EU-Ratspräsidentschaft:

Frankreich will Zulassung von GVOs neu ordnen

Nachdem beide Kammern des französischen Parlaments Ende Mai ein neues Gesetz zur Gentechnik verabschiedet haben, will Frankreich nun mit seiner am 1. Juli beginnenden EU-Ratspräsidentschaft auch auf europäischer Ebene das Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Organismen neu diskutieren.

Jean-Louis Borloo, französischer Umweltminister: Das neue nationale Gentechnikgesetz erlaube es, die Biotechnologie weiter zu entwickeln und gleichzeitig den „Respekt gegenüber der öffentlichen Gesundheit, der Umwelt und der französischen Landwirtschaft zu wahren“.

Anfang Juni hatte der französische Umweltminister Jean Louis Borloo seinen 26 EU-Amtskollegen deutlich gemacht, in welche Richtung die französische Initiative mit der EU-Ratspräsidentschaft ab 1. Juli zielt. So will sich Frankreich dafür einsetzen, dass gentechnisch veränderte Organismen (GVO) künftig umfassender auf mögliche Folgewirkungen für Mensch und Umwelt überprüft und die Auffassungen der EU-Mitgliedstaaten stärker in den Stellungnahmen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) berücksichtigt werden. Zugleich will Frankreich die seit Jahren stockende Diskussion um einen Schwellenwert für die Kennzeichnung von genetisch veränderten Bestandteilen im Saatgut wiederbeleben. Eine weitere Forderung: Mitgliedsländern soll die Möglichkeit eingeräumt werden, den Anbau bereits genehmigter gv-Sorten in ihren jeweiligen Ländern unter Berücksichtigung besonderer Ökosysteme, der Landwirtschaft und Geographie zu beschränken.

Offen bleibt, wie Frankreich seine Forderungen konkret umsetzen will. Die geltenden Gesetze zu novellieren, würde jedenfalls einen langjährigen Gesetzgebungsprozess in Gang setzen - mit ungewissem Ausgang. Hintergrund ist, dass bislang noch nie eine qualifizierte Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten für oder gegen die Zulassung von bestimmten gentechnisch veränderten Pflanzen erzielt worden ist. Die EU-Kommission musste deshalb stets selbst über die eigenen Zulassungsvorschläge auf Grundlage der EU-Freisetzungsrichtlinie und der Verordnung über gv-Lebens- und Futtermittel entscheiden. Offenbar sind jedoch immer weniger EU-Mitgliedsstaaten mit dem bisherigen Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Organismen einverstanden.

Auch die Arbeitsweise der EFSA wurde in den vergangenen Monaten zunehmend hinterfragt. So hatte der deutsche Landwirtschaftsminister Horst Seehofer angemahnt, die Behörde müsse unabhängiger werden, nach dem Beispiel der europäischen Arzneimittelagentur EMEA. Mit Blick auf die seit Monaten ausstehende Zulassung der gentechnisch veränderten Industriekartoffel Amflora wird zudem vermutet, auch Umweltkommissar Stavros Dimas könnte die neue Grundsatzdebatte über die Zulassungsvoraussetzungen von GVOs abwarten, bevor eine Entscheidung getroffen wird.

Auswirkungen auf die Umwelt stärker berücksichtigen

In einem Hintergrundpapier hat die französische Regierung bereits deutlich gemacht, wohin sie die europäische Gentechnikpolitik steuern will. So solle die Bewertung von insektenresistenten und herbizidtoleranten Pflanzen, beispielsweise die Auswirkungen ihres Anbaus auf Nicht-Zielorganismen, stärker an die Bewertungskriterien für Pflanzenschutzmittel angepasst werden. Ferner sollen nach den Vorstellungen Frankreichs bei der Risikobewertung von GVOs auch ökonomische Kriterien, agronomische Auswirkungen sowie die Folgen auf die verschiedenen Produktionsarten berücksichtigt und „eine Methode zur Bewertung des Nutzens von GVOs“ geschaffen werden. Gesundheits- und Umweltschutz sollen weiterhin das Hauptkriterium für die Genehmigung von GVOs bilden.

Gentechnikgesetz: Allgemeine Vorgaben zur Koexistenz

Nach monatelangen kontroversen Debatten hatten Ende Mai beide Kammern des französischen Parlaments das nationale Gentechnikgesetz verabschiedet. Das Gesetz spreche sich weder für noch gegen den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen aus, sagte Frankreichs Umweltminister Jean-Louis Borloo. Es erlaube, die Biotechnologie weiter zu entwickeln und gleichzeitig den „Respekt gegenüber der öffentlichen Gesundheit, der Umwelt und der französischen Landwirtschaft zu wahren“.

