Wettrüsten in der Dämmerung

04.02.2011 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Innere Uhr der Pflanzen beeinflusst die Abwehr von Pathogenen. (Quelle: © iStockphoto.com/Milos Jokic)

Die Innere Uhr der Pflanzen beeinflusst die Abwehr von Pathogenen. (Quelle: © iStockphoto.com/Milos Jokic)

Pflanzen rüsten sich für den Angriff von Pathogenen. Wenn im Morgengrauen die Mehltausporen fliegen, ist die Pflanze auf eine mögliche Infektion schon vorbereitet.

Pflanzen können sich auf eine zukünftige Infektion von Pathogenen vorbereiten, indem sie die Expression bestimmter Resistenzgene zu der Tageszeit hochfahren, in denen eine Infektion am wahrscheinlichsten ist. Dieses Timing erreichen sie durch die Synchronisierung der Abwehrmechanismen mit ihrer „Inneren Uhr“ (Circadianische Rhythmik). Dies berichten Forscher, die am Beispiel der Ackerschmalwand die genetischen Grundlagen der Resistenz gegen den Eipilz Hyaloperonospora arabidopsidis, dem Auslöser des „Falschen Mehltaus“, untersuchten. 

Die circadiane Rhythmik hilft einem Organismus, sich auf täglich wiederkehrende Phänomene einzustellen. Sie ermöglicht der Pflanze, Umweltbedingungen und biologische Ereignisse zu antizipieren, die zu einer bestimmten Tageszeit eintreten. Der Biorhythmus nimmt Einfluss auf viele Ebenen des Organismus. Er steuert beispielsweise Blattbewegungen und die Blütenöffnung. Ebenso scheint er Einfluss auf die Abwehrmechanismen der untersuchten Pflanzen zu nehmen. 

Komplexe Geninteraktionen

Die pflanzliche Immunabwehr wird von einem komplexen Signalnetzwerk gesteuert, das bislang noch nicht vollständig entschlüsselt wurde. Bekannt ist, dass Pflanzen spezielle Resistenzgene besitzen, die Krankheitserreger erkennen können. Im Fall einer Infektion setzten diese „Detektorgene“ die Transkription weiterer „Abwehrgene“ in Gang. 

Das Resultat sind physiologische Abwehrreaktionen. Arabidopsis thaliana verdankt ihre natürliche Resistenz gegen den Mehltauerreger einem Gen mit dem Namen RPP4. Wie die Wissenschaftler in ihrer Studie herausfanden, sind neben RPP4 noch 22 weitere Gene am Abwehrmechanismus der Ackerschmalwand beteiligt. Diese Gene arbeiten nachgeordnet zu RPP4 und setzten verschiedene Reaktionen in Gang, wie den programmierten Zelltod befallener Zellen, die Aufstockung der antimikrobiellen Substanzen antimikrobiell in der Zelle und die Vernarbung infizierter Zellbereiche, die dem Pathogen die Verbreitung in andere Zellen erschwert. 

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Erreger des Falschen Mehltaus als Forschungsobjekt.

Erreger des Falschen Mehltaus als Forschungsobjekt.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ Andreas Reh

Zum Erstaunen der Forscher waren diese nachgeordneten Gene eng mit dem für die „Innere Uhr“ der Pflanzen ausschlaggebenden Transkriptionsfaktor CCA1 verknüpft bzw. wurden von diesem reguliert. Im Experiment wurde diese Verknüpfung sichtbar: In den 48 Stunden nach der Infektion der Pflanzen beobachteten die Wissenschaftler starke Schwankungen in der Expression der Abwehrgene. Diese hatten ihren Höhepunkt im Morgengrauen, flauten über den Tag ab und erreichten ihr Minimum am Abend. Könnte dies eine perfekte Anpassung an die Feinde der Pflanze sein? Die Forscher denken ja. Denn auch Hyaloperonospora arabidopsidis hat einen ähnlichen Tagesrhythmus: Der Eipilz (Oomycete) produziert seine Sporen in der Nacht und verbreitet diese im Morgengrauen, vielleicht weil dann die hohe Luftfeuchtigkeit eine optimale Keimung der Samen auf dem neuen Wirt erlaubt. Nachmittags und abends ist die Infektionsgefahr hingegen gering.

Gut vorbereitet ist halb gewonnen

Um diese Hypothese zu überprüfen, verglichen die Wissenschaftler die Abwehrreaktionen von Wildtyppflanzen mit genetisch veränderten Pflanzen mit abgeschaltetem RPP4-Resistenzgen. Es zeigte sich, dass die veränderten Pflanzen anfälliger für den Falschen Mehltau waren als der Wildtyp. Zudem zeigten sogar die Wildtyppflanzen der Kontrollgruppe, die nur mit Wasser und nicht mit dem Eipilz besprüht wurden, eine über den Tag schwankende Expression der Abwehrgene. Wurden die Pflanzen jedoch am Abend infiziert, zeigten sie sich sehr viel anfälliger für den Erreger. Wildtyp und Mutanten reagierten dabei kaum unterschiedlich. Die Forscher werten dies als Zeichen dafür, dass sich die Pflanze gezielt auf die Tageszeit vorbereitet, in der eine Infektion am wahrscheinlichsten ist. 

Neue Perspektive für die Forschung

Die Ergebnisse der Studie haben auch Auswirkungen auf das Verständnis und die Bekämpfung anderer Pathogene. Wenn der Tagesrhythmus auch die Selbstverteidigungsmechanismen wirtschaftlich relevanter Pflanzen wie Kartoffeln und Weizen beeinflusst, könnten Pflanzenschutzmaßnahmen besser angepasst und so Ernteausfälle und Missernten verhindert bzw. vermindert werden. Und auch einige Tiere wie etwa Fruchtfliegen zeigen eine über den Tag schwankende Resistenz gegen bakterielle Infektionen. Anhaltspunkte für eine ähnliche Variation der menschlichen Immunabwehr gibt es ebenso. 

Unbekannt ist jedoch bislang, ob die im Tagesverlauf schwankende Sporenproduktion des Eipilzes Hyaloperonospora arabidopsidis eine direkte Antwort auf den Tag-Nacht-Zyklus ist oder ob der Parasit ebenso durch einen Circadianischen Rhythmus gelenkt wird. Beim Schimmelpilz Neurospora crassa konnte eine Tageszeit abhängige Sporenproduktion nachgewiesen werden. In einigen Pilzsorten fanden Wissenschaftler mittels Genomsequenzierung zudem Spuren von Proteinen, die für die Regulation einer „Inneren Uhr“ bedeutsam gewesen sein könnten. Eipilze sind zwar nur ferne Verwandte der Pilze. Die identifizierte circadianische Komponente in den Resistenzmechanismen der Ackerschmalwand lässt jedoch darauf schließen, dass auch andere pathogene Eipilze und Pilze einer „Inneren Uhr“ folgen könnten. 


Quelle:

  • Wei Wang et al. (2011): Timing of plant immune responses by a central circadian regulator. Nature 470 (3. Februar 2011), S. 110-114, doi:10.1038/nature09766 (abstract).
  • C. Robertson McClung (2011): Plant biology: Defence at dawn. Nature 470 (3. Februar 2011), S. 44-45, doi:10.1038/470044a (link).

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