Gentechnik in der Rebenzüchtung

„Wenn wir das für eine Pilzresistenz verantwortliche Gen in einen Riesling einbringen, dann bleibt es ein Riesling.“

Zu den größten Problemen im Weinbau gehören Pilz- und Viruserkrankungen, die Winzer selbst mit Pflanzenschutzmitteln nur schwer in den Griff bekommen. Auch die klassische Züchtung resistenter Weinreben stößt an Grenzen - nicht nur deshalb, weil dies mehrere Jahrzehnte dauern kann, sondern auch, weil die Verbraucher neue Weinsorten nur schwer akzeptieren. Wein sei als eine der ältesten Kulturpflanzen eben ein sehr emotionales Produkt, meint Goetz Reustle, Leiter der Abteilung Reben-Biotechnologie am AlPlanta Institut für Pflanzenforschung. BioSicherheit sprach mit ihm über Anforderungen und Entwicklungen in der Rebenzüchtung und darüber, welche Chancen und Potenziale die Gentechnik bietet.

Dr. Goetz Reustle, Leiter des Forschungs- schwerpunktes Rebenbiotechnologie am AlPlanta Institut für Pflanzenforschung in Neustadt a. d. Weinstraße

Kreuzungszüchtung ist die geschlechtliche Vermehrung entweder innerhalb einer Rebart (intraspezifisch) oder zwischen verschiedenen Arten (interspezifisch). Dabei entstehen neue Rebsorten.
Klonenzüchtung ist die ungeschlechtliche Vermehrung innerhalb einer Rebart, die Nachkommen sind genetisch identisch, so lange keine Mutation eintritt. Die Auslese der Rebstöcke nach phänotypischen Eigenschaften hat z. B. die Verbesserung der Geschmackseigen-schaften der Sorten zum Ziel. Beide Methoden sind langwierige Verfahren. Allein bis ein Rebstock Erträge bringt dauert bis zu drei Jahre, die Eintragung in die Sortenliste kann noch mal mehrere Jahrzehnte dauern. In dieser Zeit muss die Neuzüchtung ihre verbesserten Eigenschaften unter Beweis stellen. Unterlagenzüchtung bedient sich beider Verfahren. Das Pfropfen eines Edelreisers auf eine gegenüber der Reblaus unempfindliche Unterlagensorte schützt die Pflanze vor diesem Schädling, da die Reblaus an der Wurzel angreift.

BioSicherheit: Dr. Reustle, was sind die Schwerpunkte hier am Institut?

Goetz Reustle: Wir entwickeln Methoden, etwa Gewebekultur- oder molekularbiologische Methoden, orientiert an den praktischen Fragestellungen der Pflanzenzüchter und Pflanzenproduzenten. Der Einstieg für die Beschäftigung mit Wein war ein Projekt, das mit gentechnischen Methoden virusresistente Rebsorten erzeugen sollte. Mit klassischer Züchtung ist dies nicht möglich, weil hierfür die genetischen Ressourcen fehlen. Die Rebenveredler und Züchter waren an der Idee interessiert, nur die Unterlage gentechnisch zu verändern. Das schützt die gesamte Pflanze vor bestimmten Viruskrankheiten, obwohl die aufgepropften Reben und somit auch die Trauben selbst nicht transgen sind. Aus diesem Projekt ist der Forschungsschwerpunkt Rebenbiotechnologie entstanden.

BioSicherheit: In Deutschland wurden im Jahr 2005 auf 100.000 Hektar Anbaufläche ca. neun Millionen Hektoliter Wein produziert. Weinbau ist damit ein wichtiger Wirtschaftszweig, im europäischen Vergleich liegt Deutschland damit an vierter Stelle. Wo liegen die grundsätzlichen Probleme im Weinbau?

Goetz Reustle: Das sind in erster Linie die Pilzkrankheiten. Diese Zahl ist sehr beeindruckend: Nur fünf Prozent der landwirtschaftlichen Kulturfläche in Europa sind mit Reben bepflanzt, aber im Weinbau werden siebzig Prozent der Fungizide - organische Präparate, Schwefel und Kupfer - eingesetzt. Der Bioanbau ist an diesem Verbrauch beteiligt, denn auch dort werden Kupfer und Schwefel als Pflanzenschutzmittel eingesetzt.

BioSicherheit: Die Entwicklung pilzresistenter Rebsorten ist ein wichtiges Ziel in der Pflanzenzüchtung. Wie weit ist man damit ?

