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Wie werden wir 10 Milliarden Menschen satt kriegen?

Urs Niggli im Portrait

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Extrablatt | 20.01.2022

Urs Niggli im Portrait

Raus aus der Bioblase?! Biolandbau kann vieles, aber leider nicht alles... Urs Niggli gehört zu den weltweit führenden Experten, wenn es um Nachhaltigeit in der Landwirtschaft geht. Er beschäftigt sich mit traditionellem Wissen und neuen Technologien, hat eine klare Sicht über die Herausforderungen, die uns bevorstehen, und eine differenzierte Meinung zur Anwendung der neuen Gentechnik in der gesamten Landwirtschaft.

Professor Dr. Urs Niggli ist nicht wirklich im Ruhestand. Der Schweizer gilt als wissenschaftlicher Vordenker des Biolandbaus, denn er bereitete der ökologischen Landwirtschaft die wissenschaftliche Grundlage. 30 Jahre lang leitete der international hoch angesehene Agrarwissenschaftler das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL, das zu einem wichtigen Thinktank für den Biolandbau, artgerechte Haltung und Nachhaltigkeit geworden ist. Niggli beriet  Agrarminister und Gremien auf der ganzen Welt. Und Beraten tut er noch... UNO-Generalsekretär António Guterres wählte Niggli in die Wissenschaftsgruppe des Ernährungsgipfels 2021 der Vereinten Nationen. Er arbeitet auch eng mit Agroscope zusammen, hat diverse Honorarprofessuren inne und agiert als Präsident von agroecology.science, einem unabhängigen Forschungs- und Beratungsinstitut zur nachhaltigen Landwirtschaft. Als undogmatischer Brückenbauer sucht er stets nach konstruktiven Lösungen, um die Landwirtschaft nachhaltiger zu machen. In seinem Buch "ALLE SATT?" thematisiert er, dass die ökologische Landwirtschaft die Welt nicht ernähren kann. Das mache den Biolandbau zwar nicht unbedeutender, aber warum wir nicht in der "Bioblase" vor uns herträumen und glücklich sein können, leuchtet ein, wenn man seinen geistreichen Gedanken folgt... 

Urs Niggli im Portrait

Steckbrief Niggli: So antwortet er spontan auf...

Lieblingspflanze? "Ein Salatkopf!"
Lieblingsagrarprodukt? "Zum Beispiel Kürbis."
Lieblingsessen? "Eine wundervolle italienische Pasta..."
Vorbild? "Mein ETH-Professor Dr. Josef Nösberger. Er lehrte mich, stringent, seriös und ohne pauschale Urteile zu argumentieren."
Stichwort Nachhaltigkeit? "Für mich sehr wichtig, für viele Menschen abgedroschen."
Das brisanteste Streitthema? "Die Frage, ob moderne Züchtungsmethoden in der Landwirtschaft angewendet werden sollten..."
Das nervigste Vorurteil? "Dass, wenn man qualifiziert und engagiert im Biolandbau arbeitet, man sich weder Gedanken machen noch einmischen müsste in der Diskussion zur globalen Landwirtschaft!"

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Prof. Dr. Urs Niggli im Interview

Undogmatischer Brückenbauer und Experte für eine nachhaltige Landwirtschaft

Urs Niggli persönlich und ausführlich erleben

Das Video-Interview ist thematisch gegliedert in fünf Teile: 

  • Teil 1: Der Urvater über sich und typische Vorurteile im Biolandbau
  • Teil 2: Glücklich in der "Bioblase" leben - darf man das nicht? Über die bedeutende Nische Ökolandbau...
  • Teil 3: Ökolandbau und Veganismus können die Welt nicht ernähren?!
  • Teil 4: Ökolandbau und Gentechnik – passt das zusammen?
  • Teil 5: Wie sieht der Bauer der Zukunft aus?

Die Highlights des fünfteiligen Interviews sind zusammengefasst in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 10.02.2022 erschienen, die online Version ist HIER.

Der wissenschaftliche Vordenker des Biolandbaus sagt...

(Foto von Mafalda Rakoš, Wien)

Zitate zum Nachdenken...

Urs Niggli sagt, er sei in seiner „Nach-Bio-Ära“. Nun will er die konventionelle Landwirtschaft (LW) weltweit nachhaltiger machen. Denn obgleich sein Herz für Bio brennt: Es ist und bleibt eine Nische - europaweit mit 7%, weltweit mit nur 1,5% Anteil. Doch wie kriegt man die konventionelle LW nachhaltiger? „Das ist eine echte und sehr wichtige Herausforderung. Wir können nicht in der Bioblase vor uns her träumen und glücklich sein“, sagt er und betont, dass das den Biolandbau nicht unbedeutender mache: "Aus purer Not werden immer wieder neue Ideen entwickelt, wie man noch besser werden könnte mit den beschränkten Mitteln, die der Biolandbau hat...

Ökolandbau kann die Welt nicht ernähren, sagt Niggli. Es wäre nur möglich, wenn man die Ernährung global vollständig ändert, doch das sei eine gesellschaftliche Herausforderung, kein landwirtschaftliches Problem. Niggli unterstützt die vegane Bewegung, weil sie im Überkonsum gewisse Spitzen bricht. Aber eine rein vegane Ernährung könnte nicht alle Menschen auf der Erde ernähren, bemerkt er. Veganer helfen, dass weniger Viehfutter angebaut wird und ein Teil des Ackerlandes direkt in die menschliche Ernährung geht, doch 2/3 der Nutzflächen sind schützenswertes Grasland, auf dem auch nichts anderes wachsen würde...

„Das menschliche Gehirn ist die einzige Ressource, die angenehmerweise reproduzierbar ist." 

(Johan Norberg)

Niggli zitiert Norbergs Spruch in seinem Buch (ALLE SATT?) und erläutert: "Dass das menschliche Gehirn glücklicherweise eine unerschöpfliche Ressource ist, begleitet mich schon mein ganzes Leben. Der Spruch bedeutet, dass wir einerseits sehr viel traditionelles Wissen in uns tragen und andererseits fähig sind, ständig neue Innovation und Erfindungen zu machen. Beides müssen wir konsequent nutzen."

Danke, Urs, ...

für die geistreichen Gedanken, spannende Interviews und ein großartiges Buch!