Schleswig-Holstein startet Initiative für ein neues Gentechnikgesetz

Kiel geht voran

(11.7.) Die Landesregierung von Schleswig-Holstein hat heute im Bundesrat einen Antrag zur Änderung des Gentechnikgesetzes eingebracht. Ziel ist nach Angaben des Kieler Umweltministers Klaus Müller, die Wahlfreiheit der Verbraucher und der Landwirtschaft zu sichern sowie die Koexistenz von Anbauverfahren mit und ohne Gentechnik zu ermöglichen.

EU-Richtlinie umsetzen

Dazu soll vor allem die EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18 in Deutschland rasch umgesetzt werden. Hier ist die Bundesrepublik seit Oktober 2002 im Verzug. Ein Vertragsverletzungsverfahren wurde von der Europäischen Kommission bereits eingeleitet. Die Kieler Landesregierung schlägt jedoch auch zusätzliche Regelungen zur Koexistenz und zur Haftung vor. Leitgedanke ist das Verursacherprinzip: Landwirte, die gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen, sollen deren Ausbreitung sowie transgene Auskreuzungen „soweit wie möglich“ begrenzen müssen. Die „gute fachliche Praxis des gentechnischen Anbaus“ soll in einer Verordnung definiert werden.

Polleneintrag = Sachbeschädigung

Wird dennoch beispielsweise Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen auf ein angrenzendes Feld getragen und dessen Nutzung dadurch eingeschränkt, soll der Gentechnik-Anwender für den Schaden aufkommen müssen. Der Eintrag von Pollen gentechnisch veränderter Pflanzen würde als Sachbeschädigung gelten.

  • Dazu soll § 1 des Gentechnikgesetzes so gefasst werden, dass Sachgüter künftig „in ihrer Substanz und ihren Funktionen“ vor möglichen Gefahren gentechnischer Verfahren und Produkte zu schützen sind.
  • Zudem soll die Haftung gemäß § 32 auf Schäden an der „Substanz oder Funktion“ einer Sache erweitert werden.

Zur Erläuterung heißt es in dem Antrag, nach der bisherigen Rechtssprechung der Verwaltungsgerichte umfasse der Eigentumsschutz nicht die Abwehr transgener Einkreuzungen, wenn damit keine weiteren gentechnikspezifischen schädlichen Veränderungen verbunden seien.

Öffentliches Anbauregister

Ein weiterer Kernpunkt der schleswig-holsteinischen Initiative ist die Einführung eines öffentlichen Anbauregisters. Wer gentechnisch verändertes Saatgut ausbringen will, soll dies vor der Aussaat unter Angabe der Flurstücke bei einer zentralen Erfassungsstelle anmelden müssen. Dies soll nachbarschaftliche Absprachen unter den Landwirten erleichtern, heißt es in der Begründung des Gesetzesantrags. Die vom Bundestag gerade beschlossene Änderung der Zuständigkeiten für GVO-Genehmigungen wird von dem schleswig-holsteinischen Entwurf aufgegriffen.

Beschleuniger

Der Bundesrat hat den Kieler Gesetzesantrag an seine Fachausschüsse überwiesen. Deren Aufgabe ist es, eine Empfehlung für eine Entscheidung über den Antrag auszuarbeiten. Es ist jedoch eher unwahrscheinlich, dass die Initiative tatsächlich zu einer Änderung des Gentechnikgesetzes führt.

Ihre Bedeutung liegt eher in der politischen Symbolik: Rot-Grün in Kiel übt freundschaftlichen Druck aus auf Rot-Grün in Berlin, endlich die bereits mehrfach angekündigte große Novelle des Gentechnikgesetzes vorzulegen. Bis zum Herbst soll nun der Entwurf der Bundesregierung vorliegen. Die Zeit drängt. Die Bundesregierung hinkt nicht nur mit der Umsetzung der geänderten EU-Freisetzungsrichtlinie hinterher. Handlungsbedarf besteht auch, weil die Europäische Kommission das Moratorium für die Neuzulassung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in diesem Jahr aufheben möchte. „Ich hoffe, dass wir mit unserem Gesetzentwurf dazu beitragen, den Prozess zur Umsetzung der Freisetzungsrichtlinie zu beschleunigen“, erklärte der Kieler Umweltminister Müller in Berlin.