Auch Pflanzen besitzen eine Darmflora

Forscher untersuchen die Eingeweide von Pflanzen und ihre Mitbewohner

14.02.2014 | von Gastautorin: Dr. Liselotte Selter

Viele Pflanzen gehen mit Bakterien sogenannte mutualistische Beziehungen ein, bei denen beide Partner voneinander profitieren. Im Fall der Bakterien und Pflanzen ist der Ort des Kennenlernens die Pflanzenwurzel. (Quelle: © iStockphoto / Thomas Vogel)

Viele Pflanzen gehen mit Bakterien sogenannte mutualistische Beziehungen ein, bei denen beide Partner voneinander profitieren. Im Fall der Bakterien und Pflanzen ist der Ort des Kennenlernens die Pflanzenwurzel. (Quelle: © iStockphoto / Thomas Vogel)

Pflanzen ernähren sich über ihre Wurzeln, die oft von einer Vielzahl unterschiedlicher Bakterien besiedelt werden. Letztere bilden dort ganze Lebensgemeinschaften, die je nach Art und Standort der Pflanze anders zusammengesetzt sind. Ähnlich zu menschlichen Darmbakterien sind sie für die Ernährung der Pflanzen von großem Nutzen. Angesichts der enormen mikrobiellen Diversität im Boden verblüfft es, dass gewisse Bakteriengemeinschaften aus einem konservierten Kern von nur 3 Bakterienfamilien bestehen.

Pflanzen sind standortgebundene Organismen und vorrangig auf die im Boden vorhandenen Nährstoffe und Wasser angewiesen. Dank komplexer Wurzelnetzwerke gelingt es ihnen, den Erdboden großflächig zu erschließen und dessen Nahrungsangebot optimal zu nutzen. Pilze aber auch Bakterien bilden in diesen komplexen Ökosystemen große Bodengemeinschaften und konkurrieren mit Pflanzen als auch anderen Bodenbewohnern um dessen wertvolle Ressourcen.

Pflanzen und Bakterien in enger Partnerschaft

Bodenbewohnende Bakterien und Pflanzen sind aber nicht immer hartgesottene Konkurrenten. Das Gegenteil ist sogar häufiger der Fall: Viele Pflanzen gehen mit Bakterien sogenannte mutualistische Beziehungen ein, bei denen beide Partner voneinander profitieren. Systemübergreifende Forschungsansätze haben gezeigt, dass neben diesen Symbiosen weit mehr Interaktionsformen zwischen Organismen existieren als bisher angenommen. Ökosysteme sind deshalb höchstkomplexe Systeme und reagieren deshalb sehr schnell auf kleinste Veränderungen. Im Fall der Bakterien und Pflanzen ist der Ort des Kennenlernens die Pflanzenwurzel. Durch deren Besiedelung versuchen verschiedenste bakterielle Arten eine enge Beziehung mit der Pflanze einzugehen. Für die Pflanze kann dies von großem Nutzen sein. Die Bakterien versorgen die Pflanzen nämlich mit wichtigen Nährstoffen, die für sie sonst nur schwierig zu erreichen sind. Im Gegenzug erhalten sie dafür kostbaren Zucker oder andere Stoffwechselprodukte von der Pflanze, die diese über die Wurzel ausscheidet.

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Die Wurzel der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana unter dem Mikroskop.

Die Wurzel der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana unter dem Mikroskop.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ defun

Da die Wurzel das Organ der Nahrungsaufnahme für die Pflanze ist, können Wurzeln demnach als „Eingeweide“ der Pflanzen betrachtet werden, so die Folgerung von Klaus Schlaeppi und Kollegen vom Max-Planck Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln. Analog sind die Wurzel-assoziierten Bakterien dann das Pendant zur menschlichen Darmflora. Erst vor kurzem wurde das menschliche Mikrobiom von der Gruppe um den Forscher Junjie Qin im Detail analysiert. Es wurde entdeckt, dass der menschliche Darm eine Art „Kern-Bakteriengemeinschaft“ beheimatet, die bei allen Menschen, unabhängig von deren geographischer oder ethnischer Herkunft, existiert. Man vermutet, dass sie eine für das Darmgleichgewicht und die Darmentwicklung essentielle Funktion übernehmen und deshalb in der Stammesgeschichte des Menschen konserviert blieben.

Nutzen Artgenossen gleiche Bakteriengemeinschaften?

Schlaeppi und seine Kollegen wollten nun wissen, ob Pflanzen ebenfalls solch konservierte Kerngemeinschaften an Bakterien aufweisen und inwiefern sich die Zusammensetzung der bakteriellen Wurzelgemeinschaften je nach Pflanzenart unterscheidet. Auch sollte ermittelt werden, ob eventuell vorhandene Unterschiede in den Bakteriengemeinschaften unterschiedlicher Pflanzen in erster Linie auf Verwandtschaftsverhältnisse der Pflanzenarten zurückzuführen sind oder ob doch umweltbedingte Faktoren eine grössere Rolle spielt.

