Kommissionsbericht zu sozioökonomischen Auswirkungen

Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen: Wenig bekannt, viele vorgefasste Meinungen

Die Europäische Kommission legte in der vergangenen Woche ihren Bericht über mögliche sozioökonomische Auswirkungen des GVO-Anbaus in Europa vor. Solche Kriterien sind als Grundlage für die nationale Regelung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen in der Diskussion. Der Bericht beruht auf Informationen, die von den Mitgliedsstaaten übermittelt wurden. Laut Kommission wurde deutlich, dass die bisher vorliegenden Informationen häufig statistisch nicht abgesichert sind und vorgefasste und subjektive Meinungen über den GVO-Anbau dominieren. In den wenigen Ländern, in denen ein GVO-Anbau stattfindet oder stattfand, zeigte sich ein positiver ökonomischer Nutzen beim Anbau von Bt-Mais und herbizidtoleranten Sojabohnen. Die Kommission empfiehlt Methoden zu entwickeln, um sozioökonomische Auswirkungen des GVO-Anbaus einheitlicher erfassen zu können.

john dalli

EU-Verbraucherschutz- kommissar John Dalli: „Ich glaube, dass der Bericht eine echte Chance bietet… bewusst eine objektive Diskussion über die mögliche Rolle sozioökonomischer Faktoren beim Management des GVO-Anbaus in der Europäischen Union auf den Weg zu bringen.“

Der Sozioökonomiebericht der Kommission geht auf eine entsprechende Aufforderung des Rates für Umwelt aus Dezember 2008 zurück. Die Kommission wandte sich daraufhin mit einem Fragebogen an die Mitgliedsstaaten. Aufgrund der geringen Anbauflächen für gv-Pflanzen in Europa sind die von den Mitgliedsstaaten übermittelten Daten, so die Kommission, statistisch häufig nicht abgesichert. Die verfügbaren Informationen über messbare ökonomische Auswirkungen kommen aus den wenigen Anbauländern in der EU. Bisher fand nur in sieben Mitgliedsstaaten ein Anbau von gv-Pflanzen statt. Beim Anbau von insektenresistentem Bt-Mais (Spanien, Portugal, Rumänien und Tschechien) wurden in Gebieten mit Maiszünsler-Befall Ertragssteigerungen von sieben bis 12,5 Prozent erzielt. Nach Angaben von Rumänien lieferten gentechnisch veränderte Sojabohnen ein Ertragsplus von durchschnittlich 31 Prozent gegenüber dem konventionellen Anbau. Mit dem Beitritt des Landes zur Europäischen Union musste der Anbau eingestellt werden, da diese gv-Sojabohne in der EU nur für den Import als Futter- und Lebensmittel, aber nicht für den Anbau zugelassen ist.

Die Mitgliedsstaaten übermittelten teilweise sehr divergente Positionen. Diese betrafen vor allem Machbarkeit und Kosten der Koexistenz von gentechnisch veränderten und herkömmlichen Produkten in der gesamten Warenkette. Weitere Eingaben beschreiben mögliche Folgen für die Biodiversität und die Marktattraktivität von Produkten sowie Änderungen in den Ackerbauverfahren. Bei vielen dieser Beiträge sah die Kommission „geringe Kenntnisse der Fakten über den europäischen Zusammenhang“. Sozioökonomische Auswirkungen auf das eigene Land wurden in vielen Fällen lediglich aus Literaturdaten und aus den Erfahrungen von Drittländern gefolgert. Angaben zu Auswirkungen auf nachgelagerte Abschnitte der Produktionskette (z.B. Verkehr, Versicherungen, Verwaltung, Arbeit und Verbraucherentscheidungen) beruhten dabei meistens auf Meinungen und nicht auf wissenschaftlich bzw. statistisch belegbaren Fakten.

In vielen Beiträgen der Mitgliedsstaaten kam zum Ausdruck, dass künftig bei der Bewertung von gv-Pflanzen ethische Aspekte eine stärkere Rolle spielen sollten. Auch europäische Politikbereiche wie Binnenmarkt, gemeinsame Agrarpolitik oder Umweltschutz sowie rechtliche Spielräume auf internationaler Ebene (Welthandelsrecht und das Cartagena-Protokoll über Biosicherheit) sollten stärker berücksichtigt werden.

Um einige Datenlücken zu schließen, flossen in den Bericht auch Informationen aus der internationalen wissenschaftlichen Literatur zu sozioökonomischen Bewertungen ein. Diese Daten beschreiben hauptsächlich die ökonomischen Auswirkungen auf der Ebene der Landwirtschaftsbetriebe. Die internationale Auswertung der Daten zeige, dass Bt-Pflanzen für Landwirte in Industrie- und Entwicklungsländern kommerzielle Vorteile haben können. Diese resultieren aus höheren Ernteerträgen und einer Reduktion von chemischen Pflanzenschutzmaßnahmen. Kleinbauern profitierten tendenziell mehr von Bt-Kulturpflanzen als Landwirte mit großen Flächen in Industrieländern. Herbizidtolerante gv-Pflanzen hingegen führten mit Ausnahmen kaum zu Ertragsgewinnen. Der Erfolg dieser Pflanzen beruhe hauptsächlich auf einer verbesserten Unkrautkontrolle, einer einfacheren Feldbewirtschaftung, pfluglosen Anbaumethoden sowie Zeiteinsparungen.

Studien zu ökonomischen Auswirkungen auf die nachgelagerte Warenkette bis hin zum Verbraucher gebe es laut EU-Bericht kaum. Die verfügbaren Studien dazu beruhten auf ökonomischen Modellrechnungen und die Ergebnisse gingen weit auseinander.

Informationen über die sozialen Auswirkungen des GVO-Anbaus in der Lebensmittelkette liegen nur in Einzelfällen vor. Zudem gebe es kaum Erfahrungen mit Methoden zur Prognose der sozioökonomischen Auswirkungen bereits vor der Zulassung neuer GVO-Pflanzen.

Die Kommission empfiehlt daher, verlässlichere Faktoren und Indikatoren zu entwickeln, um sozioökonomische Auswirkungen des GVO-Anbaus in den Mitgliedsstaaten und der Lebensmittelkette einheitlich erfassen zu können. Auch sollte darüber nachgedacht werden, wie ein erweitertes Verständnis über sozioökonomische Aspekte bei der Regelung des GVO-Anbaus genutzt werden könnte. Laut EU-Kommissar John Dalli biete der Bericht „eine echte Chance, nun eine objektive Diskussion über die mögliche Rolle von sozioökonomischen Faktoren beim Management des GVO-Anbaus auf dem Weg zu bringen“.