Rot-Grün teilt das Gentechnik-Gesetz

Haftung und Anbauregister ohne den Bundesrat

(17./18.06.)Die Regierungskoalition hat das Gentechnik-Gesetz in zwei Teile aufgesplittet, um damit bei zentralen Fragen des Anbaus von gv-Pflanzen die Zustimmung des Bundesrates zu umgehen. Bei der Haftung im Fall von GVO-Einträgen in konventionellen Pflanzen und beim Anbauregister kann die Regierung mit ihrer Mehrheit im Bundestag nun ihre Vorstellungen durchsetzen. Die Bundesländer können das Gesetz zwar verzögern, jedoch nicht verhindern.

Maisfeld

Feld mit Bt-Mais in Sachsen-Anhalt. Werden die neuen Gentechnik- Vorschriften der Bundesregierung rechtskräftig, müssen Felder, auf denen gv-.Pflanzen angebaut werden, in ein öffentliches Register eingetragen werden.

Mit den Stimmen der rot-grünen Regierungsfraktionen hat der Bundestagsausschuss für Verbraucherschutz am Mittwoch (16.6.) einen substanziell geänderten Entwurf zur Novellierung des Gentechnik-Gesetzes passieren lassen. Den ersten von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf hatte die Koalition vorher so umformuliert und gekürzt, dass der Bundesrat nicht mehr zustimmen muss.

Zwei Tage später hat der Bundestag den verbleibenden Teil in zweiter und dritter Lesung verabschiedet. Er enthält unter anderem Regeln zur Haftung, und zur Einführung eines öffentlichen Standortregisters. In beiden Punkten wurde der ursprüngliche Textentwurf der Bundesregierung deutlich verschärft.

Die Opposition reagierte empört, da ihr der vierzig Seiten umfassende Änderungsentwurf erst wenige Stunden vor der Abstimmung im Ausschuss zugeschickt worden war. Als die Regierungsfraktionen im zuständigen Verbraucherschutz-Ausschuss es ablehnten, die Abstimmung über die Gesetzes-Änderung um einen Tag zu verschieben, verließen die Abgeordneten der Oppositionsfraktion unter Protest die Sitzung.

Mit der Aufspaltung der zustimmungspflichtigen Passagen des Gentechnik-Gesetzes geht es Rot-Grün vor allem um einen „Beschleunigungseffekt“. Der ursprüngliche Entwurf der Bundesregierung hätte kaum eine Mehrheit im Bundesrat gefunden. Bei zahlreichen Vorschriften liegen die Positionen von Bundesregierung und den Ländern zu weit auseinander. So hatte der Bundesrat in einer Stellungnahme Anfang April etwa hundert Änderungen am Gesetzestext gefordert. Ein Teil davon wurde in den jetzt verabschiedeten Text übernommen.

Bei Haftung und Koexistenz wollten sich die Regierungsparteien auf keine Kompromisse einlassen - mehr noch: Gegenüber dem ersten Entwurf haben sie die Bestimmungen noch einmal verschärft. Diese sind nun so formuliert, dass die „Belange der Bundesländer“ nicht berührt werden. Solche Gesetzesvorhaben können ohne Zustimmung des Bundesrates beschlossen werden.

Haftung: Entschädigung auch bei GVO-Einträgen unterhalb des 0,9%-Schwellenwerts

Die „abgespeckte“, nun nicht mehr zustimmungspflichtige Version des Gentechnik-Gesetzes hält am umstrittenen Grundsatz der gesamtschuldnerischen Haftung fest. Grundsätzlich haben konventionell oder ökologisch wirtschaftende Landwirte einen Anspruch auf Entschädigung, wenn GVO-Einträge eines benachbarten Feldes zu Einkommensverlusten führen. Wenn kein einzelner Verursacher ermittelt werden kann, will das Gentechnik-Gesetz die Gesamtheit der GVO-Landwirte einer Region haftbar machen, unabhängig davon, ob ein Verschulden vorliegt.

Nach dem ursprünglichen Gesetzestext konnte ein konventionell oder ökologisch wirtschaftender Landwirt nur dann Einkommenseinbußen geltend machen, wenn die GVO-Einträge in seiner Ernte über dem Kennzeichnungsschwellenwert von 0,9 Prozent lagen. Nun sollen auch geringere GVO-Anteile entschädigungspflichtig werden, wenn sie wirtschaftliche Verluste zur Folge haben.

