Pflanzen-Doping

Vitamin B6 schützt Pflanzen vor Schäden durch Ammoniumdüngung

24.02.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ammonium-Dünger hat Vorteile: Er ist billiger herzustellen und wird auch nicht so schnell ins Grundwasser ausgewaschen wie Nitrat. (Bildquelle: © iStock.com / iamporpla)

Ammonium-Dünger hat Vorteile: Er ist billiger herzustellen und wird auch nicht so schnell ins Grundwasser ausgewaschen wie Nitrat. (Bildquelle: © iStock.com / iamporpla)

Wie alle Lebewesen brauchen auch Pflanzen Stickstoff zum Wachsen. Besonders Kulturpflanzen haben einen erhöhten Bedarf. Da die Böden oft nicht ausreichend Stickstoff enthalten, wird dieser in Form von Nitrat- oder Ammonium-Dünger zugeführt. Die Vorteile von Ammonium: Es ist billiger herzustellen und wird auch nicht so schnell ins Grundwasser ausgewaschen wie Nitrat. Doch zu viel Ammonium hemmt bei Pflanzen das Wurzelwachstum. Ein Team um den Wissenschaftler Professor Nicolaus von Wirén hat jetzt einen Mechanismus aufgedeckt, der die Pflanzen vor den Folgen der Ammonium-Toxizität bewahrt. Im Mittelpunkt steht das Vitamin B6. Das könnte ein neuer Ansatzpunkt für die Züchtung stressresistenterer Sorten sein.

Damit Pflanzen gut wachsen, brauchen sie Stickstoff. Besonders Kulturpflanzen sind hungrig nach diesem essentiellen Element, das entweder in Form von Nitrat oder Ammoniumsalzen als Dünger genutzt wird. Da Nitrat stärker durch Niederschläge ins Grundwasser ausgewaschen wird, setzen viele Landwirt:innen auf Ammonium-Dünger.

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Kulturpflanzen haben einen großen Nährstoffbedarf und müssen daher gedüngt werden.

Kulturpflanzen haben einen großen Nährstoffbedarf und müssen daher gedüngt werden.

Bildquelle: © iStock.com / fotokostic

Um die Auswaschung von Ammoniumsalzen zusätzlich zu minimieren, wird dieser Dünger nicht gleichmäßig über den Boden verteilt oder auf die Pflanzen gesprüht, sondern konzentriert in wenige Zentimeter tiefe Furchen, sogenannten Düngebändern, in den Boden eingebracht. Aber das hat Folgen: „Kommen die Wurzeln dort in direkten Kontakt mit dem Ammonium, werden sie kürzer“, erklärt Prof. Dr. Nicolaus von Wirén, der am IPK Gatersleben die Abteilung Physiologie und Zellbiologie leitet.

Ammonium hemmt das Wurzelwachstum

Denn ließen sie Arabidopsis-Pflanzen sechs Tage lang auf einem Nährboden mit jeweils einer Konzentration von 1 bzw. 10 mM Ammonium als einziger Stickstoffquelle wachsen, verkürzten sich die Wurzeln im Vergleich zu Nitrat-gedüngten Pflanzen um 25 bzw. 35 Prozent. Das führte dazu, dass auch die gesamten Pflanzen kleiner waren. Die toxische Wirkung des Ammoniums war bereits am ersten Tag zu sehen, der Mechanismus scheint also sehr schnell zu wirken.

Doch was genau läuft in den Wurzelzellen ab? Dies konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herausfinden, indem sie sogenannte reaktive Sauerstoffspezies wie zum Beispiel Wasserstoffperoxid (H2O2) nachwiesen, die bei hohen Ammonium-Konzentrationen in den Wurzelzellen gebildet werden. Diese verringern das Streckungswachstum der Wurzelzellen und stören die Zellteilung – die Wurzeln bleiben kurz.

Vitamin B6 zerstört die reaktiven Sauerstoffspezies

Das Forschungsteam um von Wirén hat in Zusammenarbeit mit dem Team um Professor Teresa Fitzpatrick von der Universität Genf auch herausgefunden, dass Vitamin B6 die reaktiven Sauerstoffspezies neutralisieren kann.

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Drei Arabidopsis-Pflanzen: Die Pflanze links wurde nur mit Nitrat gedüngt und hat eine normal entwickelte Wurzel. Die in der Mitte und rechts mussten mit unterschiedlichen hohen Ammonium-Konzentrationen zurechtkommen und zeigen eine verkürzte Wurzel mit wenigen kurzen Seitenwurzeln.

Drei Arabidopsis-Pflanzen: Die Pflanze links wurde nur mit Nitrat gedüngt und hat eine normal entwickelte Wurzel. Die in der Mitte und rechts mussten mit unterschiedlichen hohen Ammonium-Konzentrationen zurechtkommen und zeigen eine verkürzte Wurzel mit wenigen kurzen Seitenwurzeln.

Bildquelle: © IPK Leibniz-Institut

Dieses lebenswichtige Vitamin liegt in insgesamt sechs Formen vor, auch Vitamere genannt. Den positiven Effekt zeigten jedoch nur die beiden nicht-phosphorylierten Formen Pyridoxal und Pyridoxin. Sie konnten die giftigen Sauerstoffradikale besonders gut eliminieren. Denn erhielten die Pflanzen auf Ammonium-Diät eines dieser beiden Vitamere in ihrer Nährlösung, wuchsen ihre Wurzeln wieder ganz normal.

Dieser Zusammenhang bestätigte sich bei der Untersuchung verschiedener Mutanten. Pflanzen mit einer Überexpression des Gens PDX1.1 zeigten eine hohe Ammonium-Resistenz. Das ist nicht verwunderlich, denn dieses Gen ist maßgeblich an der Produktion von Vitamin B6 beteiligt. Umgekehrt reagierten Mutanten, deren Gen PDX1.1 defekt war, besonders sensibel auf Ammonium.

PDX1.1 vermittelt noch weitere Resistenzen

Doch was bedeutet das jetzt für den Pflanzenbau? „Man müsste eigentlich den Ammoniumdünger mit Vitamin B6 umhüllen“, sagt von Wirén. Doch das werde sich allein aus ökonomischen Gründen wohl nicht durchsetzen, mutmaßt der Wissenschaftler.

Ein anderer Ansatzpunkt wäre es, Nutzpflanzen mit erhöhter Aktivität des Enzyms PDX1.1 zu züchten. Denn von Wiréns Experimente zeigten, dass diese Pflanzen nicht nur gegen hohen Dosen Ammonium resistenter sind. Sie können sich auch bei anderen Stressfaktoren, wie Phosphatmangel oder Nickel-Toxizität, besser behaupten.


Quelle:
Liu, Y. et al. (2022): PDX1.1-dependent biosynthesis of vitamin B6 protects roots from ammonium-induced oxidative stress. In: Molecular Plant (18. Januar 2022), doi: 10.1016/j.molp.2022.01.012.

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Titelbild: Ammonium-Dünger hat Vorteile: Er ist billiger herzustellen und wird auch nicht so schnell ins Grundwasser ausgewaschen wie Nitrat. (Bildquelle: © iStock.com / iamporpla)