Konflikt um transgene Apfelbäume

Apfel: Freisetzungen geplant

(20.10.2003) Erstmalig sollen in Deutschland gentechnisch veränderte Apfelbäume im Freiland getestet werden. Das Ziel: Eine verbesserte Resistenz gegenüber den gefürchteten Krankheitserregern Feuerbrand, Apfelschorf und Apfelmehltau. Doch es gibt heftige Proteste. Am Standort Dresden-Pillnitz versucht eine Koalition aus örtlicher Bürgerinitiative, Ökobauern und Grünen die Freisetzung zu verhindern. Die Kritiker befürchten, dass sich trotz Sicherheitsmaßnahmen die Transgene verbreiten könnten - mit unabsehbaren Folgen für das Ökosystem.

Der Kulturapfel (Malus domestica) gehört zur Familie der Rosengewächse. Er kann sich mit anderen Kulturarten und Wildverwandten erfolgreich kreuzen. Fremdbestäubung durch Insekten ist die vorherrschende Befruchtungsart. Für eine Verbreitung durch Wind ist der Pollen zu schwer.

Jeder Apfelbaum, der aus einem Kern wächst, ist ein einmaliger Baum. Soll es weitere Bäume mit genau diesen Äpfeln geben, muss der Züchter Zweige dieses Baumes auf eine Unterlage aufpfropfen. Das wird als Veredeln bezeichnet.

Transgene Apfelpflänzchen im Glas. Zunächst werden die fremden Gene in Blattstücken übertragen. Diese so genannten Primärtransformanten werden dann im Glas groß gezogen und vegetativ vermehrt, d.h. aus Pflanzenteilen werden neue Pflanzen gezogen.

Feuerbrand wird verursacht durch ein Bakterium, das sich seit 1971 auch in Deutschland verbreitet. Befallene Pflanzenteile sehen aus „wie vom Feuer verbrannt“. Die Bakterien dringen an offenen Stellen in die Pflanze ein, an Wunden und Rissen, aber vor allem auch über die Blüten. Sie überwintern in der Rinde und vermehren sich im Frühjahr, unter feucht-warmen Bedingungen bildet sich Bakterienschleim. Übertragen wird der Erreger hauptsächlich durch Insekten, aber auch durch Regen, Wind, Vögel oder Schnittwerkzeuge.

Apfelschorf - die bedeutendste Apfelkrankheit - ist ein Pilz, der im abgefallenen Laub der Bäume überwintert. Im Frühjahr werden die Wintersporen ausgeschleudert, die bei ausreichender Blattnässe die ersten Infektionen hervorrufen. An den Befallsstellen - das sind alle oberirdischen Teile des Baumes - bilden sich dann die Sommersporen, die zu weiteren Infektionen führen.

Auf Blättern und Früchten bilden sich zunächst blass oliv-grüne, später bräunliche bis schwarze Flecken.

Apfelmehltau ist ein Pilz, der sich im Unterschied zum Apfelschorf nur von lebendem Gewebe ernährt und in den Blatt- und Blütenknospen überwintert. Er liebt schwül-warmes Wetter und befällt alle oberirdischen Pflanzenteile. Infizierte Blätter haben einen mehligen Belag, rollen sich zur Blattoberseite hin ein und werden hart und brüchig. Befallene Früchte sind von einer netzartigen Struktur überzogen.

Alle Bilder zu den Apfelkrankheiten: www.obstbauseite.de

Was geplant ist

Nach Wein und Pappeln ist der Apfel nun das dritte gentechnisch veränderte Gehölz, das in Deutschland im Freiland getestet werden soll. Die Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen (BAZ) plant die Freisetzung transgener Apfelbäume an zwei Standorten über einen Zeitraum von zwanzig Jahren. Auf Flächen der BAZ in Quedlinburg, Sachsen-Anhalt, sollen im Laufe dieser zwanzig Jahre insgesamt bis zu 5000 Bäume ausgepflanzt werden, auf Flächen des Instituts für Obstzüchtung in Dresden-Pillnitz, Sachsen, sogar bis zu 10000 Bäume.

Am Standort Quedlinburg sollen auf 0,2 Hektar mehrere transgene Linien auf ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Bakterien und Pilzen untersucht werden. Hier sollen die Pflanzen „wurzelecht“, d.h. ohne Veredelungsunterlagen ausgepflanzt werden, weil eine Fruchtbildung nicht erforderlich ist. Bevor die Pflanzen erwachsen sind und Blüten bilden, nämlich jeweils schon nach vier Jahren, sollen sie gerodet und vernichtet werden. Auftretende Blütenknospen sollen umgehend manuell entfernt werden.

Am Standort Pillnitz (ein Hektar) ist geplant, nur veredelte Gehölze anzupflanzen und die Bäume auf ihre obstbaulichen Qualitäten hin zu überprüfen. Deshalb ist es hier erforderlich und erwünscht, dass die Bäume zur Blüte kommen und Früchte ausbilden.

