BMELV-Forschungsprogramm zur Sicherung der Koexistenz 2008

Standorte, Versuchsanlagen, Fragestellungen, Ergebnisse

Wie kann der Anbau von gentechnisch verändertem und konventionellem Mais in räumlicher Nachbarschaft so organisiert werden, dass die GVO-Einträge unterhalb des EU-Schwellenwertes von 0,9 Prozent bleiben? Diese Frage wird im Rahmen des „Bundesforschungsprogramms zur Sicherung der Koexistenz“ untersucht, welches das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) im Jahr 2005 initiiert hat.

Die Untersuchungen im Rahmen des Forschungsprogramms werden durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Julius Kühn-Instituts (ehemals BAZ, BBA und FAL) koordiniert und durchgeführt. Im ersten Versuchsjahr wurden zunächst zwei Versuchsfeldanordnungen etabliert und drei Testsysteme überprüft. 2006 fanden an sechs Standorten vorwiegend praxisnahe Anbauversuche statt. 2007 wurden die Versuche des Vorjahres in nahezu identischer Anlage wiederholt; die Ergebnisse werden derzeit ausgewertet. Das Versuchsprogramm wird fortgeführt.

Untersuchungsziel

Ziel des Forschungsprogramms ist es, Maßnahmen zu erarbeiten, die ein verträgliches Nebeneinander („Koexistenz“) eines konventionellen, ökologischen und gentechnisch veränderte Sorten verwendenden Maisanbaus ermöglichen. Die Versuche konzentrieren sich auf tatsächlich auftretende Auskreuzungsraten, der Pollenflug wird nicht untersucht. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse werden vom BMELV genutzt, um Regeln der guten fachlichen Praxis für den Anbau gentechnisch veränderter Maissorten im Rahmen des Gentechnikgesetzes festzulegen.

Luftbild der Versuchsanlage zur Ermittlung von Mindestabständen. Groß Lüsewitz, September 2007.
Foto: H. Pienz.

Koexistenzversuche FAL BMELV 2008 Mais

Schematische Darstellung des Versuchsdesigns zur Ermittlung von Mindestabständen (getestete Abstände 51, 78, 102 m), Randeffekten und Auskreuzungsraten in Teilfelder. Verwendung des Bt-Testsystems mit Bt-Mais als Pollendonor (-spender) und der isogenen Hybride als Pollenrezipient (-empfänger).

Luftbild der Versuchsanlage zur Ermittlung des Effekts der zwischen den Maisflächen angebauten Kulturart, oben Klee/Gras-Gemisch, unten Gerstestoppel. Dahnsdorf, August 2007. Foto: Dr. Bernd Hommel.

Koexistenzversuche FAL BMELV 2008 Mais

Schematische Darstellung der Versuchsanlage zur Ermittlung des Einflusses der Drillrichtung auf die Auskreuzungsrate. Verwendung des Farbmarker-Testsystems mit Gelbmais als Pollendonor und Weißmais als Pollenrezipient.

Koexistenzversuche FAL BMELV 2008 Mais

Schematische Darstellung der Versuchsanlage zum Einfluss der Tiefe des gv-Maisfeldes auf die Auskreuzungshöhe im Rezipientenmais. Verwendung des Bt-Testsystems mit Bt-Mais als Pollendonor und der isogenen Hybride als Pollenrezipient. SG: Sommergerste als Kultur zwischen Bt-Mais und isogener Hybride.

Koexistenzversuche FAL BMELV 2008 Mais

Schematische Darstellung der ab 2008 realisierten Versuchsanlage zum Einfluss einer 9 bzw. 18 m breiten Mantelsaat am Rand des gv-Feldes. Verwendung des Bt-Testsystems mit Bt-Mais als Pollendonor und der isogenen Hybride als Pollenrezipient. KG: Klee/Gras-Gemisch als Kultur zwischen Bt-Mais und isogener Hybride.

Untersuchungsmethoden

Ort und Anlage der Versuchsfelder. Die Versuche finden 2008 an sechs Standorten statt (Braunschweig, Dahnsdorf, Forchheim, Groß-Lüsewitz, Mariensee, Sickte). Hauptstandort für die Feldversuche ist Mariensee. Zwei Versuchsfeldanlagen sind an mehreren Standorten nach einem einheitlichen Schema etabliert worden, sodass die Ergebnisse der einzelnen Standorte miteinander verglichen und gemeinsam ausgewertet werden können.

