Herstellung von Medikamenten mit gentechnisch veränderten Pflanzen

„Pharming ermöglicht eine flexiblere Herstellung von Biopharmazeutika“

Die Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen und Tiere als lebende "Fabriken" zur Produktion von Arzneimitteln wirft eine Reihe von ökologischen, ethischen, gesellschaftlichen und juristischen Fragen auf. Die Europäische Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen GmbH hat dazu eine interdisziplinäre Studie vorgelegt, die sich u.a. mit den Vorteilen, den Risiken und der öffentlichen Akzeptanz des so genannten "Pharming" beschäftigt. BioSicherheit sprach mit der Projektkoordinatorin Dr. Margret Engelhard über die Ergebnisse der Studie.

Dr. Margret Engelhard, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Europäischen Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen Bad Neuenahr-Ahrweiler GmbH.

Fermenter. Biopharma- zeutika sind komplexe Verbindungen, die nicht oder nur sehr aufwändig mit Hilfe konventioneller chemischer Synthese hergestellt werden können, sondern aus biologischem Material (z.B. Blutplasma) isoliert oder gentechnisch mit Hilfe lebender Zellen produziert werden müssen. Ein Beispiel dafür ist Insulin, das in Fermentern wie dem hier abgebildeten von Bakterien produziert wird.

Färberdistel. Seit kurzem können auch transgene Pflanzen und Tiere zur Produktion von Biopharmazeutika genutzt werden, z.B. kann Insulin in der Färberdistel produziert werden. Der Markt für Biopharmazeutika expandiert momentan rasch, aufgrund von neuen Anwendungen und einem steigenden Verbrauch.

bioSicherheit : Welche Vorteile hat die Herstellung von Medikamenten in Pflanzen und Tieren gegenüber der Herstellung in Zell-oder Bakterienkulturen?

Margret Engelhard: Pharming erlaubt möglicherweise im Vergleich zur herkömmlichen Produktion in Zell- oder Bakterienkulturen eine schnellere, billigere und flexiblere Herstellung von Biopharmazeutika, da keine aufwändigen industriellen Anlagen betrieben werden müssen und die Vergrößerung von Tierherden und Anbauflächen kaum technischen Mehraufwand mit sich bringt. Außerdem gibt es einige Pharmazeutika, die nur mit Hilfe von transgenen höheren Organismen hergestellt werden können. Ob die genannten positiven ökonomischen Prognosen allerdings stimmen, wird der Markt erst zeigen müssen.

bioSicherheit: Welche Pflanzen versucht man zur Zeit für die Herstellung von Medikamenten zu nutzen? Befinden sich bereits Wirkstoffe, die in Pflanzen produziert werden, in der klinischen Prüfung? Wie sieht es speziell in Europa aus?

Margret Engelhard: Wichtige Pflanzen sind die Lebens- und Futtermittelpflanzen Mais, Reis, Soja und Kartoffel, daneben sind aber auch Tabak, Moose und Algen prominente Vertreter. Im außereuropäischen Ausland befinden sich 16 Wirkstoffe in klinischen Studien. Dabei handelt es sich um Antikörper, Impfstoffe und Insulin, die z.B. für Durchfall, Hepatitis oder Diabetes eingesetzt werden. In Europa befinden sich vier in Pflanzen produzierte Wirkstoffe in klinischen Studien. So wird zum Beispiel in Frankreich in transgenem Mais humane Magen-Lipase hergestellt, die zur Behandlung von Pankreasinsuffizienz bei Patienten mit Mukoviszidose eingesetzt werden soll. Und in Dänemark wird humaner Castle-Faktor – ein Magenprotein, dass zur Vitamin B12 Aufnahme benötigt wird – mit Hilfe von transgener Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) produziert.

bioSicherheit: Welche besonderen Risiken treten auf, wenn man transgene Pflanzen dazu benutzt, medizinische Wirkstoffe zu produzieren?

Margret Engelhard: Im Gegensatz zu den transgenen Pflanzen der ersten Generation wie z.B. Bt-Mais werden beim Pflanzenpharming Substanzen in viel höheren Konzentrationen produziert. Außerdem sind es Arzneimittel, die beim Menschen stark wirksam sind. Diese Substanzen dürfen deshalb nicht in die Lebens- und Futtermittelkette gelangen. Man kann sich z.B. vorstellen, dass ein Impfstoff, der versehentlich konsumiert wird, zu einer Desensibilisierung führt und später eine Impfung nicht mehr anschlägt. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Pharmapflanzen von Tieren gefressen werden oder die Wirkstoffe ins Grundwasser gelangen, und dort schädliche Wirkungen entwickeln. Insgesamt besteht bei Pharming-Pflanzen weitaus weniger Erfahrung bei der Identifikation und Bewertung von Umweltrisiken und Risiken für die Gesundheit der Bevölkerung als bei Gentechnikpflanzen der ersten Generation.

bioSicherheit: Wie versucht man die genannten Risiken zu minimieren?

Margret Engelhard: Man versucht das Risiko der Ausbreitung und der ungewollten Exposition mit klassischen Methoden wie der Erhöhung der Sicherheitsabstände oder besonderen Anbauprotokollen zu minimieren. Allerdings ist kein Eingrenzungssystem völlig dicht. Deshalb entscheiden sich auch einige Firmen, nur im Gewächshaus zu produzieren. Oder es werden Pflanzen genutzt, die nicht als Nahrungsmittel konsumiert werden, wie z.B. Tabak oder Färberdistel. Bei diesem Ansatz entfällt das Risiko einer Kontamination der Lebens- und Futtermittelkette, die genannten Risiken für die Umwelt bleiben aber bestehen. Außerdem wird die Nutzung steriler Pflanzen diskutiert, die in einigen Fällen aber wiederum selbst ein Risiko für die Umwelt darstellen könnten.

bioSicherheit: Sie präsentieren Ergebnisse einer Umfrage aus 15 Ländern zur öffentlichen Wahrnehmung der Biotechnologie. Wie wird Pharming, speziell mit Pflanzen, bewertet?

Margret Engelhard: Die Haltung zu Pflanzenpharming ist trotz der genannten Risiken zum Teil positiv, auch etwas positiver als zu den gentechnisch veränderten Pflanzen der ersten Generation – vor allem, wenn es um lebensrettende Medikamente geht, die nur auf diese Weise hergestellt werden können. Der Anbau von Pharmingpflanzen im Freiland wird - im Gegensatz zum Anbau in Gewächshäusern - allerdings kritischer gesehen. Auch ist die Haltung zum Tierpharming wegen des möglichen Tierleides generell eher negativ. Ein vertieftes Wissen über die Technologie spielt übrigens – anders als häufig behauptet – bei der Akzeptanz von Pharming nur eine geringe Rolle, da auch moralische Argumente ins Spiel kommen.

bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch.

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