Pollen ohne Transgen

Plastidentransformation: Am Zellkern vorbei

Bei gentechnisch veränderten Pflanzen wird das neue Gen in die DNA des Zellkerns eingeschleust - normalerweise. Doch es gibt weitere Einheiten in der Pflanzenzelle, die Gene besitzen und diese in Proteine umsetzen: etwa die Plastiden. Bei den meisten Blütenpflanzen kommen die Plastiden nicht in den Pollenzellen vor. Indem man die Plastiden als Träger neuer Gene nutzt, kann man die neue Erbinformation damit in der Pflanze biologisch einschließen (Confinement).

Die Plastiden gehen wahrscheinlich auf ehemals frei lebende bakterienähnliche Organismen zurück, die in Urzeiten von Pflanzenzellen aufgenommen wurden. Die eingegangene Verbindung ist von gegenseitigem Vorteil: Ein Beispiel dafür sind die Chloroplasten, eine spezielle Gruppe der Plastiden, mit denen sich die Pflanze die Energie des Sonnenlichts zu Nutze macht. Umgekehrt haben die Plastiden-Vorläufer in den Zellen eine geschützte Umgebung gefunden. Ihre eigenen Gene haben sie zum Teil behalten oder im Lauf der Zeit in den Zellkern der Pflanzenzelle integriert.

Chloroplasten sind eine Gruppe der Plastiden. Dort findet die Photosynthese statt.

Regenerierter transplastomer Spross.

Plastiden verfügen über ein eigenes System, mit dem sie ihre DNA in Proteine„übersetzen“. Die DNA der Plastiden wird auch als „Plastom“ bezeichnet.

Prinzipiell ist es möglich, in das Plastom fremde (transgene) DNA einzubauen. Dazu wird das zu übertragende Gen mit Sequenzen des Plastoms „eingerahmt“. Über den Vorgang der homologen Rekombination (siehe Schaubild) wird die transgene DNA in das Plastom integriert. Anders als beim pflanzlichen Kerngenom läuft dieser Vorgang natürlicherweise ab. Die mit einer solchen Plastidentransformation veränderten Pflanzen werden als „transplastom“ bezeichnet.

In der Regel besitzen die Pollenzellen von Blütenpflanzen keine Plastiden. Ist ein Fremdgen nur im Plastom vorhanden, wird es bei der Fortpflanzung nicht weitergegeben.

Neben dem Sicherheitsaspekt, nämlich die Fremdgene in der transgenen Pflanze sicher einschließen zu wollen, ist die erhöhte Aktivität der Fremdgene in den Plastiden interessant. Der Grund liegt in ihrer hohen Anzahl: In jeder Zelle gibt es bis zu 100 Plastiden, die jeweils bis zu 100 Kopien ihres Erbgutes in sich tragen. Die gentechnisch veränderten Pflanzen enthalten auf jeder Kopie in allen Plastiden das neue Gen. Das führt dazu, dass nach erfolgreicher Übertragung eines Fremdgens fast die Hälfte aller Proteine in der Zelle von diesem Gen gebildet werden. Eine solche Produktivität ist derzeit mit klassischen Verfahren nicht zu erreichen.

Plastidentransformation: Ein nicht ganz einfaches Verfahren

Homologe Rekombination in das Plastom

Homologe Rekombination von transgener DNA in das Plastom.

Schritt 1: Die transgene DNA (rot) wird von Plastom-Sequenzen flankiert. Schritt 2 : Die Plastom-Sequenzen des Genkonstrukts lagern sich an ähnliche (homologe) DNA-Sequenzen des Plastiden an. Schritt 3 : Die transgene DNA wird in das Plastom integriert.

Zum Einführen der transgenen DNA in die Zelle bzw. die Plastiden werden bekannte Verfahren eingesetzt - etwa Transformation über Agrobakterien, Einschiessen mit der Partikelkanone oder Mikroinjektion. Wichtig ist, dass das verwendete Gewebe gut zu transformieren und zu regenerieren ist und Plastiden enthält, beispielsweise Chloroplasten. Als geeignete Gewebe wurden bisher Blätter, Mikrosporen (unreifer Pollen mit noch nicht vollständig ausgebildeten Zellwänden), unreife Embryonen oder Hypokotyle junger Sämlinge genutzt.

Die Plastidentransformation ist erheblich aufwändiger als die des Zellkerns, da sich in einer Zelle bis zu 10.000 Plastidgenome befinden. Transplastome Linien sind nur dann genetisch stabil, wenn alle Plastidenkopien uniform, also einheitlich verändert sind. Dieses Ziel wird über eine wiederholte Regeneration unter bestimmten Selektionsbedingungen erreicht. Plastidentransformation wurde bereits erfolgreich unter anderem bei Tabak, Kartoffel, Raps, Reis oder Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand) durchgeführt.

Die Plastidentransformation hat Vor- und Nachteile:

  • Die Wahrscheinlichkeit der Ausbreitung des Transgens über den Pollen wird durch Plastidentransformation verringert, da die Plastiden normalerweise nicht über den Pollen, sondern von der Mutterpflanze (maternal) vererbt werden.
  • Die Transformation und Regeneration transplastomer Pflanzen ist technisch aufwändiger. Die Transformationseffizienz ist geringer. Eine vorteilhafte hohe Expression ist auf Blattgewebe beschränkt.

In einem abgeschlossenen SiFo-Projekt konnten erste Erfolge einer Plastidentransformation bei Raps und Mais erzielt werden. Mehrere aktuelle SiFo-Projekte befassen sich mit der Plastidentransformation bei Petunie, Arabidopsis, Tabak, Mais und Raps.