Standortregister auf Bundesebene

Um ein öffentliches Standortregister mit allen GVO-Anbauflächen ohne Zustimmung des Bundesrates einführen zu können, hat die Bundesregierung ihr ursprüngliches Vorhaben aufgegeben, solche Register in den einzelnen Bundesländern einzurichten. Stattdessen soll es nun ein zentrales Bundesregister geben, das beim Bundesamt für Verbraucherschutz (BVL) angesiedelt wird. In einem allgemein öffentlich zugänglichen Teil werden die Flurstücke aller GVO-Felder eingetragen. Im ursprünglichen Entwurf waren nur die Gemeinden, in denen gv-Pflanzen angebaut werden, öffentlich einzusehen. Bei berechtigtem Interesse können Landwirte oder Imker in Zukunft auch Namen und Adressen von GVO anbauenden Nachbarn erfragen.

Spezielle Genehmigungsauflagen für den Anbau von gv-Pflanzen in ökologisch sensiblen Gebieten werden im Naturschutzgesetz verankert.

Regierung: "notwendig". Opposition: "unseriös"**

Die Bundestagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen halten das Gesetz in der nun vorliegenden Form für einen „großen Erfolg“. Deren Sprecherinnen Waltraud Wolff und Ulrike Höfken hoben die „zügige Umsetzung eines transparenten Standortregisters und eine umfassende Haftungsregelung für den Schutz gentechnikfreier Lebensmittelproduktion“ hervor.

Dagegen kritisierte die Opposition die kurzfristige Neuformulierung des Gesetzes als „unseriös“ und eine Missachtung des Parlaments. Bereits in der Öffentlichen Expertenanhörung am Montag war angemerkt worden, dass zu wenig Zeit bleibe, um die Stellungnahmen der Sachverständigen ausreichend zu berücksichtigen. Während der Anhörung hatten die Experten noch ausgiebig die Kriterien für eine Haftungsregelung, das Für und Wider eines Haftungsfonds und die Frage detaillierter, öffentlicher Standortregister diskutiert.

Bundesrat: verzögern, nicht verhindern

Nach der Verabschiedung im Bundestag wird der Gesetzentwurf zwar noch einmal im Bundesrat beraten. Doch auch wenn die Länder ihn ablehnen, wird letztlich die rot-grüne Mehrheit im Bundestag das Gentechnikgesetz beschließen können.

Die aus dem ursprünglichen Regierungsentwurf gestrichenen zustimmungspflichtigen Passagen sollen zu einem späteren Zeitpunkt mit der Opposition ausgehandelt werden. Sie enthalten hauptsächlich Bestimmungen zu Verfahrensabläufen und betreffen vor allem den Betrieb gentechnischer Anlagen und die Genehmigung von Freisetzungsversuchen. Aufgeschoben werden zudem Vorschriften einer „Guten Fachlichen Praxis“ für den GVO-Anbau und konkrete Umsetzungsbestimmungen zum Monitoring von gv-Pflanzen.

Ausstieg aus der Agrar-Biotechnologie?

Während die gentechnik-kritischen Umwelt- und Verbraucherverbände das verschärfte Gentechnik-Gesetz begrüßten, sehen Unternehmen und Wissenschaftler darin einen „Innovationsstopp“ und einen „praktischen Ausstieg aus der Agrar-Biotechnologie“. Die KWS Saat AG, größtes deutsches Züchtungsunternehmen, erklärte nach der Bundestagseinscheidung, „unter diesen rechtlichen Rahmenbedingungen keine Freilandversuche in Deutschland durchführen zu können.“

Auch der Deutsche Bauernverband bedauerte, dass mit dem verabschiedeten Gesetz „die Sicherung der Koexistenz, also das Nebeneinander mit und ohne gentechnisch veränderte Pflanzen, nicht erreicht worden sei.“ Durch die beschlossene Haftung entstehe für Landwirte, die gv-Pflanzen anbauen wollen, ein unkalkulierbares wirtschaftliches Risiko. „Der DBV muss deshalb jedem Landwirt von einem Anbau mit gentechnisch veränderten Pflanzen abraten.“