Neues Gentechnik-Gesetz

Kompromiss im Kabinett

(13.01.) Nach monatelangem Streit haben sich die zuständigen Bundesministerien auf ein neues Gentechnik-Gesetz verständigt. Damit wird nicht nur die überfällige Umsetzung der EU-Richtlinien in deutsches Recht endlich vollzogen, sondern auch Regeln zur Koexistenz aufgestellt. Agro-Biotechunternehmen begrüßten den Kompromiss, Umwelt- und Verbraucherverbände übten heftige Kritik.

Bis Mitte Februar will das Bundeskabinett nun über das neue Gentechnik-Gesetz beschließen. Da auch die Bundesländer zustimmen müssen, dürfte es nicht vor Herbst 2004 rechtskräftig werden. Das Gesetz bildet einen Rechtsrahmen für den Anbau von gv-Pflanzen in Deutschland.

Man habe der „Macht des Faktischen etwas entgegen gesetzt“, sagte die zuständige Verbraucherschutzministerin Renate Künast bei der Vorstellung der Eckpunkte des neuen Gesetzes in Berlin. Die Abstimmung zwischen den Bundesressorts sei weitgehend im Sinne ihres Ministeriums (BMVEL) abgeschlossen worden.

Noch vor Weihnachten lagen die Positionen der grünen Regierungsmitglieder und die der SPD-geführten Ministerien für Wirtschaft und Forschung weit auseinander. Unter der Regie des Bundeskanzleramtes ist nun ein Kompromiss ausgehandelt worden, bei dem beide Seiten Abstriche machen mussten.

Strittig waren vor allem Regeln für eine Koexistenz zwischen landwirtschaftlichen Anbausystemen mit und ohne Gentechnik. Während die Bestimmungen zur Freisetzung und zum Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen (GVOs) im Kern die europäischen Vorgaben umsetzen, ist bei der Koexistenz der nationale Gestaltungsspielraum größer. Hier hatte die EU-Kommission darauf verzichtet, verbindliche Vorgaben zu erarbeiten.

Keine eigenen Haftungsregeln

Bisher liegt der abgestimmte Entwurf des Gentechnik-Gesetzes noch nicht vor. Einige Eckpunkte sind jedoch bereits bekannt geworden.

  • Es wird keine spezifischen Haftungsregeln beim Anbau von gv-Pflanzen geben. Konflikte sollen nach den geltenden Vorschriften des Zivilrechts geregelt werden. Bei Auskreuzungen von gentechnisch veränderten auf konventionelle Pflanzen hat der „ohne Gentechnik“ wirtschaftende Landwirt nur dann Anspruch auf Entschädigung, wenn dadurch wirtschaftliche Verluste eingetreten sind, etwa durch geringere Erlöse infolge kennzeichnungspflichtiger GVO-Anteile. Auskreuzungen sind zwar zu minimieren, werden jedoch nicht generell als Schaden gewertet.
  • Bei Auskreuzungen, die wirtschaftliche Schäden hervorrufen, haftet der GVO-anbauende Landwirt. Kommen mehrere GVO-Landwirte als Verursacher in Betracht, ist eine gesamtschuldnerische Haftung möglich. Der Hersteller des GVO-Saatgutes haftet nur, wenn er gegen das Kennzeichnungsgebot verstoßen hat.
  • Der „ohne Gentechnik“ wirtschaftende Landwirt muss mögliche „Verunreinigungen“ gegenüber dem GVO-anbauenden Nachbarn nachweisen und die Kosten für die dazu notwendigen Analysen tragen.
  • Zwischen GVO- und konventionellen Feldern werden Abstandsflächen und Schutzhecken vorgeschrieben.
  • Felder, die mit gv-Pflanzen bestellt werden, sind in ein Standortregister einzutragen. Einsicht erhalten jedoch nur Personen, die ein Interesse nachweisen können.
  • Es ist nicht möglich, gentechnikfreie Zonen verbindlich vorzuschreiben.
  • In der Nähe „ökologisch sensibler Gebiete“ ist der Anbau von gv-Pflanzen anzeigepflichtig.

Anders als von den Grünen gefordert wird die Förderung der Gentechnik als Gesetzeszweck nicht völlig gestrichen. Eine Förderung der Gentechnik soll künftig nur dann zulässig sein, wenn Verbraucherschutz, ethische Werte, das Vorsorgeprinzip und Umweltaspekte beachtet werden.

Lob und Tadel

Vor allem von Gentechnik-kritischer Seite wird der ausgehandelte Kompromiss heftig kritisiert. Das Gesetz sei eine „Zumutung, weil es keine Vorfahrt für die gentechnikfreie Landwirtschaft schaffe“, monierte Greenpeace. Edda Müller, Vorsitzende des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) meint, „von einer Wahlfreiheit zwischen Gentechnik und gentechnikfreien Lebensmitteln könne keine Rede mehr sein“.

Bauernverbandpräsident Sonnleitner wiederholte sein Forderung, Koexistenzregeln erst nach einem Praxistest mit gv-Pflanzen festzulegen.

Das Biotech-Unternehmen BayerCropScience begrüßte, dass mit dem Gentechnik-Gesetz endlich die EU-Freisetzungsrichtlinie umgesetzt werde. Es werde jedoch nicht dazu führen, dass es nun rasch zu vermehrten Freisetzungsaktivitäten oder einem Anbau von gv-Pflanzen kommt. Als „Kurskorrektur in der Grünen Gentechnik“ wertete der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) die Einigung im Bundeskabinett.