Gv-Mais und biologische Vielfalt

Tortilla-Krise in Mexiko: Gv-Mais als Lösung?

In Mexiko wird der Mais knapp und die Preise für das Grundnahrungsmittel Tortillas sind kräftig gestiegen. Während die Bevölkerung auf der Straße protestiert sieht der nationale Bauernverband im Anbau von gentechnisch verändertem Mais die „ultimative Lösung“. Doch der ist seit 1998 in Mexiko, dem Land der biologischen Vielfalt für Mais, nicht erlaubt.

Mexiko ist das Ursprungsland von Teosinte, der Urform des heutigen Mais. Nirgendwo auf der Welt wachsen mehr wilde und kultivierte Sorten. Solche genetische Vielfalt zu schützen ist eines der Ziele der 1992 in Rio verabschiedeten Konvention zur Biologischen Vielfalt (Biodiversity Convention). Darin haben sich die Vertragsstaaten verpflichtet, bei der Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen Umweltauswirkungen zu vermeiden, welche den Erhalt und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt beeinträchtigen könnten. Die mexikanische Regierung hat daher 1998 vorsorglich ein Anbaumoratorium für gv-Mais verhängt.

Vielfalt der Maissorten. Ernte eines Maisbauern im Hochland von Zentralmexiko.

Von Teosinte zum Hybridmais: Die Ureinwohner Mexikos entwickelten über Jahrtausende aus der Grassorte Teosinte durch Kreuzung und Selektion die Vorläufer der heutigen Maissorten.

Wildformen von Mais auf einem Feld in Michoacon, Mexiko. Bisher gibt es keine konkreten Hinweise, dass die Nutzung von Kultursorten zu einer Verdrängung von Wild- und Landsorten führen könnte.

Fotos; Hugh Iltis, John Doebly, Doebley Lab, Department of Genetics, University of Wisconsin-Madison

Die Befürchtung, gv-Mais könne in mexikanische Wild- und Landsorten einkreuzen, schien sich 2001 zu bestätigen. Damals hatten David Quist und Ignacio Chapela, zwei kalifornische Wissenschaftler im Fachmagazin Nature einen kurzen Artikel veröffentlicht, in dem sie berichteten, in Maissorten einer entlegenen Region Spuren von gv-Mais gefunden zu haben. Der Artikel löste heftige wissenschaftliche und politische Debatten aus, mindestens zwei weitere Studien kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Andere Wissenschaftler zogen die Nachweismethodik von Quist und Chapela in Zweifel. Im August 2005 folgte dann die Entwarnung: Bei umfangreichen Nachuntersuchungen in der gleichen Region fanden sich keine Spuren mehr von gv-Mais.

Mexiko: Abhängig von teuren Maisimporten

Nun hat der nationale Bauernverband, der 500 landwirtschaftliche Unternehmen vertritt, die neu gewählte Regierung von Präsident Felipe Calderon aufgefordert, das Moratorium für gv-Mais aufzuheben und den Anbau zu erlauben.

Anlass für diesen Schritt ist die aktuelle „Tortilla-Krise“: Ein knappes Maisangebot hat die Preise für Tortillas, das Grundnahrungsmittel für Arm und Reich, in die Höhe schnellen lassen. Seit Juni sind die Tortilla-Preise um 100 Prozent gestiegen. Ursache für die Verknappung ist vor allem die steigende Nachfrage nach Mais als Rohstoff für die Bioenergienutzung in den USA und damit ein kräftiger Anstieg der Weltmarktpreise für Mais.

Mexiko, das 2006 nur 22 der benötigten 30 Millionen Tonnen Mais selbst produzierte, ist von Einfuhren abhängig. Bis die vereinbarte amerikanische Freihandelszone NAFTA 2008 wirksam wird, müssen Maisimporte jedoch von der mexikanischen Regierung genehmigt werden. Doch die Einfuhr von Mais steht in der Kritik. Vor allem der Verband der Kleinbauern fürchtet die Konkurrenz der US-amerikanischen Landwirtschaft und fordert von der mexikanischen Regierung, die kleinen Familienbetriebe zu schützen.

Die Abhängigkeit von Importen und die hohen Weltmarktpreise für Mais führen dazu, dass die Mexikaner immer mehr für ihre Tortillas zahlen müssen und damit die Lebenshaltungskosten ansteigen. In Protestmärschen haben Tausende Mexikaner ihre Regierung aufgefordert zu handeln – und damit einen möglichen Anbau von gv-Mais zurück in die Diskussion gebracht.

Gv-Mais: Keine Gefahr für die biologische Vielfalt in Mexiko?

Nur mit der Freigabe von gv-Mais sei die Krise grundlegend zu lösen, so der mexikanische Bauernverband CNA. Die nationale Maiserzeugung könne deutlich gesteigert werden, wenn eine Nutzung von insektenresistentem Bt-Mais möglich sei. Damit könnten schädlingsbedingte Ernteausfälle reduziert und Kosten für Insektizide gesenkt werden.

Für die Gegner des gv-Maisanbaus in Mexiko ändert der Preisanstieg nichts an ihren Vorbehalten. Vor allem Kleinbauern und Umweltgruppen fürchten Auskreuzungen durch gv-Maispollen. Sie sehen darin eine Gefahr für die Artenvielfalt und warnen vor einer Kontamination der Saatgutbanken. Bisher gibt es allerdings keine Hinweise darauf, dass sich die neu eingeführten Gene des gv-Maises langfristig in den regionalen Landrassen etablieren und so die biologische Vielfalt bedrohen könnten. Offenbar bestehen zwischen Kultur- und Landsorten wirksame genetische Barrieren. Auch die Einführung von Mais-Hybridsorten in Mexiko hat keine nachhaltigen Auswirkungen auf die Vielfalt der Wild- und Landsorten in Mexiko gehabt.

Hinsichtlich der Saatgutbanken jedenfalls hatte das internationale Agrarforschungszentrum CIMMYT (International Maize and Wheat Improvement Center) bereits Ende 2002 Entwarnung gegeben: Schon seit Jahren würden nur getestete Samen aufgenommen, die frei von Transgen-Sequenzen sind. Bei der Vermehrung dieser Samen werde eine Kreuzung mit unbekannten Maissorten aus der Umgebung durch aufwändige Handbefruchtung, Sicherheitsabstände und Mantelsaaten auf dem Feld verhindert.

Bisher hat die mexikanische Regierung noch nicht über die Freigabe von gv-Mais entschieden.