Freilandversuche mit Zusatzkosten

16.02.2011 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Forscher bei der Arbeit auf dem Feld (Quelle: © iStockphoto.com/ sealine)

Forscher bei der Arbeit auf dem Feld (Quelle: © iStockphoto.com/ sealine)

Forschung kann Kontroversen hervorrufen. Das dadurch zusätzliche Kosten verursacht werden können, ist nachvollziehbar. Begleitforschung zur Risiko- und Technikfolgeabschätzung, aber auch Schutzmaßnahmen vor Zerstörung und Vandalismus, kosten Geld. Wie viel, das hat ein Schweizer Forscherteam am Beispiel transgener Weizenpflanzen analysierte.

Im Fall der Forschung mit gentechnisch modifizierten Weizen übersteigen die Zusatzkosten die Aufwendungen für die Forschung. Noch bis 2013 existiert in der Schweiz, dem Untersuchungsland, ein Moratorium, welches den kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen unterbindet. Davon ausgenommen ist der Anbau zu Versuchszwecken. Diese Versuche sollen eine solide Wissensbasis zur Bewertung des Nutzens und der Risiken transgener Pflanzen schaffen. Damit soll eine rationale Entscheidungsbasis für die Politik geschaffen werden. Wie das Beispiel Europa zeigt, sind  Feldexperimente mit transgenen Organismen keine ausschließlich biologischen Experimente. Diese sind ebenso soziale Experimente. Sie berühren regulatorische Aspekte und rufen oftmals Kontroversen in der Bevölkerung hervor. 

Stein des Anstoßes: transgener Weizen

Die Forscher untersuchten die Kosten von Freilandversuchen mit gentechnisch verändertem Weizen in der Schweiz. Dieser wurden an zwei Versuchsstandorten, Reckenholz und Pully, auf insgesamt 1.100 Quadratmetern angebaut.(Zum Vergleich: ein Hektar hat 10.000 Quadratmeter). Weltweit wurden 2009 kommerziell auf 134 Mio. Hektar gv-Pflanzen angebaut, vor allem Mais, Soja und Baumwolle. Die Weizenpflanzen im Versuchsanbau in der Schweiz sind resistent gegen die Pilzerkrankung Mehltau (Blumeria graminis f. sp. tritici). 

Bei Mehltaubefall können bis zu einem Drittel der Ernte verloren gehen (30%). Damit ist Mehltau einer der signifikantesten Schädlinge bei Weizen und Gerste. Zwei der insgesamt drei Experimente nutzten die Resistenz gegen Mehltau in unterschiedlichen Weizenlinien. In einem dritten Experiment wurde eine Hybride aus Weizen und Aegilops cylindrica (Walzenförmiger Walch) untersucht. In Laborexperimenten zeigten die Pflanzen eine erhöhte Resistenz gegen Mehltau.  

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Weizenversuchsfeld - die Wissenschaftler untersuchten die Kosten eines Freilandversuchs (Quelle: © Geschäftsstelle Pflanzenforschung).

Weizenversuchsfeld - die Wissenschaftler untersuchten die Kosten eines Freilandversuchs (Quelle: © Geschäftsstelle Pflanzenforschung).

Durch die Feldversuche sollten die Pflanzen unter Anbaubedingungen unter Beweis stellen, ob die Resistenz agromische Relevanz hat. Gleichzeitig sollten Fragen zur biologischen Sicherheit erforscht werden. Dabei wurden Wechselwirkungen der gv-Weizenpflanzen mit der Umwelt untersucht. Die Wissenschaftler gingen der Frage nach, welche Interaktionen es mit anderen Pflanzen und mit sogenannten Nichtziel-Organismen gibt. Das Genehmigungsverfahren wurde für drei Untersuchungsjahre erteilt. 

Mehrjährige Experimente sind notwendig, um belastbare Aussagen treffen zu können. Jedoch mussten die Genehmigungen jährlich erneuert werden, was einen höheren Verwaltungsaufwand nach sich zog. Die Versuche stammten aus Laboratorien der ETH Zürich und der Universität Zürich. Beide Hochschulen zählen zu den führenden Lehr- und Forschungseinrichtungen in Europa. In Forscherkreisen werden diese in einem Atemzug mit dem John Innes Center in England, der Max-Planck Gesellschaft in Deutschland oder INRA in Frankreich genannt. 

