SiFo-Projekt: Auskreuzung aus transgenem Mais und Quantifizierung der Auskreuzung

Der Flug der Pollenwolke

Patsch, patsch, patsch: Eine kleine Gruppe von Forschern stapft mit ihren Besuchern über das völlig aufgeweichte Versuchsfeld in der Nähe von Braunschweig. Noch keine 24 Stunden ist es her, dass schon zum zweiten Mal in diesem Jahr ein ungewöhnlich heftiges Unwetter über die Felder der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) zog. Trotzdem, Sara Meier-Bethke ist von diesem Sommer begeistert. Für ihre Untersuchungen über das Auskreuzen von gentechnisch verändertem Mais war der Witterungsverlauf optimal.

männlicher Blütenstand an der Spitze der Maispflanze, der den Pollen liefert.

Die männlichen Blüten an der Spitze der Maispflanze liefern den Pollen

Die weiblichen Blüten sitzen seitlich an den Stängeln der Pflanze. Sie bilden fadenförmige klebrige Narbenfäden aus, an denen der Pollen kleben bleibt.

Die weiblichen Blütenstände bilden fadenförmige klebrige Narbenfäden aus, an denen der Pollen kleben bleibt.

Pollen. In der Blühphase entwickeln die männlichen Blüten große Mengen an feinem gelbem Pollen

Zur Blütezeit produzieren die Maispflanzen große Mengen an gelbem Pollen.

Versuchsanordnung 2000
Die Auskreuzungsfrequenzen hinsichtlich eines Schwellenwerts von 1%. Auch in einer Entfernung von 25 m (Reihe 5) lagen einzelne Werte über 1%.

Rot: Werte über 1%,
Blau: Werte unter 1%.
Z: Zentral-Parzelle mit transgenem Mais

Reihe 1: 3 m
Reihe 2: 4,5 m
Reihe 3: 7,5 m
Reihe 4: 12,5 m
Reihe 5: 25,5 m
Reihe 6: 49,5

Versuchsaufbau im Jahr 2002: Am linken Bildrand ist der transgene Mais als dunkelgüner Streifen zu erkennen.

Der Versuchsaufbau im Jahr 2002: Als schmaler dunkelgrüner Streifen ist am linken Bildrand der transgene Mais zu erkennen. Rechts oben stehen 28 kleine Mais-Kontrollparzellen in einem Klee-Gras-Gemisch, rechts unten 28 weitere auf Getreidestoppeln.

Parzellen mit herkömmlichem Mais in unterschiedlicher Entfernung zu einem transgenen Maisfeld

Kontrollparzellen mit herkömmlichem Mais stehen in unterschiedlicher Entfernung zum transgenen Versuchsfeld.

Sara Meier-Bethke

Sara Meier-Bethke wertet einen Keimlingstest aus. Nur die grünen Maispflänzchen sind herbizidresistent, alle anderen Keimlinge sind nach der Behandlung mit Glufosinat eingegangen.

Pollenfalle zur Bestimmung der Intensität des Pollenflugs. Die Fallen richten sich automatisch nach dem Wind aus, der Pollen wird durch eine schmale Öffnung angesaugt und bleibt auf einem Klebestreifen hängen.

Mit Pollenfallen wie dieser wird die Intensität des Pollenflugs bestimmt.

Windgeschwindigkeitsmesser

Im transgenen Maisfeld wird die Windgeschwindigkeit in unterschiedlichen Höhen bestimmt.

Messgerät zur Bestimmung der Luftfeuchtigkeit
Die Benetzung der Blattoberflächen mit Feuchtigkeit wird gemessen.

Messgeräte zur Bestimmung der Luftfeuchte und der Benetzung der Blattoberflächen mit Feuchtigkeit

Als es darauf ankam, nämlich pünktlich zur Maisblüte, herrschten am Versuchsstandort viel Sonnenschein und hohe Temperaturen jenseits von 30° Celsius. Das kam der jungen Wissenschaftlerin gerade recht. Denn sie untersucht gemeinsam mit Meteorologen und Mathematikern den Einfluss des Wetters und der Thermik auf den Pollenflug und das Auskreuzen von gentechnisch verändertem Mais. Für den Transport des relativ schweren Maispollens über Entfernungen von mehr als 20 Metern spielen warme Luftströmungen offenbar eine wichtige Rolle. Darum freut sich Sara Meier-Bethke über die sonnige Blühphase mit guten Voraussetzungen für das Entstehen einer messbaren Thermik. Ein Wolkenbruch nach der Blüte spielt da keine Rolle.

