Sifo-Projekt: Auswirkungen von Bt-Mais auf Schmetterlinge und deren Gegenspieler

Der Mais und seine Duftnoten

Ende August 2003. Ein von der anhaltenden Hitze dieses Sommers verdorrtes Maisfeld, nur wenige Pflanzen haben noch Reste von Grün an ihren Blättern. "Solange die Pflanzen noch ein bisschen grün sind, haben wir die Chance, dass sie Duftstoffe abgeben." Christine Zipfel vom Max-Planck-Institut in Jena ist optimistisch, aber es wird heute das letzte mal in diesem Jahr sein, dass sie und ihre Mitarbeiter den Duft des Mais einfangen.

Christine Zipfel bei der Duftmessung

Christine Zipfel hat zu Beginn der Messungen getestet, ob die Pflanzen vielleicht durch den Messvorgang Stress bekommen und die Abgabe der Duftstoffe dadurch beeinflusst wird. Schließlich werden sie in einen Sack gepackt, in dem sich die Temperatur aufheizt und die Luftfeuchtigkeit ansteigt. Dazu wurde das Duftspektrum der noch jungen Feld-Pflanzen mit demjenigen von Laborpflanzen ohne Raupenbefall verglichen. Es stimmte überein.

„Tritrophische Interaktion“ zwischen Pflanze, Schmetterling und Parasitoid: Die Schmetterlingslarve frisst an der Pflanze, die Pflanze schüttet Duftstoffe aus und lockt damit Parasitoide, z.B. Schlupfwespen an, die die Larve parasitieren.

Feldmessungen werden an zwei Versuchs-Standorten vorgenommen. In Parzellen, die nach einem bestimmten Versuchsdesign angeordnet sind, werden drei Sortenpaare - transgene Sorte und die jeweilige Ausgangssorte ohne gentechnische Veränderung - getestet.

Verpackungskunst auf dem Maisfeld; Durch einen Plastiksack wird Luft geschickt, die im Luftstrom mitgeschleppten Duftstoffe aufgefangen.

Eine Pumpe saugt die Luft oben aus dem Plastiksack wieder raus. Die Duftstoffe werden durch ein spezielles Pulver abgefangen.

Vergleich der Abgabe der Hauptduftstoffe bei der transgenen Sorte Valmont (Bt 176) bei Fraß verschiedener Raupen.
Dass der Maiszünsler hier eine so geringe Duftstoffabgabe bewirkt, liegt vor allem daran, dass das Bt-Toxin den Zünslerfraß effektiv verhindert.

Vergleich der Abgabe der Hauptduftstoffe beim Sortenpaar Navares (transgen Bt 176) und Antares (isogen) bei Befall durch den ägyptischen Bollwurm
(Spodoptera litteralis)

Eine umgebastelte Tupperdose mit Maschendraht-Öffnungen, abgeklebt gegen Vogelfraß, aber groß genug für kleine Insekten. Diese „Käfige“ wurden mit Raupen des ägyptischen Bollwurms (spodoptora littoralis) und Blattmaterial der verschiedenen Mais-Sorten bestückt und im oberen Drittel einer Pflanze befestigt. Mit diesen Käfig-Versuchen sollten im Feld die Parasitierungsraten bei Bt- Mais und den Vergleichssorten bestimmt werden. Um zu prüfen, ob die Raupen parasitiert wurden, hat man die Larven dann drei Wochen im Labor wachsen lassen. Bei diesen Experimenten wurden aber keine Parasitierungen gefunden.

Man kann es hören, wo sich im Feld die Pflanzen befinden, deren Duft aufgefangen wird. Denn dazu werden durch Autobatterien betriebene Apparaturen eingesetzt, die gleichmäßig vor sich hinbrummen. Das Prinzip ist einfach: Die Maispflanze wird in einen Plastiksack verpackt, unten saugt eine Pumpe sechs Liter Luft pro Minute aus der Umgebung durch einen Aktivkohlefilter in die Folie. Oben wird die gleiche Luft mit einer zweiten Pumpe wieder rausgezogen. Davor ist die „Falle“ eingebaut. Die von der Pflanze abgegebenen Duftstoffe müssen ein Plastikröhrchen passieren und werden von einem weißen Pulver mit dem Namen „Super Q“ aufgefangen. Dieses Pulver ist in der Lage, die flüchtigen, „volatilen“, Stoffe zu binden. Später im Labor lassen sich diese Stoffe dann wieder auswaschen. Mit einem speziellen Analysegerät können die Duftstoffe identifiziert werden, indem die einzelnen Moleküle nach Größe und Ladung aufgetrennt werden. So lassen sich die Duftmuster einzelner Pflanzen genau erfassen und vergleichen.

Indirekte Verteidigung

Christine Zipfel und ihre Mitarbeiter wollen herausfinden, ob die Abgabe von Duftstoffen in Bt-Mais anders ist als in konventionellem Mais. Diese Stoffe sind für die Wissenschaftler deshalb so besonders interessant, weil Duft eine Art Kommunikationsmittel für die Pflanze ist. Wenn nämlich eine Maispflanze von einer Schmetterlingslarve angefressen wird, gibt sie flüchtige Stoffe ab und lockt damit die Feinde der Larve an. Wenn sie Glück hat, reagiert etwa eine Schlupfwespe auf den abgegebenen Signalstoff und parasitiert die Larve, d.h. sie legt ihre Eier in ihr ab. Dieses Zusammenspiel zwischen Pflanze, Schmetterling und Parasitoidkönnte durch eine veränderte Abgabe von Signalstoffen in Bt-Mais beeinflusst werden.

