Selen und seine negative Wirkung auf Honigbienen

11.05.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Westliche Honigbiene - Apis mellifera L. (Quelle: ©  Waugsberg/ wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)

Die Westliche Honigbiene - Apis mellifera L. (Quelle: © Waugsberg/ wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)

Das Spurenelement Selen ist in geringen Mengen für alle Organismen lebensnotwenig. Ein Überschuss an Selen ist jedoch giftig. In Experimenten stellten Forscher nun fest, dass Selen die Nahrungssuche von Honigbienen stört und deren Lebensdauer verringern kann.

Selen ist ein chemische Element, das in geringen Mengen für die Entwicklung aller Lebewesen notwendig ist. Es zählt damit zu den essentiellen Spurenelementen. Überschreitet die Konzentration jedoch die notwendige Menge, ist Selen giftig. Beim Menschen sind Übelkeit oder Haarverlust typische Vergiftungserscheinungen. Selen kommt in bestimmten alkalischen Böden natürlich vor. Es gelangt somit auch in Pflanzen. Das wiederum könnte Bestäuber beeinflussen. Wissenschaftler untersuchten nun, ob unterschiedliche Selen-Konzentrationen Auswirkungen auf Bestäuber haben. Hierzu untersuchten die Forscher beispielhaft die Westliche Honigbiene (Apis mellifera L.).

In Experimenten fanden sie heraus, dass Selen die Nahrungssuche der Insekten stört. So reagieren die, mit höheren Dosen Selen in Berührung gekommenen, Honigbienen nicht mehr normal auf Zucker (Saccharose). Zudem starben diese Honigbienen signifikant früher.

Die Forscher untersuchten dabei die Wirkung organischer (Selenomethionin) und anorganischer (Selenat) Formen von Selen, die häufig in Selen-akkumulierenden Pflanzen auftreten.

Zuerst testeten die Wissenschaftler, ob die Honigbienen Selen in ihrer Nahrung erkennen können. Die Forscher stellten verschiedene Saccharose-Lösungen für die Bienen bereit und beobachteten deren Reaktion. Bei dem Experiment enthielten die Lösungen neben Saccharose zusätzlich noch Selenat oder Selenomethionin – es wurde jeweils mit fünf verschiedenen Konzentrationen zwischen 0.6 - 6000 µg pro ml getestet. Eine 100% aus Saccharose und Wasser bestehende Lösung diente hierbei als Kontrolle. Bienen nahmen auch die Lösungen mit hohen Selen-Konzentrationen zu sich. Das Experiment zeigt, dass Honigbienen ebenfalls Pflanzen als Nahrungsquelle nutzen würden, die Selen in großen Mengen gespeichert haben. Bienen können Selen demnach, trotz seiner toxischen Wirkung, nicht wahrnehmen.

Selen stört die Nahrungssuche

In einem zweiten Schritt stimulierten sie die Antennen der Bienen mit denselben Saccharose-Lösungen. Bienen reagieren darauf normalerweise mit einem Saugreflex, da der Zucker ihnen signalisiert, dass sie Nahrung gefunden haben. Bei Selenomethionin zeigte sich ein verringerter Saugreflex, jedoch nicht bei Selenat.

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Die Nahaufnahme der Versuchsanordnung zeigt, wie die Honigbienen eine Zucker-Selen-Lösung von den Forschern verabreicht bekommen.

Die Nahaufnahme der Versuchsanordnung zeigt, wie die Honigbienen eine Zucker-Selen-Lösung von den Forschern verabreicht bekommen.

Bildquelle: © UCR Strategic Communications

Zusätzlich testeten die Forscher die Reaktion auf Saccharose zwei Stunden nach einer Fütterung mit Selen. Die Honigbienen zeigten nach der Aufnahme von Selenat, nicht aber nach der von Selenomethionin, eine veränderte Reaktion: Diese sprachen weniger auf Saccharose an. Ist die Wahrnehmung von Zucker gestört, erkennen die Bienen den Nektar der Pflanzen nicht als Nahrung. Demzufolge geben sie die Information über die Nahrungsquelle auch nicht an die anderen Sammlerinnen weiter. So könnten weniger Nahrungsquellen gefunden und das ganze Bienenvolk dadurch beeinträchtigt werden. Sowohl Selenat, als auch Selenomethionin störten demnach die Nahrungssuche der Honigbienen auf die eine oder andere Weise.