Goetz Reustle: Gegen Echten und Falschen Mehltau haben die europäischen Reben keine Resistenzen. Diese Krankheiten sind im 19. Jahrhundert aus den USA eingeschleppt worden. Die dortigen Rebarten sind damit aufgewachsen und konnten Resistenzen aufbauen. Im letzten Jahrhundert haben Pilzkrankheiten den Weinbau in Europa fast zum Erliegen gebracht. Man hat dann angefangen, europäische mit amerikanischen Reben zu kreuzen. Die heutige pilzresistente Sorte Regent entstammt einer solchen Kreuzung, die um 1860 durchgeführt wurde. Die vielen darauf folgenden Rückkreuzungen hatten immer das Ziel, Qualität aus europäischen Rebsorten mit Resistenz-eigenschaften zu kombinieren. 1967 fand die letzte Rückkreuzung am Institut für Rebenzüchtung Geilweilerhof statt. Die Überprüfung und die Evaluierung hat dann noch fast 30 Jahre gedauert. Regent ist seit 1996 zur Erzeugung von Qualitätswein zugelassen, und obwohl mittlerweile schon zwei Prozent der Rebfläche in Deutschland mit Regent bepflanzt sind, wird er trotz guter Qualität auf absehbare Zeit ein Nischenprodukt bleiben. Der Verbraucher nimmt neue Sorten nur schwer an.

BioSicherheit: Bei der Sorte Regent ist es mit klassischer Züchtung gelungen, eine pilzresistente Sorte zu erzeugen. Warum hat man dies bei Chardonnay oder Riesling noch nicht geschafft? Hat die klassische Züchtung Grenzen?

Goetz Reustle: Mit der klassischen Kreuzungszüchtung erzeugt man neue Sorten, die werden vom Markt nur schwer angenommen. Wenn ich einen Riesling mit einer pilzresistenten Sorte kreuze, dann sind die Nachkommen kein Riesling mehr. Das sind die Grenzen der klassischen Züchtung. Daher hat der Weinbau auch das Interesse an Gentechnik. Wenn wir das oder die für Pilzresistenz verantwortlichen Gene in einen Riesling einbringen, dann bleibt es ein Riesling.

BioSicherheit: Welche Rolle spielt die Analyse der genetischen Vielfalt von Reben in der Züchtung?

Goetz Reustle: Zwei Richtungen werden in der Rebenzüchtung verfolgt: die Kreuzungszüchtung und die Klonenzüchtung, also die ungeschlechtliche Vermehrung einer Rebe. Die Klonenzüchtung versucht genetische Vielfalt zu nutzen und vor allen Dingen sie zu erhalten. Welches Potenzial hat eine Sorte Riesling, welche genetische Vielfalt steckt darin? Klone können, obwohl sie genetisch identisch sind, auffällige Charakteristika zum Beispiel in der Blatt- oder Traubenform oder in ihrer Leistungsfähigkeit zeigen. Diese phänotypischen Auffälligkeiten sind selten durch Unterschiede in der Gen-Sequenz begründet. In einem neuen Projekt untersuchen wir daher die Frage, ob diese Veränderungen in Klonen durch epigenetische Effekte hervorgerufen werden, d.h. die Aktivität bestimmter Gene und damit die Merkmalsausprägung ist durch Methylierung bestimmter Bereiche der Gensequenz verändert. Anhand dieser Methylierungsmuster versuchen wir dann zu einer bestimmten Eigenschaft zu kommen. So einfach wird es sicher nicht, aber denkbar wäre, dadurch festzustellen, welche Gene für einen bestimmten Phänotyp verantwortlich sind.

BioSicherheit: Wegen ihres kleinen Genoms scheint die Rebe für die Genomanalyse besonders geeignet zu sein. Wie weit ist man weltweit mit der Genomanalyse?

Goetz Reustle: Das Pinot Noir-Genom ist von Wissenschaftlern am Institut in San Michele all’Adige in Italien sequenziert worden. Ein französisch-italienisches Konsortium sequenziert auch einen Pinot Noir, wobei es sich hierbei um eine Inzuchtlinie handelt. Noch tut man sich schwer, das ganze Potenzial an Möglichkeiten, welches in der Genominformation steckt, zu erkennen. In jedem Fall stellt sie aber eine gute Basis für die Rebenzüchtung, sei es klassisch oder gentechnisch, dar. Wenn man hierdurch ein Gen findet, das eine gute Relevanz für eine Resistenzeigenschaft hat, dann würden wir den cisgenen Ansatz, also die Neukombination von arteigenen Genen mittels gentechnologischer Methoden, verwirklichen können.

