Fütterungsversuche mit MON863-Mais

EFSA bleibt dabei: Keine Bedenken

Am 20. Oktober 2004 hat das Expertengremium (GMO-Panel) der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erneut über den MON863-Mais und die durchgeführten Fütterungsversuche beraten. Trotz weiterer Gutachten hat sich an der ursprünglichen Auffassung nichts geändert: Die Versuche liefern keine Hinweise, dass MON863-Mais für Menschen oder Tiere schädlich sein könnte. Das GMO-Panel stützt sich bei der neuen Stellungnahme auf einen Report der zuständigen Behörde aus Deutschland. Der bereits in den USA angebaute MON863-Mais, der über eine Resistenz gegen den Maiswurzelbohrer verfügt, soll nach Europa eingeführt und vor allem als Futtermittel verwendet werden.

Der Maiswurzelbohrer wird in den nächsten Jahren auch den deutschen Maisanbau erreichen. Er zerstört die Wurzeln der Maispflanzen. MON863 -Mais bildet eine bestimmte Variante des Bt-Toxins (cry3Bb1). (Foto: Marlin E. Rice)

Verdächtig oder normale Streuung? Anzahl der weißen Blutkörperchen in männlichen Ratten nach 14 Wochen (1000 / Mikroliter Blut) Dargestellt sind Tiere, die eine MON863-Diät erhalten haben sowie eine Kontrollgruppe mit der unveränderten Ausgangslinie (control). Weitere Gruppen erhielten verschiedene Maissorten (5-10, zusammengefasst unter population).

Eine Entscheidung über die Zulassung von MON 863-Mais in der EU steht weiter aus. Am 20. September hatte der Regelungsausschuss, in dem die 25 Mitgliedstaaten repräsentiert sind, die vorgesehene Abstimmung über die Zulassung des MON863-Mais verschoben. Zwar hatte die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) schon damals keine Sicherheitsbedenken, doch andere Experten und Gentechnik-Kritiker bezweifelten, ob die vom Hersteller Monsanto durchgeführten Fütterungsversuche mit Ratten tatsächlich die Unbedenklichkeit belegen. Einige EU-Länder forderten weitere Informationen zur Risikoanalyse.

Unmittelbar vor der geplanten Abstimmung im EU-Regelungsausschuss hatte Greenpeace Verbraucherministerin Renate Künast aufgefordert, gegen den MON863-Mais zu votieren. Erneut verwies man auf die Ergebnisse von Fütterungsversuchen mit Ratten, bei denen sich „Abnormalitäten“ vor allem im Blutbild der Tiere gezeigt haben sollen.

Solche Untersuchungen werden von den Herstellern durchgeführt, um mögliche gesundheitliche Auswirkungen einer gv-Nahrungspflanze oder einzelner Substanzen wie etwa des Bt-Toxins vor der Markteinführung zu überprüfen. Die Studie selbst und ihre Ergebnisse werden mit dem Zulassungsantrag den zuständigen Behörden zur Prüfung vorgelegt. In den öffentlich zugänglichen Zusammenfassungen der Anträge sind allenfalls die Ergebnisse enthalten, nicht jedoch die genauen Fachinformationen über die Durchführung der Fütterungsversuche.

Schäden oder normale biologische Streuung?

Schon seit längerem stehen die Ergebnisse der MON863-Fütterungsstudie in der Diskussion. Im Kern geht es darum, ob die beobachteten Abweichungen bei den Ratten, die mit MON863 gefüttert wurden, im Rahmen der üblichen „biologischen Streuung“ liegen oder ob sie als Indizien für gesundheitliche Gefahren zu werten sind.

Insgesamt vierhundert Ratten waren in die Versuche einbezogen: Eine Gruppe hatte über 90 Tage eine Diät mit MON863-Mais erhalten, eine andere die gentechnisch nicht veränderte Ausgangssorte. Weitere Ratten erhielten verschiedene andere Maissorten. Ausgewertet wurden Körper- und Organgewichte, negative Effekte im Blutbild, mikroskopische Gewebeuntersuchungen und pathologische Befunde. Auffällig war, dass in der MON863-Gruppe die männlichen Tiere nach vierzehn Tagen eine erhöhte Anzahl weißer Blutkörperchen im Blut aufwiesen (siehe Grafik). Auch das Gewicht der Nieren lag bei diesen Tieren unter dem Durchschnitt.

