Anbau herbizidresistenter Pflanzen im Vergleich

Nur eine Vogelart mehr gefährdet als bisher

Wenn gentechnisch veränderte herbizid-resistente Pflanzen angebaut werden, hat dies weniger negative Folgen für Vögel als bislang befürchtet. Das ist eines der Ergebnisse eines von britischen Wissenschaftlern entwickelten Modells, mit dem der Einfluss landwirtschaftlicher Methoden auf die Biodiversität abgeschätzt werden kann. In der Januar-Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Science" stellten Simon Butler und seine Kollegen von der Universität Reading ihr Modell vor.

Als Modellorganismus für ihr System der Risikoabschätzung landwirtschaftlicher Nutzungskonzepte wählten die Wissenschaftler der Universität Reading Vögel, die in ländlichen Gegenden vorkommen. Die Entwicklung der Vogelpopulationen gilt als ein wichtiger und empfindlicher Indikator für wünschenswerte oder nachteilige Veränderungen in Landschaften und Ökosystemen.

Dr. Simon Butler, Wissenschaftler am Centre for Agri-Environmental Research an der Universität Reading:

„Wenn gentechnisch veränderte Pflanzen in der jetzigen Agrarlandschaft Großbritanniens eingeführt werden, wird nur eine einzige Art mehr gefährdet sein als bisher.“

Nur der Wiesenpieper (Anthus pratensis) würde durch den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen von „gelb“ nach „rot“ herabgestuft.

Der Grad der Gefährdung wird in drei Klassifizierungen ausgedrückt: grün (für am wenigsten gefährdet), gelb und rot (höchste Gefährdung)

Der höchste Risikofaktor von allen 62 einbezogenen Vogelarten wurde für die Grauammer (Miliaria calandra) berechnet. Diese Art steht auf der „roten Liste“ der vom Aussterben bedrohten Vögel

Seit 1970 werden in Großbritannien Populationen von Wildvögeln erhoben. Die auf landwirtschaftlichen Flächen vorkommenden Vögel werden in dem so genannten „Farmland bird index“ (FBI) festgehalten. Im Zeitraum von 1970 bis heute zeigt der FBI eine Reduzierung der Vogel-Populationen auf etwa die Hälfte. Dies wird allgemein auf die Intensivierung der Landwirtschaft zurückgeführt, die absehbar weiter zunehmen wird. In Großbritannien wird mit einer Verdopplung der landwirtschaftlichen Produktion bis 2050 gerechnet. Dennoch: Die britische Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Abnahme in den Vogelpopulationen bis 2020 umzukehren.

Risikofaktoren für 62 Vogel-Arten

Getestet haben die Wissenschaftler ihr Modell zunächst an den landwirtschaftlichen Veränderungen der letzten 40 Jahre, weil sie hierfür ihre Berechnungen vergleichen konnten mit den erhobenen Daten zu den Vogelpopulationen.

Sechs Schlüssel-Faktoren der landwirtschaftlichen Intensivierung wurden im Hinblick auf ihre Auswirkungen für Vögel überprüft:

  • Wechsel von Frühjahrs- auf Wintersaat
  • erhöhter Einsatz von Chemikalien
  • Verlust von nicht-kultivierten Habitaten
  • vermehrte Trockenlegung von Boden
  • Wechsel von Heu- auf Silageproduktion
  • die Intensivierung des Grünflächen-Managements.

Alle diese Faktoren wirken sich auf die Vogelpopulationen negativ aus. Basis für die Bewertung war dabei das, was Vögel in ihrem Lebensraum brauchen: Möglichkeiten zum Nisten und zur Futtersuche sowie ausreichend vorhandenes Futter. In die Bewertung floss auch ein, wie empfindlich eine Art auf Veränderungen der Umwelt reagiert. Vogelarten, die ein breites Beutespektrum haben und in unterschiedlichen Habitaten leben können, sind weniger gefährdet als sehr spezialisierte Arten.

Für insgesamt 62 Vogelarten, die im ländlichen Bereich zu finden sind, wurde ein Risikofaktor abgeleitet - sowohl bezogen auf jeden einzelnen der untersuchten Faktoren als auch in der Gesamtheit.

Es zeigte sich, dass die berechneten Populationsentwicklungen für einzelne Vogelarten in hohem Maße mit der tatsächlichen Entwicklung übereinstimmten.