Um Antworten auf diese Fragen zu finden, verglichen die Forscher die Bakteriengemeinschaften von vier Ackerschmalwand (Arabidopsis-) Arten unterschiedlichen Verwandtschaftsgrad, die auch verschiedene natürliche Lebensräume besiedeln. Die Pflanzen wurden dabei einerseits im Gewächshaus als auch in ihrer natürlichen Umgebung untersucht. A. thaliana, A. lyrata und A. halleri haben sich erst kürzlich, vor ca. 8 Millionen Jahren auseinanderentwickelt. Die älteste der vier Arten, Cardamine hirsuta, hat sich dagegen bereits vor 35 Millionen Jahren von ihren Arabidopsis-Schwestern abgespalten. Sie wächst, ebenso wie A. thaliana und A. lyrata, am besten an trockenen und kargen Standorten. A. halleri ist als einzige an feuchte, nährstoffreiche Lebensräume angepasst, in denen auch grössere Nahrungskonkurrenz herrscht. Die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaften wurde von den Forschern mittels Sequenzanalyse der artspezifischen 16S rRNA ermittelt.

Pflanzen besitzen eine eigene „Darmflora“

Die Forschergruppe kam zu folgenden wichtigen Erkenntnissen: Es gibt zwar Unterschiede in der Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaften zwischen den vier untersuchten Pflanzenarten, aber ähnlich zum menschlichen Darm, gibt es eine konservierte „Kern-Bakteriengemeinschaft“, die allen vier Wirtsarten gemeinsam ist. Die Mitgliedern dieser Kern Gemeinschaft gehören einer überraschend kleinen taxonomischen Gruppe an, die aus lediglich drei Familien besteht: Den Actinomycetales, Burkholderiales und Flavobacteriales.

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Ein besseres Verständnis darüber, wie Pflanzen, Umwelt und Zusammensetzung von Wurzel assoziierten bakteriellen Lebensgemeinschaften zusammenhängen optimiert den Anbau von Nutzpflanzen.

Ein besseres Verständnis darüber, wie Pflanzen, Umwelt und Zusammensetzung von Wurzel assoziierten bakteriellen Lebensgemeinschaften zusammenhängen optimiert den Anbau von Nutzpflanzen.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ Orcea David

Dieser konservierte Kern stellt jedoch nur einen Teil der Wurzelbakterien-Gemeinschaft dar. Der andere Teil, setzt sich aus Bakterien zusammen, die spezifisch an den Standort der Pflanzen angepasst ist. Diese duale Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft ist die zweite wichtige Erkenntnis dieser Studie. Die Forscher stellten fest, dass die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft stärker von der Umwelt abhängig ist, als von der jeweiligen Wirtspflanzenart. So glichen die Bakterien von A. thaliana stärker jenen von A. lyrata als von A. halleri, obwohl letztere Wirtspflanze phylogenetisch näher mit A. thaliana verwandt ist als A. lyrata. Wahrscheinlich hat also die ökologische Anpassung von A. halleri an ihre spezielle Umgebung, bei der Selektion der Bakteriengemeinschaft eine wichtigere Rolle gespielt. Die Unterschiede, die zwischen den Bakteriengemeinschaften verschiedener Pflanzenarten gefunden wurden, waren größtenteils quantitativ. So war beispielsweise der Anteil einer bestimmten Bakterienfamilie bei einer gewissen Arabidopsis-Art größer als bei anderen, während dem für andere Bakterienfamilien das Gegenteil der Fall war.

Zusammenfassend trägt also nicht nur die phylogenetische Distanz zwischen Wirtspflanzen, sondern auch deren wirts-spezifische Anpassung an ökologische Lebensräume maßgeblich zur Diversifizierung von Wurzelbakterien-Gemeinschaften bei. Weshalb genau diese drei spezifischen Kern-Bakterienfamilien über einen so langen Zeitraum konserviert blieben, dafür haben die Forscher zwei mögliche Erklärungen: Entweder konnten sie sich über die 35 Millionen Jahre Stammesentwicklung in ihrer Funktion für den Wirt behaupten und gegen andere Bakterien durchsetzen - oder die Pflanzen erkannten den Nutzen dieser spezifischen Familien schon sehr früh, und luden sie seitdem kontinuierlich zu einer Symbiose ein.

Ein besseres Verständnis darüber wie Pflanzen, Umwelt und Zusammensetzung von Wurzel assoziierten bakteriellen Lebensgemeinschaften zusammenhängen ist für auch für den Anbau von Kulturpflanzen von großer Bedeutung. Weiß man nämlich, welche Eigenschaften gewisser Bakterien für die Pflanze positive sind und mit welchen Bakterien sich Pflanzen am liebsten assoziieren, erlaubt das, den Anbau von Nutzpflanzen gezielt zu optimieren. Durch die Wahl des richtigen Düngers oder sogar durch Zugabe der richtigen Symbiose-Partner in den Boden können somit bedeutende Ertragssteigerungen erreicht werden.


Quellen:

  • Schlaeppi K. et al. (2013): Quantitative divergence of the bacterial root microbiota in Arabidopsis thaliana relatives. In: PNAS 111(2):585-92 (27. November 2013), doi:10.1073/pnas.1321597111.
  • Qin et al. (2010): A human gut microbial gene catalogue established by metagenomic sequencing. In: Nature 464 (7285):59-65. (4. März 2013), doi:10.1038/nature08821.

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Titelbild: Viele Pflanzen gehen mit Bakterien sogenannte mutualistische Beziehungen ein, bei denen beide Partner voneinander profitieren. Im Fall der Bakterien und Pflanzen ist der Ort des Kennenlernens die Pflanzenwurzel. (Quelle: © iStockphoto / Thomas Vogel)