Um zu vermeiden, dass transgener Pollen von Insekten verbreitet wird, sollen die Blütenstände mit so genannten Kreuzungstüten aus Polyestergewebe isoliert werden. Solche Tüten werden auch im normalen Zuchtprozess eingesetzt. Wenn die Bäume ausgewachsen sind und es vermehrt zur Blütenbildung kommt, soll über die Baumreihen ein Folientunnel gespannt werden.

Gefahr für das Ökosystem?

Den Gegnern der Freisetzung sind solche Maßnahmen nicht ausreichend. Sie befürchten, dass einheimische Apfelsorten „kontaminiert“ werden könnten, mit nachhaltig schädlichen Folgen für das Ökosystem. Zudem habe Pillnitz einen guten Ruf als Standort für traditionsreichen Obstanbau zu verlieren. Es habe viele Streuobstwiesen, Naturschutz- und ökologische Anbauflächen und sei deshalb für die Freisetzung „genmanipulierter“ Apfelbäume denkbar ungeeignet.

Institutsleiterin Viola Hanke schätzt das Risiko einer Verbreitung der Transgene durch Pollenübertragung als gering ein, auch wenn einzelne Pollenkörner trotz Isolierung der Blütenstände in die Umgebung gelangen sollten.

Gefürchtete Apfelkrankheiten

Die bakterielle Erkrankung Feuerbrand hat sich in den letzten dreißig Jahren in vielen europäischen Ländern ausgebreitet und verursacht erhebliche Schäden. Feuerbrand ist hochansteckend und befällt „apfelfrüchtige Rosengewächse“, z.B. Apfel, Birne oder Quitte. Wenn er sich einmal etabliert hat, kann seine Verbreitung kaum aufgehalten werden. Für seine Bekämpfung gibt es keine wirksamen Mittel, die ökologisch und gesundheitlich unbedenklich sind. In Deutschland darf nur in Ausnahmefällen ein Antibiotikum angewendet werden.

Apfelschorf und Apfelmehltau sind Pilzerkrankungen, die ebenfalls zu hohen Ertragseinbußen führen. Beide Krankheiten können durch gezielte vorbeugende Maßnahmen eingedämmt werden. Bei Mehltaubefall sind dies vor allem sorgfältige Rückschnitte und die gründliche Entfernung aller Triebe mit befallenen Knospen. Bei Apfelschorf muss dafür gesorgt werden, dass das Falllaub gut und schnell verrottet, damit die Pilzsporen dort nicht erfolgreich überwintern können. Beide Erkrankungen werden darüber hinaus bei starkem Befall mit Fungiziden bekämpft.

In den letzten Jahrzehnten sind auf konventionellem Wege Apfelsorten mit hoher Resistenz gezüchtet worden u.a. auch am Pillnitzer Institut für Obstzüchtung.

Hier wird nun seit einigen Jahren auch die Möglichkeit verfolgt, mit Hilfe gentechnischer Methoden die Resistenz der Pflanzen zu verbessern.

Der gentechnische Ansatz

Seit 1997 wird am Institut für Obstzüchtung an der Entwicklung der transgenen Apfelpflanzen gearbeitet. Verschiedene Genkonstrukte wurden in Blattstückchen von Apfelpflanzen eingeführt, zu Pflanzen herangezogen und auf Resistenz gegenüber Bakterien und Pilzen getestet. Um die Stabilität der Fremdgene zu testen, wurden die transgenen Pflänzchen bewurzelt, ins Gewächshaus überführt und in verschiedenen Kombinationen veredelt.

Die Apfelpflanzen, die nun freigesetzt werden sollen, enthalten jeweils eins von insgesamt acht verschiedenen Genkonstrukten, die die Abwehr der Pflanzen gegenüber Krankheitserregern erhöhen sollen. Die Gene stammen aus verschiedenen Organismen, aus Bakteriophagen, aus einem Pilz und aus der Seidenraupenmotte. Sie alle vermitteln die Produktion von Proteinen, die gegen Bakterien oder Pilze wirksam sind.

Ein Gen aus dem Bakteriophagen T4 etwa sorgt dafür, das die Apfelpflanze Lysozym produziert, ein Eiweiß, welches die Zellwand von Bakterien angreift. Dieses Gen ist auch bei Kartoffeln getestet worden.

Ein anderes Gen aus dem Pilz Trichoderma harzianum ist verantwortlich für die Bildung des Enzyms Chitinase, welches die Zellwände von Pilzen zersetzt. Ein solcher Ansatz wird auch bereits an Weinreben erprobt.

Count-down

Die Gegner der Freisetzung haben jede Menge Einwände angekündigt, die Frist hierfür ist inzwischen abgelaufen. Bis Ende Oktober will das Robert-Koch-Institut über den Freisetzungsantrag der Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen (BAZ) entscheiden.