Fette Beute in Aussicht

Neu entdeckter Fettspeicher von Cyanobakterien könnte biotechnologisch nutzbar gemacht werden

24.03.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Algen wachsen bereits heute in sogenannten Bioreaktoren. Auch für Cyanobakterien sind solche Kulturen denkbar. Zuerst müsste jedoch die Ölmenge in den Bakterien erhöht werden. (Bildquelle: © iStock.com/phloxii)

Algen wachsen bereits heute in sogenannten Bioreaktoren. Auch für Cyanobakterien sind solche Kulturen denkbar. Zuerst müsste jedoch die Ölmenge in den Bakterien erhöht werden. (Bildquelle: © iStock.com/phloxii)

Cyanobakterien produzieren nicht nur Fette für ihre Thylakoid-Membranen, sie speichern Triacylglycerid und Wachsester auch in Fetttropfen. Das war bisher nicht bekannt. Bietet sich hier ein neuer Ansatzpunkt für die biotechnologische Produktion von Ölen im großen Stil?

Cyanobakterien gehören zu den ältesten Lebensformen überhaupt. Sie bevölkern die Meere und Kontinente bereits seit Milliarden von Jahren. Die einzelligen Lebewesen ohne Zellkern gewinnen ihre Energie durch Photosynthese. Gemäß der Endosymbiontentheorie wurden sie einst von Pflanzenzellen aufgenommen und sind daher die Vorläufer der pflanzlichen Chloroplasten

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Prof. Dörmann (links) und sein Doktorand Mohammed Aizouq mit zwei verschiedenen Cyanobakterien-Kulturen.

Prof. Dörmann (links) und sein Doktorand Mohammed Aizouq mit zwei verschiedenen Cyanobakterien-Kulturen.

Bildquelle: © Yannic Müller/Uni Bonn

Doch teilen sie auch deren Eigenschaft, Fett zu speichern? Von Chloroplasten ist bekannt, dass sie in sogenannten Plastoglobuli Fett speichern, darunter Triacylglycerid (TAG), Carotinoide, Tocopherol (Vitamin E) und Fettsäure-Phytylester. Ob das auch auf Cyanobakterien zutrifft, war bisher nicht erforscht. „In der Literatur gab es nur wenige widersprüchliche Veröffentlichungen zu diesem Thema und die Lehrmeinung war, dass Cyanobakterien weder Triacylglyceride noch Wachsester speichern“, sagt Peter Dörmann, Professor für Molekulare Biotechnologie an der Universität Bonn.

Sequenzvergleich brachte erste Hinweise

Sein Doktorand Mohammed Aizouq – ein aus Syrien geflüchteter Wissenschaftler – hat in mühseliger Kleinarbeit herausgefunden, dass das Gegenteil der Fall ist. Cyanobakterien speichern zumindest in geringen Mengen Triacylglycerid und Wachsester. „Für mich und viele andere war das sehr überraschend“, berichtet Dörmann. 

Für die Experimente nutzten die Forscherinnen und Forscher das Cyanobakterium Synechocystis sp. PCC6803, das schon lange als Modellorganismus dient. Sie verglichen sein Genom mit dem Genom der Ackerschmalwand (Arabidopsis). Dabei fanden sie das Gen slr2103, das große Ähnlichkeit zu den plastidiären Acyltransferasen PES1/PES2 von Arabidopsis zeigt. Diese Acyltransferasen produzieren Phytyl-Ester und Triacylglyceride.  

Cyanobakterien sind einfach in Kultur zu halten

In den folgenden Experimenten konnte das Team zeigen, dass das neu entdeckte Enzym aus den Cyanobakterien die gleiche Aufgabe übernimmt. Cyanobakterien ohne slr2103 (∆slr2103-Mutante) konnten fast keine Triacylglyceride mehr bilden. Jedoch enthielten diese Zellen noch immer etwa die Hälfte des beim Wildtyp vorhandenen Gehalts an Phytyl-Estern. Vermutlich sind noch andere Enzyme an der Produktion der Phytyl-Ester beteiligt. Die Deletionsmutante zeigte ansonsten keine Auffälligkeiten im Wachstum unter Kontroll- oder Stressbedingungen. 

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Mohammed Aizouq entnimmt einer Petrischale mit dem Cyanobakterium Synechocystis einige Zellen für weitere Analysen. Die Blaualge verfügt über ein Enzym, mit dem sie Öl synthetisieren kann.

Mohammed Aizouq entnimmt einer Petrischale mit dem Cyanobakterium Synechocystis einige Zellen für weitere Analysen. Die Blaualge verfügt über ein Enzym, mit dem sie Öl synthetisieren kann.

Bildquelle: © Yannic Müller/Uni Bonn

Aufgrund des geringen Gehaltes an Triacylglycerid würde sich eine Bakterienkultur zur Ölgewinnung derzeit noch nicht rechnen. Wenn sich der Gehalt aber erhöhen ließe, dann wäre der Organismus ein interessanter Kandidat für die industrielle Produktion von energiereichem Öl, das als Nahrungs- oder Futtermittel sowieso als Treibstoff verwendet werden könnte. 

Nächster Schritt: Ölmenge steigern

Diese Idee ist nicht aus der Luft gegriffen. Denn die prokaryotischen Cyanobakterien lassen sich viel einfacher genetisch umprogrammieren als Eukaryoten. Zudem verfügen sie durch ihre Photosyntheseleistung über eine eigene Energiequelle, man müsste sie also nicht mit einer Kohlenstoffquelle wie Zucker füttern. 

Ein weiterer Pluspunkt ist die Tatsache, dass diese Bakterien auch in landwirtschaftlich ungeeigneten Gebieten in großen Bioreaktoren kultiviert werden können, zum Beispiel in sehr heißen oder trockenen Regionen in Afrika. Alles was man braucht, ist eine ausreichend hohe Sonneneinstrahlung. Weil Cyanobakterien zudem auch in sehr dichten flüssigen Kulturen wachsen können, könnte die Ausbeute an Öl höher sein als auf einer vergleichbaren Ackerfläche. „Ich hoffe, dass diese Arbeit uns und andere motiviert, nach Wegen zu suchen, diese Entdeckung biotechnologisch anzuwenden“, sagt Dörmann.


Quelle: 
Aizouq, M. et al. (2020): Triacylglycerol and phytyl ester synthesis in Synechocystis sp. PCC6803. In: PNAS, (2. März 2020), doi: 10.1073/pnas.1915930117.

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Titelbild: Algen wachsen bereits heute in sogenannten Bioreaktoren. Auch für Cyanobakterien sind solche Kulturen denkbar. Zuerst müsste jedoch die Ölmenge in den Bakterien erhöht werden. (Bildquelle: © iStock.com/phloxii)