Schon gewusst? Knifflige Kartoffel-DNA entschlüsselt

Bahn frei für robustere Sorten und höhere Erträge

17.03.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Das Genom der Kartoffel ist hochkomplex: Die Pflanzen besitzen vier Kopien jedes Chromosoms. Das erschwert die Züchtung von neuen, ertragreichen Kartoffelsorten. (Bildquelle: © Ulrich Pollmann)

Das Genom der Kartoffel ist hochkomplex: Die Pflanzen besitzen vier Kopien jedes Chromosoms. Das erschwert die Züchtung von neuen, ertragreichen Kartoffelsorten. (Bildquelle: © Ulrich Pollmann)

Endlich geschafft! Über 20 Jahre nachdem das menschliche Erbgut entschlüsselt wurde, ist es auch bei der Kartoffel soweit. Dieses Kunststück gelang Forschenden der Ludwig-Maximilians-Universität München und des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung. Damit rückt die Züchtung ertragreicherer, resistenterer Kartoffelsorten in greifbare Nähe.

Was Quinoa, Goji-Beeren oder Chia-Samen können, kann die Kartoffel (Solanum tuberosum) schon lange. Denn die unscheinbaren Knollen sind ein wahres „Superfood“. Kartoffeln sind nicht nur reich an Kohlenhydraten und Eiweiß, sie enthalten auch wichtige Nährstoffe wie Kalium, Magnesium und Eisen sowie die Vitamine B1, B2 und C.

Vierfacher Chromosomensatz erschwert DNA-Analyse

Nach ihrer Einführung in Europa im 16. Jahrhundert wurde die Kartoffel schnell zum wichtigsten Grundnahrungsmittel des Kontinents. Und auch in Asien, wo Reis der „Sattmacher“ der Wahl ist, werden mehr Kartoffeln angebaut. Denn Kartoffeln sind genügsam, brauchen nur wenig Wasser und können einen wichtigen Beitrag leisten, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren.

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Kartoffeln sind genügsam und wachsen auch auf trockenen, salzigen Böden. Studien zeigen, dass die Kartoffel so zu einer höheren Ernährungssicherheit weltweit beitragen könnte.

Kartoffeln sind genügsam und wachsen auch auf trockenen, salzigen Böden. Studien zeigen, dass die Kartoffel so zu einer höheren Ernährungssicherheit weltweit beitragen könnte.

Bildquelle: © Nadezhda56 / Pixabay

Der einzige Makel: Kartoffeln lassen sich nur mühsam züchten. Es gibt kaum Vielfalt im heutigen Kartoffelangebot und das macht diese Pflanze auch sehr anfällig gegenüber Krankheitserregern. Auch der Ertrag der Kartoffelsorten hat sich deshalb in den letzten Jahrzehnten kaum nach oben bewegt.

Ein Grund liegt im komplexen Genom dieser Pflanzen: Während Forscher:innen die Genome anderer Nutzpflanzen schon vor langer Zeit entschlüsseln und so deren Erträge durch zielgerichtete Züchtung steigern konnten, bissen sie bei der Kartoffel auf Granit. Das Erbgut der polyploiden Pflanzen ist hochkomplex: Kartoffeln sind tetraploid, das heißt sie besitzen einen vierfachen Chromosomensatz. Jeder Elternteil vererbt den Nachkommen je zwei Kopien jedes Chromosoms. Somit liegt auch jedes Gen viermal vor. Das Genom zu rekonstruieren und gewünschte Genvarianten für die Züchtung zu identifizieren, ist daher eine schwierige, aber letztendlich lösbare Aufgabe.

DNA-Sequenz aus Pollenzellen ermöglicht Züchtung

Der Genetiker Professor Korbinian Schneeberger und sein Team hatten dazu die zündende Idee. Sie extrahierten die Kartoffel-DNA nicht aus Blattzellen, sondern aus Pollenzellen, die nur zwei Chromosomensätze besitzen. Das Forschungsteam sequenzierte 717 Pollengenome, um erstmals die vollständige DNA-Sequenz der Kartoffelsorte Otava zu rekonstruieren. Das führte zu erstaunlichen Erkenntnissen: Von 38.214 Genen sind nur 54 Prozent in allen vier Haplotypen vertreten. Tatsächlich ist etwa die Hälfte des Genoms identisch, während ein Fünftel des Genoms große strukturelle Unterschiede aufweist.

Das rekonstruierte Genom kann nun genutzt werden, um Genvarianten zu bestimmen, die zu guten und schlechten Eigenschaften bei Kartoffeln führen. Professor Schneeberger betont: „Anhand dieser Studie können wir nun die genombasierte Züchtung neuer Kartoffelsorten unterstützen, die produktiver und widerstandsfähiger gegen den Klimawandel sind – dies könnte einen enormen Einfluss auf die weltweite Ernährungssicherheit in den kommenden Jahrzehnten haben.“


Quelle:
Sun, H. et al. (2022): Chromosome-scale and haplotype-resolved genome assembly of a tetraploid potato cultivar. In: Nature Genetics, (3. März 2022), doi: 1038/s41588-022-01015-0.

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Titelbild: Das Genom der Kartoffel ist hochkomplex: Die Pflanzen besitzen vier Kopien jedes Chromosoms. Das erschwert die Züchtung von neuen, ertragreichen Kartoffelsorten. (Bildquelle: © Ulrich Pollmann)