Verkürzt Selen die Lebensdauer?

Desweiteren untersuchten die Forscher, ob Selen Auswirkungen auf die Lebensdauer der Honigbienen hat. Sie stellten fest, dass die Honigbienen, die Selen ausgesetzt waren, signifikant früher starben. Bei der höchsten Konzentration (6000 µg pro ml) von Selenat betrug die Sterberate 67%; Bei derselben Konzentration an Selenomethionin betrug sie 59%. Selenomethionin führte bei den Bienen jedoch nur bei der höchsten Konzentration zu einem früheren Tod.

Daneben ist die Dauer der Dosierung entscheidend. Honigbienen, die nur einmal mit Selen in Berührung kamen, lebten länger als solche, denen über längere Zeit Selen verabreicht wurde. Bei einer fünftägigen Fütterung erhöhte sich die Sterberate bei Selenat auf 89%; Bei Selenomethionin auf 81%.

In vorangegangenen Gewächshausexperimenten hatten die Wissenschaftler bereits untersucht, ob Selen in Pflanzen akkumuliert wird, wenn diese mit einer Wasser-Selen-Lösung gegossen werden. Dabei fanden sie heraus, dass die Pflanzen bis zu 60 µg Selen pro ml einlagerten. Diese Konzentration würde der neuen Studie zufolge ausreichen, um die Lebensdauer der Honigbienen signifikant zu verkürzen. Sammeln Honigbienen also von dieser Pflanze Nektar, könnten sie demnach eventuell weniger auf Saccharose reagieren und auch früher sterben.

Bienen sind nützliche Bestäuber

Honigbienen sammeln Nahrung in großen Gebieten und bringen pflanzliche Stoffe (Nektar, Pollen) zurück in ihre Bienenstöcke. Und damit gegebenenfalls auch gefährliche Mengen an Schadstoffen, wie beispielsweise Selen. Der Schutz von Bestäubern – darunter auch Honigbienen – liegt den Forschern nahe, da sie durch die Bestäubung von Pflanzen eine nützliche Rolle in unseren Ökosystemen spielen. Von diesen Ökosystemdienstleistungen profitiert ein großer Teil der Nutzpflanzen. Viele sind sogar auf die Bestäubung von Tieren angewiesen. Daher ist der Schutz von Bestäubern essentiell.

Die neuen Forschungsergebnisse sensibilisieren für natürliche Schadstoffquellen, denen Bestäuber ausgesetzt sind. Selen kommt jedoch nicht nur natürlich vor, sondern wird auch durch den Menschen freigesetzt. In Böden tritt Selen vornehmlich in den Pazifikstaaten, aber auch weltweit in der Nähe von Kohlekraftwerken, in der löslichen Form Selenat auf. Da Kohle bis zu 10 ppm Selen enthalten kann, wird es in größeren Mengen bei der Verbrennung in Kraftwerken freigesetzt. Aber auch als Nebenprodukt von Müllverbrennungsanlagen. So gelangt es in die Luft (Flugasche) und kann von dort leicht in die umliegenden Böden gelangen. Daher werden die Böden durch industrielle Prozesse zusätzlich mit Selen angereichert. Auch die Agrarwirtschaft trägt ihren Teil dazu bei. Landwirtschaftliche Drainagen lösen Selen aus den Böden und bewirken den Aufbau von Selenat. Die Entwässerung von landwirtschaftlich genutzten Böden, hat z.B. im Kesterson Reservoir im US-Bundesstaat Kalifornien zu einer starken Selenverunreinigung geführt.

Die vorliegende Studie hilft die Zusammenhänge der Biotransformation von Selen besser zu verstehen, mit dem Ziel Bestäuber effizienter schützen zu können. Da alle Experimente unter kontrollierten Bedingungen erfolgten, stellen Untersuchungen in der freien Natur den nächsten Schritt dar. Die Forscher wollen nun in Feldversuchen testen, ob ihre Ergebnisse unter natürlichen Bedingungen bestätigt werden.


Quelle:
Hladun, K. R. et al. (2012): Selenium Toxicity to Honey Bee (Apis mellifera L.) Pollinators: Effects on Behaviors and Survival. In: PLoS ONE 7(4): e34137, 13. April 2012, doi:10.1371/journal.pone.0034137

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