Testsysteme. Um die Auskreuzungsrate zu bestimmen, werden zwei Testsysteme eingesetzt. Wenn es um Maßnahmen (z.B. Mindestabstand) geht, die in die gute fachliche Praxis überführt werden sollen, wird prinzipiell Bt-Mais als Pollenquelle (Donor) eingesetzt. Die Auskreuzung in Testfelder mit der isogenen Sorte (Rezipient) wird mit Hilfe genetischer Analysen bestimmt. Parallel dazu wird Farbmais als GVO-freies Testsystem genutzt: Auskreuzungen lassen sich visuell als einzelne gelbe Körner an sonst weißkörnigen Maiskolben erkennen. Dieses Testsystem ist kostengünstiger, liefert jedoch aufgrund blühbiologischer Besonderheiten dieser Weißmaissorte keine exakt mit aktuellen Maissorten vergleichbaren Ergebnisse, sodass es immer nur dann zum Einsatz kommt, wenn vergleichende Untersuchungen angestellt werden (z.B. Effekt unterschiedlicher Kulturarten zwischen gv-Maisfeld und konventionellem Maisschlag).

Probenahme. In der Regel werden an vielen, über das Feld verteilten Punkten jeweils zwanzig Maiskolben als Probe entnommen, an einigen Stellen auch ganze Pflanzen in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Kolbenentnahmestellen. So wird ein Vergleich von Silo- und Körnermais ermöglicht. Alle Proben von den Versuchsflächen mit Bt-Mais als Testsystem werden von einem externen akkreditierten Labor untersucht.

Einflussfaktoren. An allen Versuchsfeldern stehen Wetterstationen, die vom Deutschen Wetterdienst betrieben und regelmäßig ausgewertet werden. So werden Windrichtung, Windgeschwindigkeit, Temperatur, Luftfeuchte, Niederschlag und Einstrahlung während der Blühperiode direkt am Untersuchungsstandort erfasst. Die Versuche zur Auskreuzung werden unter „worst-case„-Bedingungen durchgeführt, d.h. die Felder sind in Hauptwindrichtung angelegt und es werden Sortenpaare (Bt-Mais und isogene Hybride) verwendet, die nahezu synchron blühen.

Fragestellungen und Ergebnisse 2005 – 2007

2005 wurden Versuchsanordnungen und Testsysteme auf ihre Einsetzbarkeit im Rahmen von Koexistenzstudien geprüft und bewertet. Auf Basis dieser Ergebnisse folgten 2006 und 2007 weitere praxisnahe Feldversuche.

Auskreuzungsdistanz. Auf Basis von Literaturstudien wurden 2003 zunächst 50 Meter als erforderlicher Mindestabstand zur Einhaltung des EU-Kennzeichnungsschwellenwerts abgeleitet. In den Jahren 2005 und 2006 wurden deshalb verschiedene Abstände um diesen Wert herum experimentell untersucht (24, 51, 78 Meter). Die Versuche, die teilweise bei konstantem Wind aus der Hauptwindrichtung stattfanden, zeigten, dass selbst bei 78 Metern Distanz im Randbereich des konventionellen Nachbarfeldes noch Auskreuzungsraten deutlich oberhalb des Schwellenwerts auftreten können; allerdings lagen die Auskreuzungsraten im gesamten Feld bei diesem Abstand deutlich unterhalb von 0,9 Prozent.

2007 wurden die untersuchten Abstände auf 51, 78 und 102 Meter erhöht, die Ergebnisse des Jahres 2007 werden zurzeit analysiert.

Randeffekte, also höhere Auskreuzungsraten im Feldrandbereich, zeigten sich auch in den Versuchen zur Auskreuzung über große Distanzen (2005, 2006). Hier war bei 234 Metern Abstand noch eine Einkreuzung in den ersten Feldrandreihen feststellbar. In der Feldmitte lag sie aber nahe Null oder war nicht mehr nachweisbar.

