Horizontaler Gentransfer

„Entscheidend ist der Selektionsdruck“

Können Mikroorganismen Erbmaterial von Pflanzen aufnehmen und in ihr eigenes Genom einbauen? Und könnten sich auf diese Weise Transgene in der Umwelt verbreiten? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Sicherheitsforschung seit den ersten Freisetzungen gentechnisch veränderter Pflanzen in Deutschland Anfang der neunziger Jahre. BioSicherheit sprach mit Kornelia Smalla von der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA), Braunschweig.

Dr. Kornelia Smalla ist Wissenschaftlerin am Institut für Pflanzen- virologie, Mikrobiologie und biol. Sicherheit der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA)

bioSicherheit: Sie und auch andere Arbeitsgruppen haben nachweisen können, dass Horizontaler Gentransfer von Pflanzen-DNA auf Mikroorganismen unter optimierten Laborbedingungen möglich ist. Wie sieht das unter natürlichen Bedingungen aus?

Kornelia Smalla: Die meisten Untersuchungen zur Transformation von Bakterien mit transgener Pflanzen-DNA wurden mit einem Bakterien-Stamm, Acinetobacter sp. BD413, durchgeführt, der außergewöhnlich gut in der Lage ist, fremde DNA aufzunehmen. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass die aufgenommene Pflanzen-DNA nur dann stabil in das Bakteriengenom eingebaut wird, wenn der Empfänger homologe DNA-Sequenzen besitzt.

Alle Arbeitsgruppen haben auch das gleiche Prinzip zum Nachweis des horizontalen Gentransfers genutzt: Die Wiederherstellung eines beschädigten Antibiotikaresistenz-Gens. Das Empfängerbakterium braucht zur Reparatur dieses Gens DNA-Abschnitte aus der transgenen Pflanze. Ein geglückter Transfer ist dann nachweisbar durch die Ausprägung einer Antibiotikaresistenz.

Auf Grund natürlich vorkommender antibiotikaresistenter Bakterien ist der Nachweis des Transfers von Pflanzen-DNA in Bakterien unter natürlichen Bedingungen sehr schwierig. Das ist wie die berühmte Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Neuere Arbeiten von Dr. de Vries und Prof. Wackernagel haben jedoch gezeigt, dass transgene DNA, die über die Wurzeln oder aus Pollen unter Feldbedingungen in den Boden abgegeben wird, auch nach mehreren Jahren noch von Acinetobacter sp. BD413 aufgenommen und zur Wiederherstellung eines beschädigten Kanamycin-Gens verwendet werden kann.

Im Rahmen eines EU-Forschungsvorhabens beschäftigen wir uns mit der Frage, welche Boden- und Rhizosphäre-Bakterien eigentlich natürlicherweise transformierbar sind. Auch diese Untersuchungen werden dazu beitragen, die Wahrscheinlichkeit der Transformation von Bakterien durch transgene Pflanzen-DNA besser einschätzen zu können.

bioSicherheit: Wie würden Sie das Risiko eines solchen Transfers bewerten, insbesondere im Hinblick auf die Verwendung von Antibiotikaresistenz-Genen als Markergenen? Was ist daraus zu folgern?

Kornelia Smalla: Nach den vorliegenden experimentellen Daten gehen wir davon aus, dass die Transformation von Bakterien mit transgener Pflanzen-DNA mit sehr niedrigen Transferfrequenzen stattfindet. Da die in transgenen Pflanzen verwendeten Antibiotikaresistenz-Markergene in Umweltbakterien häufig auf mobilen genetischen Elementen wie Plasmiden, Transposons oder Genkassetten vorkommen, wird der Beitrag der Verbreitung von Antibiotikaresistenz-Genen durch den Anbau und Verzehr transgener Pflanzen auch im Licht der neueren Befunde als sehr gering bewertet. Entscheidend aber für die Etablierung auch sehr seltener Transferereignisse ist der Selektionsdruck. Das Problem multiresistenter Bakterien ist ein Ergebnis der Anpassung von Bakterien an den jahrelangen Selektionsdruck, hervorgerufen durch die Nutzung von Antibiotika in der Humanmedizin und in der Landwirtschaft.

bioSicherheit: Es wird an verschiedenen neuen Methoden der gentechnischen Transformation geforscht, u.a. um die Verwendung von Antibiotikaresistenz-Genen verzichtbar zu machen. Wie sicher sind solche alternativen Systeme? Gibt es neue und andere Probleme bei der Sicherheitsbewertung solcher Systeme?

Kornelia Smalla: In den letzten Jahren wurden vielfältige Methoden der gentechnischen Transformation von Pflanzen entwickelt, die künftig Alternativen zur Verwendung von Antibiotikaresistenz-Genen als Transformationsmarker darstellen könnten. Eine allgemeine Aussage zur Sicherheit dieser Systeme ist nicht möglich, da jedes einzelne System Fall-für-Fall zu bewerten ist. Auch bei der Nutzung alternativer Systeme treten Fragen zur Sicherheit dieser Systeme auf, die vor ihrer kommerziellen Nutzung zu beantworten sind. Das GMO Panel der EFSA (European Food Safety Authority) befasst sich augenblicklich mit der Sicherheitsbewertung von Antibiotikaresistenz-Genen. Eine Veröffentlichung der Stellungnahme ist noch vor Jahresende zu erwarten. Zu einer umfassenden Bewertung der Alternativen sieht sich das GMO Panel zur Zeit nicht in der Lage.