EU-Parlament

Einigung über GVO-Kennzeichnung

(2. Juli) Das Europäische Parlament hat heute ein umfassendes Paket von Vorschriften für die Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit von gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln beschlossen. Die weitreichende Entscheidung dürfte das baldige Ende des EU-Zulassungsstopps für transgene Organismen bedeuten.

David Byrne, Kommissar für Gesundheits- und Verbraucherschutz, betonte: „Wir haben nun das strengste Evaluierungssystem für GM-Lebensmittel und -futtermittel, bevor sie in Umlauf gebracht werden können. … Verbraucher werden die Wahl haben, ob sie ein GV-Lebensmittel kaufen, weil sie ganz klar ausgezeichnet sein werden.“

Umweltkommissarin Margot Wallström : „Die heutige Abstimmung ist ein wichtiger Schritt, um die EU Gesetzgebung über GVOs vollständig umzusetzen. Dies wird unsere internationale Glaubwürdigkeit verstärken und das Vertrauen der Öffentlichkeit in neue Technologien verbessern.“

Rund zwei Jahre dauerten die Verhandlungen: Jetzt haben sich Europaparlament, EU-Ministerrat und die Europäische Kommission im Streit um Schwellenwerte und Koexistenz auf einen Kompromiss verständigt. Das sind die Kernpunkte der Einigung:

  • Nachweisunabhängige Kennzeichnung. Alle Lebensmittel, die gentechnisch veränderte Organismen (GVO) enthalten, daraus bestehen oder daraus hergestellt wurden, müssen mit dem Hinweis „Dieses Produkt enthält genetisch veränderte Organismen“ oder „…hergestellt aus genetisch verändertem (Name des Organismus)“ gekennzeichnet werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob im Endprodukt gentechnisch veränderte DNA oder Proteine nachweisbar sind oder nicht.
  • Kennzeichnung für Futtermittel. Die Kennzeichnungsbestimmungen werden erstmals auf gentechnisch veränderte Futtermittel ausgedehnt. Produkte von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln erzeugt wurden, bedürfen weiterhin keiner gesonderten Etikettierung. Dies gilt beispielsweise für Milch, Fleisch und Eier.
  • Schwellenwert 0,9 %. Lebens- und Futtermittel, die unbeabsichtigte oder technisch unvermeidbare Spuren von GVO enthalten, unterliegen ab einer Grenze von 0,9 Prozent GVO-Anteil einer Kennzeichnungspflicht.
  • Übergangszeit für nicht zugelassene GVOs. Transgene Organismen, die in der Europäische Union noch nicht zugelassen sind, die in der EU aber einer positiven Sicherheitsbewertung unterlagen, werden für einen Übergangszeitraum von drei Jahren bis zu einer Schwelle von 0,5 Prozent toleriert. Danach gilt eine Nulltoleranz.
  • Zentrale EU-Lebensmittelbehörde. Für die Zulassung von GVO wird ein zentralisiertes, einheitliches EU-Verfahren eingeführt. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit wird für die wissenschaftliche Bewertung zuständig. Zulassungen sind auf zehn Jahre befristet. Das vereinfachte Anmeldeverfahren, wie es die bisher geltende Novel-Food- Verordnung vorsieht, wird abgeschafft.
  • Rückverfolgbarkeit. Um die Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten, muss auf jeder Vermarktungsstufe die Information über das Vorhandensein von GVO weitergegeben werden. Ein einheitlicher Identifizierungscode wird eingeführt.
  • Koexistenz. Die Mitgliedstaaten werden ermächtigt, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um eine unerwünschte Anwesenheit von GVO in anderen Erzeugnissen zu verhindern. Die Europäische Kommission soll Leitlinien für die Koexistenz von gentechnisch veränderten, herkömmlichen und biologischen Kulturen vorlegen. Dies wird voraussichtlich noch im Juli geschehen.

Empfehlung für niedrigeren Schwellenwert abgelehnt

Vor allem um den Grenzwert für die Kennzeichnung unbeabsichtigter GVO-Spuren in Lebens- und Futtermitteln wurde bis zuletzt gestritten. Der Umweltausschuss des Europaparlaments hatte noch im Juni gefordert, den Schwellenwert auf 0,5 Prozent festzulegen. Dieser Empfehlung folgte das Plenum in der zweiten Lesung der beiden Verordnungsvorschläge nun jedoch nicht. Stattdessen schlossen sich Europaabgeordneten dem Gemeinsamen Standpunkt des Ministerrates an und votierten ebenfalls für einen Grenzwert von 0,9 Prozent. Die Europäische Kommission hatte ursprünglich eine Schwelle von 1 Prozent vorgeschlagen, ist aber bereit, den niedrigeren Wert zu akzeptieren.

Neu eingeführt in das Verordnungspaket hat das Europaparlament die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, Regeln zur Sicherung der Koexistenz zu erlassen. Dies soll den Regierungen Rechtssicherheit für nationale Maßnahmen geben, bis auf europäischer Ebene ein einheitlicher Rahmen geschaffen ist.

Kennzeichnung im Frühjahr

Mit dem Abstimmungsergebnis ist der Weg frei für die endgültige Verabschiedung der beiden Verordnungsentwürfe durch den Ministerrat. Der formale Beschluss dürfte nach Angaben einer Kommissionssprecherin ohne weitere inhaltliche Beratung im September fallen. Die beiden Verordnungen treten dann zwanzig Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften automatisch in allen Mitgliedstaaten in Kraft. Die neuen Bestimmungen gelten jedoch erst sechs Monate nach der Veröffentlichung, um der Wirtschaft eine ausreichende Übergangsfrist einzuräumen. Die Kennzeichnungsbestimmungen werden also voraussichtlich ab dem Frühjahr 2004 angewandt werden müssen.

Ende des Moratoriums

Unklar ist, wann genau der EU-Zulassungsstopp für gentechnisch veränderte Organismen aufgehoben wird. EU-Umweltkommissar David Byrne bekräftigte in der Aussprache im Europäischen Parlament, dass mit der Annahme des Verordnungspakets die Voraussetzungen für das Ende des Moratoriums geschaffen würden. Umweltkommissarin Margot Wallström geht davon aus, dass das Moratorium bis zum Jahresende fallen wird.