2007 wurde erstmalig der inzwischen gesetzlich festgelegte Sicherheitsabstand von 150 Metern geprüft. Auch hier gab es Randeffekte, über das gesamte Feld gemittelt waren die Einkreuzungsraten aber sehr gering und deutlich unterhalb des EU-Kennzeichnungsschwellenwerts.

Zwischenkultur. Um den Einfluss der zwischen den Maisflächen angebauten Kulturart auf die Einkreuzungsrate zu untersuchen, wurde 2005 ein niedrig wachsendes Klee/Gras-Gemisch mit hoch wachsenden Sonnenblumen verglichen. Es zeigte sich, dass Sonnenblumen nicht als wirkungsvolle physikalische Barriere gegen die Pollenverdriftung wirken. Die Ergebnisse hierzu wurden inzwischen publiziert (Crop Science, Vol.48, January-February 2008).

Ab 2006 wurde Klee/Gras-Gemisch mit Getreidestoppeln verglichen. Aufgrund seiner Anbauhäufigkeit ist Getreide häufig Kulturart zwischen Maisschlägen. Abgesicherte Ergebnisse hierzu liegen noch nicht vor.

Drillrichtung. Stehen die Maisreihen quer zur Windrichtung, könnten die ersten Reihen als Barriere wirken. Bei einer Ausrichtung der Maisreihen parallel zur Windrichtung könnte dagegen mit einer weiteren Verfrachtung von Pollen in den Bestand hinein gerechnet werden. Der Versuch zum Einfluss der Drillrichtung konnte im Jahr 2006 aufgrund eines starken Befalls mit Maisbeulenbrand nicht ausgewertet werden. Erste Ergebnisse aus 2007 deuten darauf hin, dass es einen Effekt geben könnte. Um konkrete Aussagen treffen zu können, müssen die Daten allerdings durch die Ergebnisse der Folgejahre verifiziert werden. Der Versuch wird 2008 an zwei Standorten wiederholt.

Körnermais versus Silomais. Erste Untersuchungen im Jahr 2006 ergaben, dass bei Silomais der gv-Anteil wie zu erwarten geringer ist als bei Körnermais. Bei Silomais wird die gesamte Pflanze verwertet und der gv-Anteil, der sich nur aus den Körnern ergeben kann, entsprechend „verdünnt“.

Donorfeldtiefe. Der Einfluss der Größe des gv-Maisfeldes auf die Auskreuzungshöhe wird im Rahmen des Forschungsprogramms seit 2007 experimentell geprüft. Untersucht wird die Auskreuzung aus einem 75 bzw. 150 Meter tiefen Donorfeld in ein jeweils 75 Meter tiefes Rezipientenfeld. In den Folgejahren müssen die Ergebnisse des ersten Versuchsjahres abgesichert werden.

Geplante Untersuchungen 2008

2008 werden die Versuche an sechs Standorten fortgeführt, um bisherige Ergebnisse abzusichern und zusätzliche Maßnahmen wie eine Mantelsaat oder die Feldanordnung in ihrer Auswirkung auf die Auskreuzung bei Mais zu beurteilen. Auch der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand von 150 Metern wird weiterhin experimentell überprüft.

Feldanordnung. Die Anordnung der Felder in Längsrichtung oder parallel zueinander hat Auswirkungen auf die Auskreuzungsrate. Dies wird erstmals 2008 in einem Versuchsansatz nachgewiesen.

Mantelsaat. Es wird überprüft, ob und in welchem Maß der Mindestabstand gegebenenfalls durch die Anlage einer Mantelsaat am Rande des gv-Maisfeldes reduziert werden kann. Ein solcher Streifen mit konventionellem Mais wird unmittelbar an der dem konventionellen Bestand zugewandten Feldkante des Bt-Maisfeldes angelegt. In der landwirtschaftlichen Praxis würde die Mantelsaat zusammen mit dem gv-Mais geerntet und entsprechend verwertet werden. Im Rahmen des Forschungsprogramms wird in diesem Jahr der Effekt einer neun bzw. 18 Meter starken Mantelsaat (entsprechend 12 bzw. 24 Maisreihen) geprüft. Der Einfluss der Mantelsaat auf die Auskreuzung soll in den kommenden Jahren quantifiziert werden.