Nach dem Honig-Urteil des EuGH:

Gentechnisch veränderte Pflanzen im Freiland nicht mehr möglich?

Pollen von gentechnisch veränderten (gv-) Pflanzen im Honig ist eine Lebensmittelzutat, die einer Zulassung bedarf. So urteilte in der vergangenen Woche der europäische Gerichtshof (EuGH). In ersten Stellungnahmen von Politikern und Verbänden wird das Urteil einhellig begrüßt, da es endlich Rechtssicherheit schaffe. Die Einschätzungen über mögliche Folgen fallen hingegen unterschiedlich aus. Während etwa der bayerische Umweltminister Markus Söder (CSU), verschiedene Umweltverbände sowie auch der Deutsche Imkerbund Sicherheitsabstände von drei bis zehn Kilometern zwischen Bienenstöcken und Feldern mit gv-Pflanzen fordern, haben Teile der Imkerschaft sowie auch der Honig-Verband Sorge, dass das Urteil vielen Imkern die Existenzgrundlage entziehen könnte.

Ilse Aigner

Bundeslandwirtschafts- ministerin Ilse Aigner: „Wir werden auch die geltenden Koexistenzregeln auf den Prüfstand stellen müssen, also die Frage der Sicherheitsabstände zwischen gentechnisch veränderten Pflanzen und Pflanzen aus konventionellem oder ökologischem Anbau.“
Foto: Matzerath / BMELV

Honig

Pollen im Honig gilt nach dem Urteil des EuGH nun als Lebensmittelzutat und gehört deshalb auf die Zutatenliste.

Honigbiene an einer Rapsblüte

Bienen kümmern sich nicht um Ackergrenzen. Ein Imker aus Bayern hatte 2007 in seinem Honig Pollen des gentechnisch veränderten Bt-Maises MON810 nachweisen können, der auf einem Versuchsfeld in der Nähe seiner Bienenstöcke angebaut wurde. Der Imker vernichtete seinen Honig als nicht verkehrsfähig und zog vor Gericht. Der EuGH bestätigte nun mit seinem Urteil, dass der Honig nicht verkehrsfähig war.

Pollen im Honig war bislang ein lebensmittelrechtlich nicht eindeutig geregelter Sonderfall. Er galt als natürlicher Bestandteil des Honigs, der zufällig bei der Honigproduktion im Bienenstock hineingerät. Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen wurde allenfalls als zufällige, technisch unvermeidbare Beimischung aufgefasst. Das ist nun anders. Pollen im Honig ist laut EuGH-Urteil zwar kein gentechnisch veränderter Organismus (GVO), da nicht mehr vermehrungsfähig, aber er ist eine Zutat, die „aus einem GVO hergestellt“ wurde. Dabei ist unerheblich, ob der Pollen dem Honig absichtlich hinzugefügt oder zufällig eingetragen wurde.

Die Aufwertung von Pollen zu einem Lebensmittel hat zur Konsequenz, dass Honig mit Pollen von gv-Pflanzen unter das Gentechnikrecht für Lebens- und Futtermittel fällt. Solcher Honig ist folglich nur dann verkehrsfähig, wenn der entsprechende GVO als Lebensmittel zugelassen ist. Für alle nicht zugelassenen GVO gilt die „Nulltoleranz“. Was dies für den erheblichen Anteil an Importhonigen vor allem aus Argentinien und weiteren südamerikanischen Ländern bedeutet, ist noch nicht absehbar. Die Einschätzungen hierzu reichen von „keine Konsequenzen“ bis hin zu „faktischem Importverbot“. Der Honig-Verband geht davon aus, dass „beim allergrößten Teil der Honige die Pollen aus in der EU als Lebensmittel zugelassenen gv-Pflanzen stammen“.

