Mexiko: Auskreuzung von gentechnisch verändertem Mais

Fremdgene in Landsorten: Gefahr für die biologische Vielfalt?

Im November 2001 veröffentlichte die renommierte Wissenschaftszeitung Nature einen kurzen Artikel: Zwei kalifornische Wissenschaftler hatten Mais aus einer entlegenen mexikanischen Region untersucht. Sie gaben an, in ihren Proben DNA aus gentechnisch verändertem Mais gefunden zu haben. Der Artikel entfachte eine heftige Diskussion - sowohl unter Wissenschaftlern wie in der Öffentlichkeit.

Mais Ursprung

Mais-Vorfahren . Das Wildgras Teosinte ist die Ursprungspflanze von Mais.

Maisvielfalt

Mais-Vielfalt. Maissorten eines Landwirtes aus Zentral-Mexiko. - Mexiko ist für Mais das Zentrum der Biologischen Vielfalt.

(Fotos: Hugh Iltis)

Hintergrund: Mexiko als Zentrum der biologischen Vielfalt für Mais

Mexiko ist für den Mais eine besondere Region. Die dortigen Ureinwohner entwickelten über Jahrtausende aus der Grassorte Teosinte durch Kreuzung und Selektion die Vorläufer der heutigen Maissorten. Da die Landwirte in Mexiko bis heute überwiegend traditionelle Züchtungsmethoden nutzen, gibt es dort unzählige Landsorten mit einer großen genetischen Vielfalt. Mexiko ist für Mais ein Zentrum der Biologischen Vielfalt.

Diese Zentren zu schützen und zu erhalten, ist eines der Ziele der 1992 in Rio verabschiedeten Konvention zur Biologischen Vielfalt (Biodiversity Convention). Darin verpflichten sich die Vertragsstaaten, solche mit gentechnisch veränderten Organismen verbundenen Umweltauswirkungen zu vermeiden, welche den Erhalt und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt beeinträchtigen könnten.

Seit 1998 ist der Anbau von gentechnisch verändertem Mais in Mexiko verboten. Erlaubt hingegen ist der Import von Agrarprodukten. Jährlich werden mehrere Millionen Tonnen Mais aus den USA eingeführt. Dort wurde 2001 auf etwa acht Millionen Hektar gentechnisch veränderter Mais angebaut.

Fremdgene in Landsorten. Wie kommen sie dahin?

Ignazio Chapela, Ökologe an der Universität im kalifornischen Berkeley, und sein Doktorand David Quist hatten sechs Maisproben untersucht, die sie in Oaxaca, einer Gebirgsregion im südlichen Mexiko gesammelt hatten.

In vier der sechs Proben fanden Chapela und Quist Gensequenzen, wie sie typischerweise in transgenen Pflanzen verwendet werden. Diese Erbinformationen kommen etwa in insekten- oder herbizidresistenten Maissorten vor, wie sie in den USA angebaut werden.

Wenn die Befunde von Chapela und Quist richtig sein sollten - wie kommen die Gene aus gentechnisch verändertem Mais in die Landsorten in der abgelegenen Region Oaxaca? Der Anbau von transgenem Mais in Mexiko ist verboten und scheidet daher als Erklärung aus.

Zwei Hypothesen sind denkbar:

  • Transgener Pollen ist durch Wind und Luftströmungen aus den USA nach Mexiko verfrachtet worden und ist in die dort heimischen Sorten eingekreuzt worden.
    Die Angaben variieren, wie weit Maispollen durch Wind transportiert werden kann. Theoretische Berechnungen ergaben zwar Entfernungen von mehreren hundert Kilometern am Tag, doch in der Praxis konnte bei einer Untersuchung in den USA schon 300 Meter von einem Feld mit transgenem Mais entfernt keine Einkreuzung mehr nachgewiesen werden.
    Zudem ist Maispollen vergleichsweise schwer und nur etwa 24 Stunden befruchtungsfähig. Die Verfrachtungs-These erscheint daher wenig wahrscheinlich.
  • Mexikanische Landwirte haben mit aus den USA eingeführtem gentechnisch verändertem Mais weiter gezüchtet.
    Das in Mexiko von den Landwirten erzeugte Saatgut könnte demnach Gene aus GVO-Mais enthalten. Von den damit angebauten Maispflanzen erscheinen Auskreuzungen auf die Landsorten denkbar

Einkreuzung: Tatsächlich nachgewiesen oder schlampige Wissenschaft?

Unabhängig von der Suche nach möglichen Ursachen meldeten viele Wissenschaftler massive Zweifel an den Befunden von Chapela und Quist an. Kritisiert wurden vor allem fehlerhafte Untersuchungsmethoden.

