv-Pflanzen nach der Verfütterung weder in das Gewebe noch in die Milch von Kühen gelangen.

Die hessische Landesvereinigung für Milch und Milcherzeugnisse hatte vor mehr als drei Jahren Milchproben an das Forschungszentrum in Weihenstephan (FML) geschickt. Sie stammen von einem Hof, auf dem gentechnisch veränderter Bt-Mais angebaut und an Milchkühe verfüttert wurde. In einigen der Proben hatten die Wissenschaftler Spuren von Fremdgenen aus GVO-Futtermitteln nachgewiesen.

Prof. Ralf Einspanier, heute an der Freien Universität Berlin beschäftigt, war seinerzeit an den Milchuntersuchungen beteiligt. Er wies in einer Stellungnahme heute darauf hin, dass diese Proben nicht Bestandteil einer wissenschaftlichen Studie waren, sondern von privaten Auftraggerbern eigenständig gezogen wurden. Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Milchbehälter im Stall bereits Futtermittelstäube mit GVO-Bestandteilen enthielten. Die Untersuchungsergebnisse von damals seien daher nicht abgesichert. Solche Ergebnisse könne man nicht nach außen geben.

Futter-DNA wird zu kleinsten Bruchstücken abgebaut. „Um die Sachlage aufzuklären, wurden von uns weitere Studien initiiert“, so Einspanier. „Die aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen haben bislang gezeigt, dass Futter-DNA im Organismus von Nutztieren wie Rindern, Schweinen und Hühnern zu kleinsten Bruchstücken abgebaut wird.“ Heute lägen die Ergebnisse kontrollierter Studien aus dem Forschungszentrum in Weihenstephan vor, bei denen nach einer vierwöchigen Verfütterung von Bt-Mais die gentechnisch veränderte DNA weder in Milch noch im Gewebe der Kühe nachzuweisen waren(1).

Neuere Studien einer Arbeitsgruppe aus Großbritannien bestätigen diese Aussage. Dort wurde gentechnisch verändertes Soja an die Tiere verfüttert und konnte anschließend nicht mehr in den tierischen Produkten nachgewiesen werden (2). Prof. Heinrich Meyer, ebenfalls an den Untersuchungen des Forschungszentrums in Weihenstephan beteiligt, hält die nachträgliche Diskussion der Milch-Tests für unbegründet: „Die ersten Ergebnisse sind gegenstandslos, weil wir eine ordentliche Kontrollstudie durchgeführt haben.“. Ähnlich äußerte sich der Milchindustrie-Verband (MIV): Es bleibe bei der „wissenschaftlichen Feststellung, dass GVO aus Futtermitteln nicht in die Milch übergehen und damit die von Greenpeace behauptete Gen-Milch nicht existiert.“

Greenpeace unterliegt vor Gericht. Inzwischen ist es nach einem Urteil des Kölner Landgerichts Greenpeace untersagt, Milch als „Gen-Milch“ zu bezeichnen, wenn die Tiere GVO-Futtermittel erhalten haben. Das Gericht stellte fest, dass der Einsatz gentechnisch veränderter Futtermittel zu keinerlei Veränderungen der Milch führe. Greenpeace stelle Tatsachenbehauptungen auf, die „unumstrittener wissenschaftlicher Erkenntnis zuwiderlaufen und damit evident falsch sind.“ Seit Wochen führt die Umweltorganisation Aktionen gegen die Müller-Molkerei durch. Diese hatte erklärt, dass sie Milch von Kühen verarbeite, deren Futter teilweise aus gv-Soja oder gv-Mais stamme. Soja-Futtermittel enthalten in der Regel Bestandteile aus gv-Pflanzen.

Nach den gültigen EU-Bestimmungen sind Produkte aus Tieren, die mit GVO-Futtermitteln gefüttert wurden, von der GVO-Kennzeichnung ausgenommen, da sie nicht „aus“, sondern „mit Hilfe“ von GVOs hergestellt werden.

(1) Einspanier et al. (2001). European Food Research Technology 212:129-134

(2) Phipps et al. (2003). J. Dairy Science 86:4070-4078