Für in Deutschland erzeugte Honige sind keine Auswirkungen zu erwarten, da keine gv-Pflanzen kommerziell angebaut werden. Anders bei Honigen aus europäischen Ländern vor allem aus Spanien, wo der in der EU für den Anbau zugelassene Bt-Mais MON810 auf etwa 80.000 Hektar wächst. Bestimmte Produkte wie Maismehl oder Maisstärke aus MON810-Mais wurden zwar nach altem Gentechnikrecht als Lebensmittel zugelassen, nicht aber explizit der Maispollen. Deshalb gilt für MON810-Maispollen jetzt Nulltoleranz bis die laufende Neuzulassung abgeschlossen ist.

Was dies für die Imker bedeutet und wie man zu praktikablen Nachweisverfahren kommen kann, bleibt abzuwarten. Gekennzeichnet werden muss Honig, der Pollen von zugelassenen gv-Pflanzen enthält, nur dann, wenn der Anteil des gv-Pollens am Gesamtpollen über dem Kennzeichnungsschwellenwert von 0,9 Prozent liegt. Und dies sollte in den meisten Fällen nicht der Fall sein.

Dass Pollen nun als Lebensmittel eingestuft wird, lässt über die Gentechnik-Problematik hinaus für Imker und Lebensmittelwirtschaft weitreichende Folgen erwarten. Pollen muss zukünftig in der Zutatenliste aufgeführt werden, das bedeutet, dass jeder Honig auf Pollen analysiert werden muss. Möglicherweise muss auf die Allergenität bestimmter Pollen wie z.B. Haselnusspollen hingewiesen werden. Auf jeden Fall kommen auf die Imker noch nicht absehbare finanzielle Belastungen sowie auch haftungsrechtliche Konsequenzen zu.

Drei, fünf oder zehn Kilometer

Kaum war das EuGH-Urteil veröffentlicht, kündigte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner an, die aktuell geltenden Sicherheitsabstände müssten auf den Prüfstand. Der Bayerische Umweltminister Markus Söder wurde konkreter und forderte drei Kilometer Sicherheitsabstand zwischen Bienenstöcken und Feldern mit gentechnisch veränderten Pflanzen. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Naturschutzbund Deutschland (NABU) fordern mindestens fünf Kilometer und der Präsident des Deutschen Imkerbundes, Peter Maske, sogar zehn Kilometer. „Diese Anbautechnik dürfte dann für Landwirte nicht mehr interessant und umsetzbar sein“, so Maske.

Bislang gelten nach den Regeln der Guten fachlichen Praxis für Mais Abstände von 150 bzw. 300 Metern zwischen Feldern mit gv-Mais und konventionellem Mais bzw. ökologisch bewirtschafteten Maisfeldern. Mit der für den Herbst angekündigten Novelle des Gentechnikgesetzes ist nun zu erwarten, dass diese Abstandsregelungen neu bewertet werden. Außerdem soll den Bundesländern ermöglicht werden, eigene Abstandsregelungen festzulegen. „Wir wollen selbst entscheiden, was auf bayerischen Äckern und bayerischen Feldern angebaut wird“, betont Söder. Schließlich sei Bayern schon seit 2010 gentechnikanbaufrei.

Einzig aus Sachsens Umwelt- und Agrarministerium sind andere Töne zu hören. Sachsen will trotz Honigurteil nicht dem Netzwerk gentechnikfreier Regionen beitreten. Nutzen und Risiken der Gentechnik seien im Einzelfall abzuwägen. Landwirte sollen auch weiterhin Wahlfreiheit haben.

Das EuGH-Urteil dürfte weniger den kommerziellen Anbau betreffen, da seit dem Anbauverbot für MON810-Mais 2009 ohnehin keine gv-Pflanzen mehr angebaut werden. Allerdings werde es für Freilandversuche nun „ungemütlich“, so der NABU, da sie weitläufig von Bienenstöcken abgeschirmt werden müssten. Es dürfte in der Tat in Zukunft schwieriger werden, Freilandversuche überhaupt noch durchzuführen, wenn die beteiligten Wissenschaftler damit riskieren, für die theoretische Möglichkeit einzelner gv-Pollenkörner im Honig haftbar gemacht zu werden.