BioSicherheit: Weitere molekularbiologische Ansätze in der Züchtung sind die markergestützte Selektion und smart breeding, das Einkreuzen eines interessanten Gens aus einer Wildpopulation. Spielen diese Methoden eine Rolle?

Goetz Reustle: Smart breeding kann nicht die Grenzen der klassischen Züchtung sprengen, auch hier entstehen neue Sorten. Smart breeding bzw. die markergestützte Selektion kann aber die Effizienz der Kreuzungszüchtung steigern. Nur zur Veranschaulichung, von 10.000 Sämlingen, die aus einer Kreuzung hervorgehen, bleibt am Schluss nach langjähriger Selektion im Durchschnitt nur eine Pflanze übrig, welche die richtige Kombination der gewünschten Eigenschaften aufweist. Die hohen Kosten, die durch den langwierigen und aufwändigen Prozess entstehen, haben dazu geführt, dass es nur noch staatliche Rebenzüchtung gibt. Wenn man diese Effizienz steigern könnte durch den Einsatz von neuen Technologien, dann wäre der Rebenzüchtung sicherlich sehr gedient.

BioSicherheit: Was ist aus Verbrauchersicht der größte Vorteil der gentechnischen Methoden im Weinbau?

Goetz Reustle: Gentechnik bietet, meiner Meinung nach, die Chance, Pflanzenschutzmittel einzusparen, dies trifft auch auf den Bioanbau zu. Das wäre ein großer Gewinn für Umwelt und Verbraucher. Nur, bei Wein ist dieser Vorteil schwieriger zu vermitteln, Wein ist ein emotionales Produkt. Wein wird genossen und kein Mensch fragt nach der Produktionsmethode. Die resistenten Sorten zum Beispiel konnte man nicht an den Kunden bringen, obwohl ganz klar ist, dass sie weniger gespritzt werden müssen. Ich habe von Anfang an bedauert, dass der Bioanbau sich gegen Gentechnik wehrt. Gerade der Bio-Weinbau könnte aus der Gentechnik einen wirklich großen Nutzen ziehen. Leider stehen ideologische Vorbehalte sowie marktstrategische Gründe einer Synthese aus Gentechnik, Bioanbau und umweltschonendem Weinbau zumindest vorerst entgegen.

BioSicherheit: Im Moment ist noch kein gentechnisch veränderter Wein am Markt. Kann er sich in naher Zukunft durchsetzen?

Goetz Reustle: Der erste Schritt werden gentechnisch veränderte, virusresistente Unterlagensorten sein, denn Viruskrankheiten bei Reben kann man nicht durch klassische Züchtung angehen. Aber ich glaube nicht, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre transgene Unterlagen auf dem Pflanzgutmarkt angeboten werden. Bisher stehen gentechnisch veränderte Unterlagen nur als Freisetzungsversuche in Frankreich und Amerika. In Italien werden zu Versuchszwecken ebenfalls gentechnisch veränderte Reben angebaut. Die Weinproduzenten sind auf den europäischen Markt angewiesen, sie wissen, dass sie ihre Produkte vor allem in Europa verkaufen müssen. Deshalb orientieren sie sich sehr an der Akzeptanz der Konsumenten für Produkte, die mit Hilfe der Gentechnik hergestellt wurden. Solange in Europa Gentechnik im Nahrungsmittelbereich in breiter Front abgelehnt wird, wird es keiner wagen, diesen Weg zu beschreiten.

BioSicherheit: Wie wird sich die Züchtungsforschung hier und im Ausland in den kommenden Jahren entwickeln?

Goetz Reustle: Der Schwerpunkt ist die Resistenzzüchtung, hier wie im Ausland, da ist man sich mit den Kollegen einig. Dazu müssen wir neben der konventionellen Züchtung und den molekularbiologischen Methoden vor allem die Gentechnik nutzen. Viele Projekte im Bereich Rebenzüchtung versuchen für eine bestimmte Eigenschaft verantwortliche Gene zu finden. Auch die hochanfälligen Reben haben Resistenzmechanismen, die werden aber viel zu spät aktiviert. Wir wollen im Rahmen eines Forschungsprojektes nach Schlüsselgenen, die frühzeitig Abwehrmechanismen in der Rebe in Gang setzt, suchen.

BioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch.

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