Ausgelöst bzw. angeregt wird die Duftstoffproduktion durch einen Stoff im Speichel des Schädlings. Dabei bewirkt jeder Schädling eine andere Duftkomposition.

„Es ist auch von Bedeutung, wo die Larve an der Pflanze frisst,“ Christine Zipfel deutet auf den Stängel einer Maispflanze, „der Maiszünsler etwa frisst hier und löst damit weniger Duft-Emissionen aus als andere Raupen, die eher an den Blättern fressen.“

Es sind hauptsächlich drei Duftstoffe, die durch Raupenfrass hervorgerufen werden: Caryophyllen, Bergamoten und Farnesen (Betonung immer auf der letzten Silbe). In welchem Maße und in welcher Zusammensetzung verschiedene Schmetterlinge die Bildung dieser Stoffe auslösen, dazu ist allerdings noch viel Grundlagenforschung nötig. Im Rahmen dieses Projektes werden verschiedene Schmetterlingslarven in einer Klimakammer, in der Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Lichtmenge u.a. Umweltfaktoren kontrolliert werden können, getestet. Sie werden auf Maispflanzen gesetzt und anschließend die ausgeschütteten Duftstoffe aufgefangen und analysiert.

Ureigene Duftnoten

Jede Mais-Sorte hat ein ganz bestimmtes mais-typisches Duft-Grundmuster und jede Pflanze eine individuelle Ausprägung dieses Musters, die sie im Laufe ihres Lebens erwirbt und die ständigen Veränderungen unterworfen ist. Eine junge Maispflanze gibt noch keine Duftstoffe ab, erst in der wachstumsintensiven Phase bildet sie Duftmuster aus, je nachdem wie der Standort beschaffen ist und in welchem Maße sie von Schädlingen und Krankheitserregern befallen wird. Die unmittelbar zurückliegende Lebenserfahrung der Pflanze lässt sich so an ihrem Duft erkennen.

Bei alten Pflanzen tut sich dann generell nicht mehr viel, das vorhandene Duftstoffmuster wird nicht mehr durch Raupenfraß verändert, weil die Blätter zu hart sind, um noch gefressen zu werden oder weil es attraktiveres Futter in der Umgebung gibt.

Auch im Tagesablauf gibt es Unterschiede in der Duftstoffabgabe. Mittags und am frühen Nachmittag geben die Pflanzen die größten Mengen Duftstoff ab. Deshalb wird auch immer um die Mittagszeit insgesamt drei Stunden lang gemessen, bei der großen Hitze waren allerdings nur Stundenmessungen möglich, weil sonst die Pumpen überhitzt wären.

Auf diesem Feld ist im Juli und im August jeweils einmal gemessen worden. Nach dem Zufallsprinzip wurden aus jeder der insgesamt acht Parzellen des Versuchsfeldes je zwei, dem Augenschein nach durchschnittliche Pflanzen für die Messung ausgewählt. Bei der heutigen Messung geht es bei der Auswahl allerdings nur noch darum, ein paar einigermaßen grüne Pflanzen zu finden. Christine Zipfel ist zufrieden, wenn ihr zum jeweiligen Zeitpunkt mindestens eine gute und auswertbare Messung pro Parzelle gelingt.

Jede Menge Einflussfaktoren

Im Feld gibt es natürlich eine Fülle von Einflussfaktoren, die ein Messergebnis beeinflussen können und die schwer einzuschätzen sind. So ist die Zusammensetzung der Duftstoffe bei Pflanzen einer Sorte zwar in der Regel gleich - jedenfalls was die Hauptkomponenten betrifft - , aber es kann erhebliche Unterschiede in der Menge der abgegebenen Duftstoffe geben. Pflanzen, die sich äußerlich kaum unterscheiden, ein ähnliches Gewicht haben und von etwa gleich viel Schmetterlingslarven befallen sind, können dennoch sehr unterschiedliche Mengen Duftstoffe ausschütten. Vielleicht, weil sie in ihrer Grundkonstitution verschieden sind, vielleicht gibt es aber auch Pilzbefall, Wurzelschädlinge oder andere Faktoren, die den Dufthaushalt beeinflussen.

Deshalb wurden im Labor Voruntersuchungen gemacht, um zunächst die Duftmuster der einzelnen Sortenpaare ohne Standort- und Befallseinflüsse zu bestimmen und später mit den Felddaten vergleichen zu können. Außerdem werden zusätzlich zu den Feldmessungen molekulare Untersuchungen gemacht. Von den einzelnen Sorten aus den verschiedenen Parzellen werden Blattproben genommen und daraufhin untersucht, ob bestimmte Gene angeschaltet sind, die für einzelne Duftkomponenten zuständig sind.

Erste Ergebnisse

Bislang haben die Messungen im Labor und im Feld keinen nachweisbaren Bt-Effekt gezeigt. Es hat zwar bei einem Sortenpaar - der transgenen Sorte Novelis (Mon 810) und ihrer isogenen Ausgangssorte Nobilis - Unterschiede sowohl im Duftspektrum als auch in der Menge der abgegebenen Stoffe gegeben. Das ist nach Einschätzung von Christine Zipfel aber eher ein Sorteneffekt d.h. darauf zurückzuführen, dass dieses Sortenpaar sich doch weitgehender unterscheidet als nur durch die gentechnische Veränderung.

In diesem aber auch im letzten Jahr gab es Ende Juli/ Anfang August von einer Messung auf die andere plötzlich eine komplett andere Duftkomposition und zwar bei allen untersuchten transgenen und isogenen Sorten. Ob und in welcher Weise vielleicht die Extrem-Wetterlagen, im letzten Jahr das Hochwasser, in diesem Jahr anhaltende Hitze, dazu beigetragen haben - das bleibt vorerst noch ein Rätsel.