Erst Zweifel, dann neue Gutachten

Bereits im vergangenen Herbst wertete die französische Gentechnik-Kommission CGB (Commission du Génie Biomoléculaire) die Befunde als bedenklich und empfahl, vor der Entscheidung über eine Zulassung weitere Untersuchungen durchzuführen.

In ihrer Stellungnahme vom 2. April 2004 kam das zuständige Gentechnik-Expertengremium der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zu einem anderen Schluss. Die bei den Versuchstieren gefundenen Abweichungen seien „toxikologisch nicht relevant“ und bewegten sich in einer statistisch nicht ungewöhnlichen Bandbreite. Die EFSA-Experten, zuständig für die wissenschaftliche Bewertung der Sicherheit von GVO-Produkten, hatten keine Bedenken, die Zulassung von MON863 zu empfehlen.

Zu ähnlichen Schlussfolgerungen wie die EFSA waren auch Behörden anderer EU-Länder gekommen, etwa das damals in Deutschland zuständige Robert-Koch-Institut (RKI).

Nachdem die Bedenken der französischen Behörden durch einen Bericht der Le Monde in die Öffentlichkeit gelangten, wurden weitere international renommierte Gutachter eingeschaltet. Dabei wurden die Ratten der Fütterungsversuche noch einmal eingehend untersucht. Wären die Befunde aus den Fütterungsstudien tatsächlich Anzeichen für gesundheitliche Gefährdungen, so die Überlegung der Toxikologen und Pathologen, hätten sich vor allem in den Nieren der Tiere weitere Belege finden lassen müssen. Doch auch neue Gewebe-, Zell- und Organuntersuchungen ergaben kein anderes Bild: Die Bandbreite der Daten lag innerhalb der normalen biologischen Variabilität. Der Verdacht, die erhöhte Zahl von weißen Blutkörperchen bei einigen MON863-Ratten sei ein Indiz für „echte Entzündung“, bestätigte sich nicht.

Die neuen Gutachten haben die französische CGB-Kommission dazu bewegen können, ihr erstes Urteil weitgehend zu revidieren. Auch sie sieht inzwischen keine offenkundigen Anzeichen für eine gesundheitliche Gefährdung durch MON863-Mais.

Entscheidung erst nach weiteren Untersuchungen

Der EU-Regelungsausschuss will jedoch erst dann über den MON863-Antrag entscheiden, wenn weitere Informationen vorliegen. Frankreich und vier EU-Mitgliedsstaaten fordern eine erneute wissenschaftliche Überprüfung von MON863.

Nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung soll Prof. Arpad Pusztai von einigen Behörden, darunter das Bundesamt für Naturschutz, als Gutachter beauftragt worden sein. Pusztai war vor einigen Jahren bekannt geworden, als er nach Fütterungsversuchen mit bestimmten gentechnisch veränderten Kartoffeln die Praxis bei der Sicherheitsbewertung von GVO-Lebensmitteln kritisierte. Pusztai war daraufhin von seinem Arbeitgeber, dem Rowett-Institut in Aberdeen/Schottland, entlassen worden. Zahlreiche Wissenschaftler hatten damals Pusztais Versuchsmethoden und sein Vorgehen kritisiert. Nun soll Pusztai auf Mängel bei der MON863-Studie hingewiesen haben.

Nicht öffentlich

Bisher sind allerdings die kompletten Daten der Fütterungsstudie der Öffentlichkeit nicht bekannt. Nur die zuständigen Behörden und die von ihnen beauftragten Gutachter bekamen sie zu Gesicht. Zugänglich ist eine von Monsanto herausgegebene Zusammenfassung.

Inzwischen forderte Greenpeace die Veröffentlichung der vollständigen Studie. Bisher hat Monsanto - wie andere Antragsteller in ähnlichen Fällen - abgelehnt. Man verweist darauf, dass Fütterungsstudien für Nicht-Fachleute kaum verständlich seien. Zudem fürchten die Unternehmen, dass Mitkonkurrenten von den oft sehr teuren Studien profitieren und die Daten für eigene Zulassungsanträge übernehmen könnten.