In einem zweiten Schritt wurde das Modell dann auf zwei neue landwirtschaftliche Anbaukonzepte angewendet, deren möglicher Einfluss auf die Biodiversität in der öffentlichen Diskussion steht. Dabei ging es zum einen um den Anbau gentechnisch veränderter herbizidresistenter Pflanzen zum andern um eines der so genannten „Agro-Umwelt-Systeme“ für eine nachhaltigere Landwirtschaft, die 2005 in Großbritannien eingeführt wurden.

Anbau von gv-Pflanzen vergleichbar mit konventionellem Anbau

Um die Folgen des Anbaus gentechnisch veränderter herbizidresistenter Pflanzen mit Hilfe ihres Modells abzuschätzen, konnten die Wissenschaftler auf die Ergebnisse der Farm Scale Evaluations (FSE) zurückgreifen. In einer groß angelegten Studie waren in Großbritannien von Oktober 2003 bis März 2005 auf 270 Feldern verschiedene Unkrautbekämpfungssysteme im Hinblick auf ihre Folgen für die Biodiversität verglichen worden. Eine Hälfte der Felder wurde mit konventionellen Methoden bewirtschaftet, auf der anderen Hälfte wuchsen Pflanzen mit gentechnisch vermittelter Herbizidresistenz. Bei diesen HR-Konzepten werden entsprechende Komplementärherbizide ausgebracht, die die Unkräuter vernichten, ohne die Kulturpflanze zu schädigen.

Die Untersuchungen hatten für Sommerraps und Rüben ergeben, dass auf den Feldern mit HR-Pflanzen am Ende der Anbausaison weniger Unkräuter standen und es entsprechend weniger zu Boden fallende Samen gab. Bei Winterraps war vor allem die Zusammensetzung der Unkräuter bei den HR-Feldern anders, es gab mehr Gräser und weniger Blütenpflanzen. Aus diesen Ergebnissen wurde geschlossen, dass langfristig HR- Konzepte möglicherweise die Lebensbedingungen bestimmter Tierarten verschlechtern könnten, etwa für Bestäuber wie Schmetterlinge, aber auch für Vögel, die Insekten und Samen fressen.

Für die Risikoabschätzung nach dem Modell von Simon Butler und seinen Kollegen wurden etwa zwei Drittel der Vogelarten auf ihrer Liste als empfindlich für den Wechsel zu herbizidresistenten Pflanzen eingestuft und es wurde befürchtet, dass die Populationen dieser Arten bei der großflächigen Einführung von HR-Konzepten abnehmen würden. Das Ergebnis ihrer Berechnungen fiel dann aber anders aus als erwartet. Nur für eine Art, nämlich den Wiesenpieper (Anthus pratensis) errechnete sich eine höhere Gefährdung. Wenn konventionelle Pflanzen durch herbizidresistente ersetzt würden, so die Autoren, würden sich allenfalls geringfügige Verschiebungen beim „Farmland bird index“ ergeben.

Falscher Ansatz bei den „Agro-Umwelt-Systemen“

Die „Agro-Umwelt-Systeme“ sind darauf angelegt, durch bestimmte anbaubegleitende Maßnahmen wie etwa das Anpflanzen von Hecken die Folgen der Landwirtschaft abzumildern und dem Artenschwund entgegenzuwirken. Als Beispiel wurde ELS (entry-level stewardship) gewählt, das 2005 auf bereits 1,5 Millionen Hektar gestartet wurde und für jeden Anbautyp eine Reihe von Maßnahmen anbietet. Dabei handelt es sich in erster Linie um Maßnahmen am Ackerrandstreifen, nicht auf den Feldern selber.

Die Modellberechnungen ergaben in diesem Fall, dass selbst wenn der durch fehlende Hecken und Randstreifen herbeigeführte Rückgang der Vogelzahlen durch solche Maßnahmen für die gesamte Agrarlandschaft ausgeglichen würde, dennoch die Anzahl der Vögel weiter abnehmen würde. Insbesondere einige Vogelarten, die bereits auf der roten Liste stehen und auf Felder als Lebensraum angewiesen sind, wie die Feldlerche (Alauda arvensis) und die Grauammer (Miliaria calandra), werden weiter abnehmen. Nach Einschätzung von Simon Butler und seinen Kollegen werden solche Ansätze nur dann effektiv sein, wenn sie sich gezielt um die Faktoren kümmern, die die Artenvielfalt am stärksten beeinflussen. Die wichtigsten Faktoren hierfür seien der Verlust von Futter und Nistmöglichkeiten auf den Feldern selber.