Viele Fragen, ein Versuch

Mit schlammigen Schuhen, schließlich fährt nicht jeder im August routinemäßig Gummistiefel im Kofferraum spazieren, erreicht die Gruppe ihr erstes Ziel: Eine von 56 Kontrollparzellen mit konventionellem Mais. Die Parzellen von je 36 Quadratmetern liegen in der Hauptwindrichtung hinter dem 1,2 Hektar großen transgenen Maisfeld. Sie verteilen sich auf sieben verschiedene Entfernungen bis zu maximal 200 Metern. Die gestaffelte Verteilung erlaubt Aussagen über die Häufigkeit der Auskreuzung über verschiedene Distanzen. Der Versuch dient damit teilweise der Wiederholung und Überprüfung von früheren Freilandexperimenten mit herbizidtolerantem Mais.

In den Jahren 2000 und 2001 haben die BBA-Wissenschaftler Joachim Schiemann und Sara Meier-Bethke bereits viele Daten sammeln können, die den Kern der aktuellen Diskussion um transgene Beimischungen im Erntegut und um Schwellenwerte berühren. Die Auswertung des Anbauversuches aus dem Jahr 2000 ergab unter anderem, dass die Auskreuzung auf herkömmliche Maissorten in einer Entfernung von zehn Metern vom transgenen Maisfeld im Mittel unter dem in der Europäischen Union diskutierten Schwellenwert von ein Prozent lag. Einzelne Stichproben in Windrichtung erreichten oder überschritten allerdings sogar in einer Entfernung von 25 Metern noch die Marke von ein Prozent. Die Auskreuzungsfrequenz sank also bereits auf den ersten Metern außerhalb der transgenen Parzelle stark, einzelne Auskreuzungsereignisse konnten jedoch über größere Entfernungen nachgewiesen werden.

Mit der Wärme in die Ferne

Die genaue Analyse der Daten ließ Joachim Schiemann und Sara Meier-Bethke vermuten, dass die Einkreuzung im Nahbereich anderen Gesetzesmäßigkeiten folgt als über Entfernungen von mehr als 20 Metern. Darum werden in diesem Jahr zusätzlich thermische Effekte und ihr Einfluss auf die Verbreitung der Pollen berücksichtigt. Über jedem Acker bildet sich eine für die dort angebaute Pflanze typische Thermik.

„Über einem reifen Getreidefeld erwärmt sich die Luft stärker als über einer grünen Wiese“, erklärt Sara Meier-Bethke. „Die aufsteigende warme Luft trägt einen Teil der Pollen in höhere Luftschichten. Mit zunehmender Höhe steigt die durchschnittliche Windgeschwindigkeit, so dass der Pollen größere Strecken zurücklegen kann. “ Um diesen Effekt zu beobachten, wurden die Kontrollparzellen mit dem herkömmlichen Mais in zwei unterschiedliche Hauptkulturen eingebettet, und zwar zum einen in Wintergerste und zum anderen in ein Klee-Gras-Gemisch. Während die Wintergerste den thermischen Transport begünstigt, herrscht über dem Klee-Gras-Feld eine schwache Thermik.