Das in Frankreich verabschiedete Gentechnikgesetz sieht unter anderem vor, dass gentechnisch veränderte Pflanzen nur im Einklang mit der Umwelt, der öffentlichen Gesundheit und dem jeweiligen Ökosystem am Anbaustandort genutzt werden dürfen. Landwirte, die den Anbau von gv-Pflanzen planen, müssen benachbarte Landwirte darüber informieren sowie die Lage der dafür vorgesehen Felder den zuständigen Behörden mitteilen. Die Behörden führen ein Standortregister, in dem alle Anbauflächen öffentlich aufgeführt werden.

Analog zum deutschen Gentechnikgesetz enthält auch das französische Gesetz generelle Vorgaben zur Koexistenz von gentechnisch veränderten und konventionellen Ackerkulturen. Das Landwirtschaftsministerium soll auf dem Verordnungsweg konkretere, kulturartenspezifische Anbaubestimmungen wie Mindestabstände erlassen. Die Abstände sollen so gewählt werden, dass eventuelle Einträge von gv-Pflanzen in konventionelle Ernten unter dem EU-weiten Schwellenwert von 0,9 Prozent bleiben, ab dem Produkte mit GVO-Bestandteilen als solche gekennzeichnet werden müssen. Sollten die Erntprodukte eines benachbarten konventionell wirtschaftenden Landwirtes dennoch einen GVO-Anteil über 0,9 Prozent aufweisen und kennzeichnungspflichtig werden, so muss der GVO-Anbauer für eventuell daraus resultierende Einkommenseinbußen haften. Ein Landwirt, der den Anbau von gv-Pflanzen plant, muss für diesen Fall vorab eine finanzielle Absicherung wie etwa eine Haftpflichtversicherung abschließen.

Das Gesetz verlangt zudem, dass die Produktion und Vermarktung von Produkten mit der speziellen Bezeichnung „ohne gentechnisch veränderte Organismen“ weiter möglich sein soll. Da für den Begriff „ohne gentechnisch veränderte Organismen“ auf europäischer Ebene keine Definition existiere soll in Frankreich ein eigener Schwellenwert für GVO-Bestandteile in Produkten mit dieser Bezeichnung geschaffen werden.

Schutz für regionaltypische Produkte mit AOC-Siegel

Das Gesetz ermöglicht zudem die Beschränkung für den Anbau von gv-Sorten in Gebieten, in denen regionaltypische Produkte mit kontrollierter Herkunftsbezeichnung (Appellation d òrgine controllée, AOC) angebaut werden. Das AOC-Siegel ist in Frankreich weit verbreitet. Unter anderem sind rund 400 Weine damit ausgezeichnet, die etwa 40 Prozent der französischen Rebflächen ausmachen. Der Anbau in Nationalparks und regionalen Naturparks kann untersagt werden.

Teil des Gesetzes ist auch ein so genanntes Zerstörungsdelikt: Künftig kann die Vernichtung oder Beschädigung von gv-Pflanzenparzellen mit bis zu zwei Jahren Gefängnis und 75 000 Euro Strafe geahndet werden.

Am 19. Juni hat das französische Verfassungsgericht einen Einspruch der Oppositionsparteien gegen das Gesetz in den wesentlichen Punkten abgelehnt, so dass es in Kürze im offiziellen Amtsblatt veröffentlicht und in Kraft treten wird.

Unabhängig von der Novellierung des Gentechnikgesetzes bleibt in Frankreich das geltende Anbauverbot von MON810 zunächst bestehen. Da die von Frankreich bei der EFSA angeforderte Risikobewertung noch nicht vorliege, halte Frankreich am Vorsorgeprinzip und der in der EU-Freisetzungsrichtlinie verankerten Schutzklausel fest, hieß es. Mit einer Entscheidung über das Anbauverbot wird nicht vor Ende 2008 gerechnet.

2007 wurde in Frankreich auf einer Anbaufläche von rund 21000 Hektar ausschließlich gv-Mais zu kommerziellen Zwecke angebaut. Für wissenschaftliche Versuche war eine Fläche von insgesamt 40 000 Quadtratmeter genehmigt, vornehmlich zum Anbau von gv-Mais, aber auch von Pappeln, Tabak und Wein.