  • Schon im März 2001 hatte etwa Dr. Urs Pauli vom Schweizer Bundesamt für Gesundheit darauf hingewiesen, dass die Daten nur unzureichend durch Kontrolluntersuchungen abgesichert seien.
  • Das nationale Mais- und Weizenforschungsinstitut in Mexiko (CIMMYT) verwies mehrmals auf Untersuchungen an Proben der eigenen Genbank: Weder in älteren Samenbankproben, noch in solchen, die 2000 in der Region Oaxaca gesammelt wurden, konnten Fremd-Gene gefunden werden.
  • Im August 2002 erklärten Wissenschaftler aus den USA und Kanada, dass die von Chapela und Quist zum Nachweis der Fremd-DNA verwendeten Testsonden (Primer) ungeeignet gewesen seien, um natürliche Mais-Sequenzen und Transgen-DNA eindeutig unterscheiden zu können.
  • Andere Studien, die vom Nationalen Institut für Ökologie (INE) in Mexiko in Auftrag gegeben wurden, bestätigen die Ergebnisse von Chapela und Quist. Diese Untersuchungen wurden aber noch nicht in einer anerkannten wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht. Der Präsident des INE berichtete, dass das Fachmagazin Nature den Artikel mit widersprüchlichen Begründungen zurückgewiesen habe, genau wie ähnliche Arbeiten anderer mexikanischer Wissenschaftler.

Gefahr für die Biodiversität?

Haben Chapela und Quist tatsächlich den Nachweis für das Vordringen von Transgen-DNA in Landsorten erbracht - oder war es „schlampige Wissenschaft“ (junk science)? Die Debatte ist verhärtet und kaum noch überschaubar, gespickt mit gegenseitigen Verdächtigungen. Einen neuen Versuch, mehr Klarheit zu bekommen, wagte die Nordamerikanische Kommission für Zusammenarbeit in Umweltfragen (CEC): Sie setzte im Juni 2002 eine Arbeitsgruppe mit dem Auftrag ein, den möglichen Gentransfer von transgenen Maissorten auf mexikanische Landrassen und Teosinte zu untersuchen. Dabei geht es auch um gesundheitliche und wirtschaftliche Auswirkungen und den Einfluss auf die Biodiversität. Bis Mitte 2004 soll der Abschlussreport fertig sein.

Dass Auskreuzungen von Transgenen auf landestypische Maissorten grundsätzlich möglich sind, steht für viele Wissenschaftler außer Frage. Wichtiger als den Streit fortzusetzen sind genauere Untersuchungen über deren Folgen.

Können sich die neuen Gene im genetischen Pool der regionalen Landrassen auf Dauer etablieren? Haben die Pflanzen durch eingekreuzte Transgene einen Selektionsvorteilgegenüber ihren Artgenossen? Wird dadurch die Biodiversität, die große genetische Vielfalt der mexikanischen Landrassen gefährdet? Welche Folgen hätte das?

Der Genfluss, der Austausch von Genen zwischen Kultur- und Wildsorten, ist ein natürlicher Vorgang. Gene aus konventionellen Kultursorten wandern in Landrassen und Wildpopulationen ein. Daran sind nicht nur Auskreuzungen zwischen Pflanzen benachbarter Felder beteiligt, sondern auch die traditionelle Züchtung der Landwirte. Gerade in Mexiko züchten Bauern ihre lokalen Maissorten. Dabei vermischen sich Gene verschiedener Kultur- und Landsorten. Schon immer unterliegt die genetische Ausstattung der mexikanischen Landsorten einem stetigen Wandel.

Die Vielzahl der Maisrassen in Mexiko nimmt allein durch Einkreuzungen aus Kultursorten nicht ab, so das internationale Mais- und Weizenforschungsinstitut CIMMYT. Mexiko sei nicht nur deswegen ein Ort der Biodiversität für Mais, weil dort viele Sorten „gefunden“ würden. Vielmehr sei die Vielfalt auch ein Ergebnis der züchterischen Arbeit der Bauern, die auf den Anbau unterschiedlicher Sorten Wert legten.

Die Sorten sind einem ständigen Veränderungsprozess unterworfen. Ob sich Gene aus konventionellen Hochleistungssorten oder transgenen Sorten in Landsorten dauerhaft etablieren und dadurch die Biodiversität verringern, hängt letztlich davon ab, ob sie den Nachkommen einen Selektionsvorteil verleihen. Es sind die Gene, nicht die Züchtungstechnologie, die über eine mögliche Gefährdung der Biodiversität entscheiden.

„Kontamination“ der Samenbanken?

Vor allem gentechnik-kritische Akteure sehen das anders. Sie definieren jede Einkreuzung von Transgenen als Schaden und Gefährdung der Biodiversität. So erklärte etwa das Komitee für Nichtregierungsorganisationen (NGOC) der Beratungsgruppe Internationale Agrarforschung (CGIAR), die CGIAR und ihre Zentren hätten dabei versagt, gegen die „Gentechnik- Kontaminierung“ der mexikanischen Ursprungsregion für Mais- Biodiversität vorzugehen. Die CGIAR ist ein wichtiger Zusammenschluss von öffentlichen und privaten Gebern und finanziert international sechzehn Agrarforschungszentren, unter anderem das CIMMYT. Das CIMMYT sei aufgefordert worden, die Gefahren einer Kontaminierung zu bestätigen, es habe aber stattdessen nur auf weitere wissenschaftliche Beweise gewartet.

Das CIMMYT hält dagegen, dass umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen worden seien. In die Genbanken, die zur Sicherung der genetischen Vielfalt der mexikanischen Landrassen aufgebaut wurden, werden seit letztem Jahr nur getestete Samen ohne Transgen-Sequenzen aufgenommen. Bei der Vermehrung dieser Samen werde eine Kreuzung mit unbekannten Maissorten aus der Umgebung durch aufwändige Handbefruchtung, Sicherheitsabstände und Mantelsaaten auf dem Feld verhindert.