Handarbeit

Wie wird nun konkret festgestellt, ob der gentechnisch veränderte Mais seine Eigenschaft der Herbizidresistenz auf die benachbarten Kontrollpflanzen übertragen hat? Sara Meier-Bethke deutet auf kleine farbige Plastikwimpel, die an vielen Maisstängeln befestigt sind: „Mit solchen Anhängern markieren wir Pflanzen, von denen wir Proben nehmen werden.“ Auf den Wimpeln notieren die Wissenschaftler den genauen Standort der Pflanze sowie den Beginn und das Ende ihrer Blühphase.Im Oktober werden dann an jedem Probepunkt - oder genauer - an jeder Probefläche 60 Maiskolben mit jeweils 300 bis 400 Körnern von Hand geerntet. Die Körner werden von den Kolben entfernt, getrocknet und später im Gewächshaus in speziellen Schalen zum Keimen gebracht, von jedem Probenahmepunkt etwa 2.500 Körner. Das bedeutet für die Wissenschaftler und ihre Hilfskräfte viel Handarbeit. Doch die hohe Zahl ist notwendig, um auch bei geringen Auskreuzungsfrequenzen statistisch zuverlässige Aussagen treffen zu können. Wenn die Keimlinge ein bis zwei Wochen alt sind, werden sie mit dem Herbizid besprüht, gegen das der transgene Mais resistent ist. Überstehen sie diese Behandlung, gilt das als Nachweis einer Auskreuzung, denn herkömmliche Maispflanzen gehen an dem herbiziden Wirkstoff Glufosinatzugrunde.

Pollen in der Falle

Doch auf dem Versuchsfeld fallen nicht nur die wimpelgeschmückten Maispflanzen auf. Der Acker ist gespickt mit einer Vielzahl von Messgeräten.Franz Josef Löpmeier vom Deutschen Wetterdienst (DWD) kennt ihre Funktion: „Das ist eine Pollenfalle; damit messen wir die Intensität des Pollenflugs. Die Fallen richten sich automatisch nach dem Wind aus. Der Pollen wird durch eine schmale Öffnung angesaugt und bleibt auf einem Klebestreifen hängen. So können wir - zusammen mit den Daten über die Windgeschwindigkeit und Windrichtung - genau ermitteln, wann welche Pollenmengen wie weit geflogen sind.“ Außerdem misst Löpmeier die Luft- und Bodentemperatur, Luftfeuchte, Sonnenstrahlung und den Niederschlag. Mit Infrarot-Thermometern, die wie Pistolen aussehen, wird die Erwärmung der Luft direkt an der Bodenoberfläche ermittelt. Auch die Benetzung der Blattoberflächen mit Feuchtigkeit wird aufgezeichnet. So entsteht ein umfassender Überblick über die klimatischen Verhältnisse der Versuchsanlage.

Mathematik im Film

Die beiden Datenströme aus den Wetteraufzeichnungen einerseits und den Keimtests andererseits fließen bei den Mathematikern um Professor Otto Richter vom Institut für Geoökologie der TU Braunschweig zusammen. Ihre Aufgabe ist es, aus den Messwerten erstmals eine mathematische Formel für die Ausbreitung von gentechnisch verändertem Mais unter hiesigen klimatischen Bedingungen zu modellieren. Mit Hilfe des Modells soll es gelingen, den Pollenflug so genau zu beschreiben, dass Prognosen über das Auskreuzungsverhalten von Mais auch unter anderen Anbaubedingungen möglich werden. Sollte dies gelingen, hätte das Modell große Bedeutung als Basis für Schutzkonzepte und Anbauempfehlungen zur Vermeidung transgener Beimischungen. Ralf Seppelt, einer der wissenschaftlichen Mitarbeiter von Otto Richter, schildert die Vorgehensweise. Die Geoökologen nutzen zwei verschiedene Ansätze, und zwar einen auf der Grundlage der physikalischen Wetterdaten und einen fußend auf Wahrscheinlichkeitsberechnungen, die sich auf die beobachteten Auskreuzungen stützen. Beide Wege haben aus dem Blickwinkel des Mathematikers systematische Vor- und Nachteile. Die entwickelten Modelle erlauben aber beide bereits recht gute Voraussagen über die Auskreuzungshäufigkeit. Eine Computersimulation veranschaulicht den bislang nur errechneten „Flug der Pollenwolke“. Jetzt warten die Wissenschaftler gespannt auf die diesjährige Maisernte, um ihre Prognosen mit den Ergebnissen neuer Keimtests vergleichen und ihr Modell weiter verbessern zu können.