Kein Kompromiss im Vermittlungsausschuss

Gentechnik-Gesetz bleibt unvollendet

(15.06.2005) Das zweite Gentechnik-Gesetz ist gescheitert. Grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten zwischen der rot-grünen Regierungskoalition in Berlin und der unionsgeführten Mehrheit des Bundesrates haben einen Kompromiss verhindert. Nachdem die zuständige Arbeitsgruppe am Montag zu keinem Ergebnis gekommen war, wird der Vermittlungsausschuss heute seine Einigungsversuche aufgeben. Nach der geplanten Neuwahl des Bundestages muss das Gesetzgebungsverfahren von vorn beginnen. Bis es abgeschlossen ist, bleibt das von rot-grün durchgesetzte Gentechnik-Gesetz wirksam.

Das Gentechnik-Gesetz ist gescheitert, der Wahlkampf hat begonnen.

Michael Müller (SPD): „Das Wohl der Verbraucher spielt bei CDU und FDP nur eine untergeordnete Rolle. Sie und ein paar Großunternehmen meinen es besser zu wissen, was die Verbraucher wollen sollten.“

Ulrike Höfken (B90/Grüne): „Für den Fall eines Wahlsieges hat Frau Merkel bereits angekündigt, der Agrogentechnik Tür und Tor zu öffnen – und das gegen den Willen der Mehrheit der Verbraucher. … Unzählige Arbeitsplätze im Ökolandbau und in der konventionellen Produktion werden damit vernichtet.“

Helmut Heiderich (CDU): „Über Jahre hinweg hat Ministerin Künast Entwicklung und Anwendung der Gentechnik, einer Zukunftstechnologie des neuen Jahrhunderts, verhindert. Hochqualifizierte wissenschaftliche Forschungsprojekte wurden von der Ministerin persönlich verboten.“

Christel Happach-Kasan (FDP): Die FDP besteht mit Nachdruck auf einer grundlegenden Neuausrichtung des Gentechnikrechts. Allein mit kosmetischen Korrekturen am Zweiten Gentechnikgesetz können keine Arbeitsplätze entstehen und Wissenschaftler in Deutschland gehalten werden.

Das zweite Änderungs-Gesetz zum Gentechnik-Gesetz enthält nur solche Vorschriften, welche die Bundesländer betreffen und für die daher eine Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist. Dabei handelt es sich im wesentlichen um die Festlegung behördlicher Zuständigkeiten vor allem bei der Genehmigung und Überwachung von gentechnischen Anlagen. Die Vorstellungen der beiden politischen Lager liegen hier nicht weit auseinander.

Strittig sind jedoch vor allem die Vorschriften zum Anbau gv-Pflanzen, etwa zur Haftung bei Schäden durch Auskreuzungen und zum Standortregister. Diese Änderungen des Gentechnik-Gesetzes hatte die rot-grüne Regierungskoalition bereits mit ihrer Kanzlermehrheit im Bundestag durchgesetzt. Zwar lehnten die unionsregierten Bundesländer diese Neuregelungen vehement ab, konnten jedoch nicht verhindern, dass das neue, vor allem von Verbraucherschutzministerin Künast geprägte Gentechnik-Gesetz Anfang Februar 2005 in Kraft trat.

Über ihre Mehrheit im Bundesrat unternahmen die Berliner Oppositionsparteien den Versuch, das rot-grüne Gentechnik-Gesetz nachträglich zu ändern. Die Mehrheit der Bundesländer wollte dem zweiten Änderungs-Gesetz nur dann zustimmen, wenn auch der erste Teil erneut aufgeschnürt werde. Vor allem die rigorosen Haftungsvorschriften sollten gelockert und durch ein praktikables Koexistenzkonzept nach niederländischem Vorbild ersetzt werden.

Rot-grünes Gentechnik-Gesetz ist weiter gültig

Mit dem Scheitern im Vermittlungsausschuss ist das Gesetzgebungsverfahren ohne Ergebnis beendet. Damit ist das derzeit gültige Gentechnik-Gesetz weiterhin maßgebend.

Bis auf weiteres müssen alle Felder, auf denen gv-Pflanzen freigesetzt oder angebaut werden, in ein Standortregister eingetragen werden. Einschränkungen für den öffentlich zugänglichen Teil des Registers, wie sie im Bundestag bereits mehrheitlich beschlossenen waren, sind nicht wirksam.

Landwirte, die gv-Pflanzen anbauen, haften für wirtschaftliche Schäden durch GVO-Auskreuzungen - auch dann, wenn sie nicht gegen die Koexistenzvorschriften verstoßen haben. Aufgrund der diffusen Rechtslage sind diese Haftungsrisiken nicht versicherbar.

Die im zweiten Änderungspaket vorgesehene Erleichterungen bei der Genehmigung von gentechnischen Produktionsanlagen treten vorerst nicht in Kraft.

EU-Vorgaben: Nur halb umgesetzt

Anlass für die umfassende Novellierung des Gentechnik-Gesetzes waren mehrere EU-Richtlinien, die bis 2002 in nationales Recht hätten überführt werden müssen. Ohne das zweite Änderungs-Gesetz ist die Umsetzung in Deutschland unvollständig. Die EU-Kommission hat bereits ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof eingeleitet. Sollte es zu einer Entscheidung kommen, muss Deutschland mit erheblichen Strafzahlungen rechnen.

Langer Weg zu einem neuen Gesetz

Sollte es zu einem Regierungswechsel in Berlin kommen, wollen CDU/CSU und FDP das bestehende Gentechnik-Gesetz überarbeiten. Allerdings beginnt nach der Neuwahl des Bundestages das gesamte komplizierte Gesetzgebungsverfahren wieder von vorn. Ob ein geändertes Gentechnik-Gesetz rechtzeitig in Kraft treten kann, um bereits zur Aussaat 2006 Erleichterungen für den Anbau von gv-Pflanzen zu bringen, erscheint fraglich.