Bewachung ist Hauptkostentreiber

Die Kosten, die zusätzlich zur reinen Forschungstätigkeit anfielen, definiert Thomas Bernauer, der Leiter der Studie, als Maß für die Erschwerung der Forschungstätigkeit durch Opposition und staatliche Regulierung. Kostentreibend war insbesondere der Schutz der Versuchsfelder vor Gewalteinwirkung, also Vandalismus. Weiterhin waren Maßnahmen zur Vorbeugung von Auswirkungen des gentechnisch veränderten Weizens auf die Umwelt (Biosicherheit) sowie die behördliche Begleitung und Überwachung der Feldversuche Kostenfaktoren. Die Zusatzkosten - so zeigt die Untersuchung - übersteigen die Kosten für die Forschungstätigkeit deutlich. Für jeden in die Forschung investierten Euro wurden zusätzlich 0,78 Euro in den Schutz vor Vandalismus, 0,31 Euro für die Biosicherheit und 0,17 Euro für die behördliche Begleitung und Aufsicht aufgewendet. Für jeden Forschungseuro flossen somit zusätzlich 1.26 Euro in Schutz- und Begleitmaßnahmen. Die Gesamtkosten der Forschung haben sich damit mehr als verdoppelt. In diesen Abschätzungen noch nicht berücksichtigt sind  Aufwendungen für Öffentlichkeitsarbeit, Aufklärung oder Dialogprozesse sowie die Kosten für die Einbindung unterschiedlicher Behörden. Eine akribische Auflistung der Kosten kann in der freizugängigen Originalpublikation nachgelesen werden. 

Serviceidee: „Feldforschung“

Das Forscherteam befasste sich nicht mit der Frage, ob und in welchem Ausmaß diese zusätzlichen Kosten sinnvoll und vertretbar sind. Solche normativen Bewertungen müssen die politischen Entscheidungsträger vornehmen. Hingegen weist die Studie auf Möglichkeiten hin, wie die Zusatzkosten zukünftig gesenkt werden können. Weil der Löwenanteil der Aufwendungen auf den Schutz der Versuchsfelder vor Vandalismus entfielen, bietet sich die Einrichtung von so genannten „protected sites“ an. Damit gemeint sind gut geschützte Versuchsfelder. Diese erfordern anfangs zwar eine beträchtliche Investition, machen danach aber Freilandversuche wesentlich kostengünstiger. Gleichzeitig könnten an diesen spezialisierten Standorten Know-how und Technologien gebündelt werden. Positive Nebeneffekte wären, dass die Forschung unter standardisierten und damit vergleichbaren Bedingungen ablaufen würde. Experimentelle Ergebnisse würden an Validität gewinnen. Fragen der biologischen Sicherheit könnten besser miteinander verknüpft werden. 

Das Forschungsgelder für die Forschung und nicht für die Bewachung ausgegeben werden sollten, ist einleuchtend. Da weltweit an vielfältigen Eigenschaften mit transgenen Pflanzen geforscht wird, kommt Fragen der Kostenreduktion eine zentrale Bedeutung zu. Neben Resistenzen gegen Schadorganismen oder Pflanzenschutzmittel arbeiten Wissenschaftler an Eigenschaften zur besseren Anpassung der Kulturpflanzen an den Klimawandel, z.B. durch Toleranz gegen Trockenheit, einer effizienteren Verwertung verfügbarer Nährstoffe wie Stickstoff oder Phosphor sowie an veränderten Inhaltsstoffen. Die Politik muss sorgfältig überlegen, wie diese Pflanzen auch im Feld getestet werden können, ohne zu einer Kostenexplosion zu führen. Eine Verlagerung der Arbeiten ins Ausland, wäre eine Möglichkeit. Ob damit dem Forschungsstandort Europa und dem Ziel zum weltweit prosperierendsten Forschungsraum zu werden, gedient wäre, bleibt fraglich. Feldforschung als Service einer staatlichen Ressortforschung wäre eine weitere Möglichkeit und könnte unterschiedlichen Interessengruppen gerecht werden


Quelle: 

T. Bernauer et al. (2011): Government regulation and public opposition create high additional costs for field trials with GM crops in Switzerland; Transgenic Research, doi: 10.1007/s.11248-011-9486-x.

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